nur online | Positive Entscheidungen belgischer und französischer Gerichte zu kurdischen Exilstrukturen in Europa

Die PKK ist keine terroristische Organisation

Elmar Millich, AZADÎ e. V.

Während sich in Deutschland die Gerichtsverfahren gegen kurdische Aktivisten wegen des Vorwurfs der »Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung« (§129b) zu traurigen Routineveranstaltungen entwickeln, fällten Gerichte in benachbarten europäischen Ländern positive Urteile.

Weg mit dem Verbot der PKK – Demonstration in KielAnfang November hat das zuständige Brüsseler Gericht entschieden, das Hauptverfahren wegen Terrorismusvorwurfs gegen die kurdischen Exilpolitiker Remzi Kartal, Adem Uzun und Zübeyir Aydar nicht zu eröffnen und das Verfahren einzustellen. Am 4. Marz 2010 waren in Brüssel in einer großangelegten Polizeirazzia die Büros des Nationalkongresses Kurdi­stan, der Auslandsvertretung der seinerzeit noch nicht verbotenen prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP), die Studios des damaligen kurdischen Fernsehsenders ROJ TV sowie Dutzende Privatwohnungen durchsucht worden. Im Zuge dieser Aktion wurden über ein Dutzend Personen festgenommen und teilweise inhaftiert. Zu ihnen gehörten der KONGRA-GEL-Vorsitzende Remzi Kartal und dessen Vorgänger Zübeyir Aydar. Die belgische Föderalstaatsanwaltschaft leitete Ermittlungsverfahren gegen über dreißig Personen ein mit dem Ziel, sie vor Gericht zu stellen und anzuklagen. Diese Absicht hat das Gericht mit seiner jetzigen Entscheidung vereitelt. Begründet wurde sie u. a. mit dem fortgesetzten Krieg des türkischen Staates gegen die Kurden. Gemäß Artikel 114 des belgischen Strafrechts sei der Widerstand seitens der kurdischen Bewegung als ein bewaffneter Konflikt im Sinne des Völkerrechts anzusehen und die Antiterror-Gesetze seien deshalb nicht anwendbar. Neben der Genfer Konvention bezog das Gericht auch das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes in die Entscheidung mit ein, das sich mit langandauernden militärischen Konflikten zwischen staatlichen Strukturen und bewaffneten Gruppen befasst.

Diese Einschätzung des belgischen Gerichts ist deshalb bemerkenswert, weil in Deutschland diese von den Verteidigern in den oben erwähnten deutschen §129b-Verfahren vorgebrachte Einschätzung ausdrücklich und höchstinstanzlich verneint wurde. Interessanterweise bezeichnet das belgische Gericht die Listung der PKK auf der EU-Terrorliste als nicht ausreichend für die Einstufung der PKK als terroristische Organisation, da die Erstellung dieser Liste von geopolitischen Interessen geleitet sei. Im Falle des ehemaligen kurdischen Fernsehsender ROJ TV gab das Gericht der Meinungs- und Pressefreiheit Vorrang und widersprach der Anklage, der Sender würde terroristische Anschläge propagieren. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung Berufung eingelegt, so dass sich eine weitere Instanz damit befassen wird.

Ein positives Urteil in Richtung Medienfreiheit gab es auch in Frankreich. Laut einer am 15. November bekanntgewordenen Entscheidung des Handelsgerichts in Paris ist der Satellitenbetreiber EUTELSAT verpflichtet, die Ausstrahlung der kurdischen Fernsehsender Newroz TV und MedNûçe TV wieder aufzunehmen. Die Unterbrechung hatte EUTELSAT auf Druck der türkischen Behörden vorgenommen, womit das Unternehmen dem Urteil zufolge gegen das Gesetz verstoßen habe. Eine Entscheidung über die Ausstrahlung von TV-Sendern in Europa obliege den lokalen Aufsichtsbehörden, in diesem Fall der belgischen. Beweise für die Vorwürfe aus der Türkei, die Sender betrieben »Terrorismuspropaganda«, hat das Gericht nicht finden können. Sollte EUTELSAT das Urteil nicht umsetzen, droht dem Unternehmen eine Strafe von 10 000 EUR täglich. Der Anwalt von MedNûçe TV sprach von einem großen Sieg im Sinne der Pressefreiheit.
Doch der Satellitenbetreiber weigert sich bislang, das Urteil umzusetzen.

Nach dem Urteil setzten sich die Vertreter der zwei Sender mit EUTELSAT in Verbindung, um nach Wegen für eine schnellstmögliche Wiederaufnahme der Ausstrahlung zu suchen. Doch die Unternehmensführung und die Anwälte von EUTELSAT versuchen seitdem, diese Bemühungen ins Leere laufen zu lassen und die Ausstrahlung der Sender mit scheinheiligen Begründungen weiterhin zu behindern. So wurden die bisherigen Vereinbarungen der beiden Sender mit EUTELSAT vom Unternehmen einseitig für ungültig erklärt. EUTELSAT forderte außerdem für die Wiederaufnahme der Ausstrahlung die beiden Sender dazu auf, ihren Uplink (Datenfluss zum Satelliten) von Frankreich aus vorzunehmen. Nachdem mit großem technischem Aufwand auch dieser Aufforderung von EUTELSAT nachgekommen wurde, hat der Satellitenbetreiber den beiden Fernsehsendern eine neue Vereinbarung zur Unterzeichnung zukommen lassen, in der EUTELSAT das Recht eingeräumt werden soll, jederzeit die Ausstrahlung der Sender einseitig beenden zu können, ohne dass den Sendern rechtliche Schritte dagegen ermöglicht werden.

In einer gemeinsamen Erklärung machten die Verantwortlichen von MedNûçe TV und Newroz TV klar, dass sie das rechtswidrige Vorgehen von EUTELSAT nicht akzeptieren werden. Die Verantwortlichen erklärten außerdem, dass die Haltung EUTELSATs, die dem Urteil des französischen Gerichts zuwiderläuft, aus den offenen und verdeckten ökonomischen Vereinbarungen mit der Türkei resultiere [s. KR 188]. Ein Ergebnis dieser Vereinbarungen soll ein Milliardenbetrag sein, für den EUTELSAT erst am 5. Dezember den türkischen Satelliten Göktürk-1 über eine Trägerrakete ins Weltall brachte.