Nachruf auf Şehîd Rustem Cudi

»Ich werde für immer hier in Rojava bleiben«

Baz Andok, April 2016

Rustem Cudi»Ich werde für immer hier in Rojava bleiben.« Dies waren einige der ersten Worte, die mir mein Freund Rustem gesagt hat, nachdem ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte. Leider ist sein Traum viel zu früh wahr geworden. Am 23.02.2016 gegen 15:30 Uhr musste ich mit ansehen, wie mein Freund während der Befreiung von Schaddadi in der Provinz Heseke gefallen ist. Heute liegt er auf einem Märtyrerfriedhof in Dêrik begraben.

Rustem hat von ganzem Herzen an die Revolution in Rojava geglaubt. Insbesondere die Revolution der Frauen in der Region zu unterstützen war ihm eine Herzensangelegenheit, wie er es immer wieder betont hat. Aufgrund der Kombination von Aufrichtigkeit, Überzeugung und Erfahrung wurde Rustem sowohl von uns internationalen Freiwilligen als auch den Kurden und Kurdinnen sofort ins Herz geschlossen.

Gleichzeitig war Rustem einer der härtesten Typen, die ich je getroffen habe. Insbesondere während seiner Zeit in der französischen Fremdenlegion hat Rustem so viel gekämpft wie derzeit vielleicht eine Handvoll Deutscher. Rustem ist vor etwa einem Jahr illegal und ohne Kontakte oder Hilfe über die türkische Grenze nach Kobanê gekommen. Wenn wir ihn gefragt haben, ob die Grenze nicht vermint ist, hat er nur mit den Schultern gezuckt: »Das sind doch bloß diese italienischen Minen, bei denen die Fühler oben rausgucken. Die sieht man doch«, er hat das mit einer solchen Nonchalance gesagt, dass wir uns wie Trottel gefühlt haben, nicht selber über das Minenfeld gekommen zu sein. Rustem wollte nicht an der Front sein, er wollte mit seiner M16 und seiner Flinte zwischen den feindlichen Linien für Verwüstung und Chaos sorgen. So hat Rustem gekämpft, und so ist er gefallen.

Umso mehr überraschte mich seine kritische Reflektion über seine eigene Vergangenheit. Nur wenige Tage vor seinem Tod habe ich Rustem gefragt, was einen guten Soldaten ausmacht. Rustem meinte sofort, dass ein guter Soldat denken muss, um seine Aufgaben kritisch zu hinterfragen. Rustem hat insgesamt 18 Jahre in Bundeswehr und Fremdenlegion gedient, aber ist nach seinen eigenen Worten erst in den Volksverteidigungseinheiten YPG zu einem guten Soldaten geworden. Vorher, so Rustem, war er lediglich ein guter Kämpfer. Diese Aussage hat mich nachhaltig beeindruckt.

Um ehrlich zu sein, ich habe viel zu wenig Zeit, all das aufzuschreiben, was ich über Rustem sagen sollte, da der Krieg immer noch den Großteil meiner Aufmerksamkeit beansprucht. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlimm. Im Gegenteil, wahrscheinlich würde es Rustem sogar freuen zu sehen, dass seine Freunde und Freundinnen dort weitermachen, wo er es nicht mehr kann. Rustem selber sagte mir, dass die Trauer erst nach dem Krieg kommt.

In diesem Sinne, Rustem – ich versuche, dich stolz zu machen. Es ist ein Privileg, mit dir gekämpft zu haben. Şehîd namirin, mein Freund: Ich werde dich niemals vergessen.