Volksaktivistin in Brasilien ermordet

Marielle Franco: Presente!

Anelisa Paiva Csapo

Marielle Franco: Presente!Marielle Franco war eine Militante und kommunale Vertreterin für die Partido Socialismo e Liberdade (PSOL, Sozialismus- und Freiheitspartei). Die schwarze, bisexuelle Menschenrechtsaktivistin aus der Favela da Maré in Rio de Janeiro, Brasilien, wurde am 14. März 2018 ermordet – kurz vor dem Ende des ersten Monats der von der Bundesregierung am 16. Februar beschlossenen militärischen Intervention in Rio de Janeiro. Der Fahrer des Fahrzeugs, in dem sich Marielle befand, Anderson Pedro Gomes, wurde ebenfalls ermordet.

Dieses tragische Attentat erfolgte, kurz nachdem Marielle eine Veranstaltung »Wheel of Talk: Black Youth Moving the Structures« verlassen hatte. Und sie war auch gerade in die Kommission berufen worden, die Verstöße im Rahmen dieser besagten Militäroperation (die sie klar ablehnte) verfolgen soll. Vier Tage vor ihrer Ermordung hatte Marielle Franco die Aktivitäten der Militärpolizei des Irajá-Bataillons in der Favela von Acari angeprangert, die dort Bewohner terrorisiert, in ihre Häuser eindringt und Jugendliche »in den Graben wirft«. Beim 41. Bataillon der Militärpolizei handelt es sich um dasjenige, das seit Anfang 2017 alle 60 Stunden für den Tod einer Person verantwortlich zeichnet. All diese Todesfälle wurden als »Selbstschutz« aufgenommen; das bedeutet, dass die Opfer in irgendeiner Weise reagiert hatten und von der Polizei getötet wurden. In 68 % dieser Fälle wurde der Tatort unkenntlich gemacht und die Militärpolizei führte keinerlei Ermittlungen durch.

Marielle wurde 2017 demokratisch zur Kommunalvertreterin gewählt, was eine der wenigen Möglichkeiten darstellt, die Forderungen der Menschen in den Favelas die institutionelle politische Ebene erreichen zu lassen. Im Maré-Komplex – mit rund 130.000 Bewohnern der größte Favela-Komplex der Stadt – kommt mit der Militäroperation ein Polizist auf 55 Einwohner.

Diese Militärintervention war die erstmalige Anwendung von Artikel 34 der Bundesverfassung von 1988, datiert bis zum 31. Dezember 2018. Insgesamt wurden 600 Millionen Brasilianische Real [ca. 140 Mill. EUR] dafür ausgegeben, während der Staat Rio de Janeiro eine Situation völliger finanzieller Unsicherheit erlebt, in der die öffentlich Bediensteten ihre Gehälter wegen fehlender Mittel monatelang nicht erhalten und die örtliche Bundesuniversität (URFJ) in einem Konkursverfahren steckt.

Die Morde an Marielle und Anderson stellen einen Akt dar, der von einem Genozid- und Terrorstaat ausgeführt wurde, der offen Schwarze dezimiert. Diese Verbrechen transportieren eine Botschaft an alle Gegner des gewalttätigen Massakers in den Vorstädten von Rio de Janeiro. Der Tod dieser beiden Personen unter der Ägide der militärischen Intervention ist wohl weder ein Zufall noch ein Fehler der staatlichen Politik der öffentlichen Sicherheit. Der Fortschritt der Repression durch diese Maßnahme liegt in der Autorisierung dieses neuen und großen Schrittes im Staatsterrorismus. Der Staat, der brasilianische Kapitalismus und seine Institutionen funktionieren weiterhin gemäß ihrem historischen Profil der Aufrechterhaltung struktureller Ungleichheit und der direkten oder indirekten Bewahrung der Barbarei.


 Kurdistan Report 197 | Mai/Juni 2018