Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

ein neues Jahr hat begonnen und natürlich werden wir auch in diesem Jahr mit großer Aufmerksamkeit die Entwicklungen in Kurdistan und im Mittleren Osten verfolgen. Was dieses neue Jahr mit sich bringen wird, lässt sich kaum prognostizieren. Allein ein Rückblick auf das vergangene Jahr macht deutlich, dass sich im Mittleren Osten die Entwicklungen so rasant und überraschend verändern können, dass kaum jemand sie von vornherein auch nur zu vermuten vermag. Sicher ist allerdings, dass die globalen und lokalen politischen Akteure für die Region ihre Pläne gemacht haben dürften, um ihre Interessen im neuen Jahr verwirklicht zu sehen.

Tatsache ist, dass alle politischen Akteure, die in der Region agieren, im Jahr 2016 in ihre Kalkulationen auch die kurdische Freiheitsbewegung mit einbeziehen müssen. Denn dass diese sich als wichtiger Akteur in der Region vollends etabliert hat, kann von niemandem mehr geleugnet werden. Und selbstverständlich wird sich auch die kurdische Freiheitsbewegung ihre Ziele für das neue Jahr gesteckt haben. Und ohne Zweifel wird eines ihrer Ziele sein, ihre Linie der radikalen Demokratie, der Geschlechterbefreiung und des ökologischen Bewusstseins, kurz des demokratischen Konföderalismus, im Nahen und Mittleren Osten weiter zu stärken.

Die Rojava-Praxis im vergangenen Jahr hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, welches Potential hinter dieser Linie steckt. Inmitten eines blutigen Bürgerkriegs haben die Menschen jenseits ethnischer und religiöser Grenzen angefangen, sich von der Basis aus zu organisieren und sich selbst zu verwalten. Im neuen Jahr wird es eine der großen Herausforderungen für die kurdische Freiheitsbewegung sein, dieses Gesellschaftsmodell an weitere gesellschaftliche Kreise heranzutragen und so diese Linie zu stärken.

Der Mittlere Osten wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Jahr 2016 die Region bleiben, in der die »großen Mächte« der Welt und der Region für die Verwirklichung ihrer Interessen Krieg führen werden. In solch einer Gemengelage können Bündnispartner schnell zu Konfliktparteien werden und umgekehrt. Ein alternatives Gesellschaftskonzept im Spannungsfeld divergierender lokaler und globaler Interessen aufzubauen, wird sich ohne Frage nicht einfach gestalten. Zumal eine selbstbewusste emanzipatorische Perspektive wie der demokratische Konföderalismus von vornherein so gut wie allen Machthabern ein Dorn im Auge ist. Leider darf es deshalb auch nicht weiter verwundern, wenn verschiedenste politische Mächte die kurdische Freiheitsbewegung auch im neuen Jahr ins Visier nehmen und angreifen. So hat beispielsweise Deutschland gegen Ende des Jahres 2015 die Repressionen gegen kurdische AktivistInnen hierzulande in einer Phase verschärft, in der quasi die gesamte Welt den Widerstandswillen der KurdInnen im Kampf gegen den IS bewundert hat.

Doch unsere stärkste Waffe gegen ihre Repressionen bleibt die Solidarität, das gilt auch für das neue Jahr. Die Revolution in Rojava hat vielen von uns im vergangenen Jahr viel Mut und Kraft gegeben. Schaffen wir mit dieser Kraft im neuen Jahr ein, zwei, viele Rojavas!

Eure Redaktion