Bauarbeiten am Ilısu-Staudamm könnten nach vier Monaten nun wieder aufgenommen werden!

Stop Ilısu – stoppt Zerstörung und Instabilität!

Ercan Ayboğa, Initiative zur Rettung Hasankeyfs, 05.12.2014

Das türkische Amt für Wasserwirtschaft (DSI) kündigte vor wenigen Wochen an, dass der Bau des hochumstrittenen Ilısu-Staudamms nach einer nun abgelaufenen viermonatigen Baupause unverzüglich wieder aufgenommen werde. Sollten die Bauarbeiten weitergehen, könnte der Ilısu-Damm am Tigris bereits nächstes Jahr fertiggestellt werden, mit der Konsequenz weitreichender sozialer, kultureller und ökologischer Zerstörung und einhergehend mit einer weiteren Destabilisierung der politischen Lage.

80% der Staumauer des Ilisu-Staudamms sind bereits fertiggestellt.

Die Bauarbeiten, richtig begonnen im Jahre 2010, nachdem neue Finanziers gefunden worden waren, waren im August 2014 gestoppt worden, nachdem alle ArbeiterInnen gekündigt hatten. Zuvor waren zwei führende Bauunternehmer von den Volksverteidigungskräften (HPG) festgenommen worden. Die Guerillaeinheiten der PKK hatten sie gewarnt, sich nicht weiter am Bau des Ilısu-Staudamms zu beteiligen, und beide nach wenigen Tagen wieder auf freien Fuß gelassen. Die PKK und andere BeobachterInnen teilen die Einschätzung, dass der Ilısu-Staudamm ein gegen sie gerichtetes Projekt ist, ein weiteres Werkzeug zur Assimilation der kurdischen Kultur.

Nach der Arbeitsniederlegung der BauarbeiterInnen im August 2014 war das Projekt zunächst gestoppt. Nach Angaben des DSI waren vor der Arbeitsunterbrechung etwa achtzig Prozent des Staudamms fertiggestellt, einige Höhenmeter in der Staumauer, Teile der Überlaufrinne und der größte Teil des Wasserkraftwerks noch nicht.

Das DSI wies zudem darauf hin, dass das Staudammgelände bei Wiederbeginn der Bauarbeiten von einem noch größeren Militärkontingent geschützt werden würde und zudem alle Zulieferwege für Konstruktionsmaterial militärisch abgesichert werden würden.

Ein Besuch der Anlage durch unsere Initiative Mitte November 2014 zeigte auf, dass die umgesiedelte Bevölkerung des Ilısu-Dorfes unter schrecklichen Bedingungen lebt. Viele sind verschuldet, da die neuen Häuser in etwa doppelt so viel kosten wie ihre alten. Während der Bauarbeiten gab es kurzfristig Beschäftigungsmöglichkeiten, derzeit finden sie keinerlei Lohnarbeit. In der Region gibt es keine Einkommensmöglichkeiten – nicht zuletzt, da ihnen ihr Land genommen wurde. Auch die soziale Infrastruktur ist mangelhaft, fast keines der Versprechen ist eingehalten worden. Bis heute sind nur eine Grundschule und ein Spielplatz gebaut worden. Inzwischen sieht niemand aus den 45 Familien des Ilısu-Dorfes das Ilısu-Staudamm-Projekt noch als positive Investition an.

In der Region haben seit 2006 alle Lokalbehörden ihre Ablehnung des Ilısu-Staudamm-Projekts zum Ausdruck gebracht. Trotzdem begann die Zentralregierung gegen die Mehrheit der Bevölkerung mit den Bauarbeiten.

Wir fordern das DSI auf zu bedenken, dass der Ilısu-Staudamm eine Katastrophe für 80 000 direkt betroffene Menschen in der Region darstellt und überregional noch mehr Menschen betroffen werden. Die einzigartige Natur und das außergewöhnliche Kulturerbe der Region würden unwiederbringlich zerstört werden, wenn die Bauarbeiten wieder begännen. Zudem würde die politische Situation in der Türkei weiter destabilisiert werden, da sich eine militärische Intervention der PKK wiederholen könnte. Dies könnte weitreichende, negative Folgen für den Verhandlungsprozess zwischen PKK und türkischem Staat haben. Auch der Irak wäre betroffen. Die anhaltenden Kämpfe in der Region in den letzten Monaten haben gezeigt, wie große Wasserkraft- und Infrastrukturprojekte das Konfliktpotential anheizen.

Es gibt in der Türkei kein mit dem Ilısu-Staudamm vergleichbares Projekt hinsichtlich Zerstörungs- und Konfliktpotenzial. Dementsprechend fordern wir alle auf, vor allem die Zivilgesellschaft und PolitikerInnen in Türkei, Irak, Mittelost und Europa, gegen die Entscheidung des DSI, die Bauarbeiten am Ilısu-Staudamm wieder aufzunehmen, zu protestieren. Vom Staudamm profitieren in erster Linie einige wenige Unternehmen und die Regionalmachtbestrebungen der Türkei. Politischer Druck auf die Türkei ist jetzt so dringend wie nie.

Mehr Informationen sind zu finden unter: www.ekopotamya.nett | www.suhakki.org | www.stopilisu.com