Efrîn: Çiyayê Kurmênc – Die kurdische Bergregion

Der kleinste Teil von Rojava

Mustefa Reşîd, Yeni Özgür Politika PolitikART 14.03.18

Efrîn: Çiyayê Kurmênc – Die kurdische BergregionEfrîn, das auch als Çiyayê Kurmênc (kurdische Bergregion) bezeichnet wird, ist der kleinste Teil von Rojava (kurd. f. »Westen«; Westkurdistan/Nordsyrien). Es liegt östlich der Amanos-Berge und Hatays. Das Gebiet misst in Ost-West-Richtung 55 Kilometer und von Nord nach Süd 75 Kilometer. Die Eisenbahn von Aleppo nach Istanbul verläuft hier hindurch.

Der größte Berg der Region, Hawarê, liegt im Norden, erstreckt sich von Ost nach West und ist 1200 Meter hoch. Sein westlicher und nördlicher Teil verläuft über die Grenze zwischen Nordkurdistan und Rojava. Er reicht in den Süden und zieht sich in den Osten bis zu den Bergen Şikakan, Amkan und Xastiyan. In deren Mitte erhebt sich im Süden der Region der Berg Lêlûn (Bêlus) und verläuft vom Süden nach Westen zwischen kurdischem und arabischem Gebiet. Zwischen den Bergen Lêlûn Dağı und Xastiyan liegt die Ebene Cûmê, die bekannt ist für ihren fruchtbaren Boden. Sie erstreckt sich im Westen bis zur Hemqê-Ebene, vom Osten bis in das Stadtzentrum von Efrîn und verläuft sich im Norden. So trennt sie das Şikakan-Gebiet vom Berg Xastiyan. Das Quellgebiet des Efrîn-Flusses liegt zwischen Gurgum (Maraş) und Dîlok (Antep) in Nordkurdistan und er fließt in der Nähe von Kela Horî nach Efrîn. Er erstreckt sich vom Gebiet Şikakan bis in die Nähe des Stadtzentrums von Efrîn, verläuft bis zu den Ebenen Deşta Cûmê und Cûmê Ovası und erreicht Asi und Ava Reş. Diese Flüsse fließen aus drei Richtungen zusammen und münden in der Nähe von Hatay in das Mittelmeer.

Die Geschichte der kurdischen Bergregion (Efrîn)

Die Kurden haben in der Geschichte der Region immer ihre Rolle gespielt. Zur Zeit der Griechen und Römer wurden sie als »Kurdîka« bezeichnet. Die Araber nannten die Region »Dschebel al-Akrad« und die Osmanen »Kürd-Dağı« (kurdischer Berg). Die Region, die an das kurdische Fürstentum in Kilis angebunden war, hieß bei den Kurden immer »Çiyayê Kurmênc«.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der syrische Staat gegründet und İskenderun und Hatay blieben Teil der Türkei. Die kurdische Bergregion war Teil des neuen Syriens. Die Stadt Kilis, von der aus Efrîn verwaltet wurde, blieb auch bei der Türkei. Deshalb wurde für die Leitung die Stadt Mabata ausgewählt. Später wurde die Verwaltung in das neuaufgebaute Zentrum von Efrîn verlegt, das offiziell zum Distrikt erklärt wurde und an das drei Gemeinden (Hamam, Bulbul und Raco) gebunden waren. Im Jahr 1938 übergab Frankreich das Gebiet İskenderun (Provinz Hatay) der Türkei, um sie von einem Kriegseintritt an der Seite des Deutschen Reiches abzuhalten.

Aufgrund der neu gezogenen Grenzen wurde die Gemeinde Hamam geteilt. Deshalb wurde das Gemeindezentrum in das ehemalige Dorf Cindirês verlegt, das später Gemeindestatus erhielt. Im Jahr 1960 wurden drei weitere Gemeinden (Mabata, Şiran, Şiyê) gegründet und offiziell akzeptiert. Damit war die Zahl der Gemeinden von Efrîn mit Cindirês, Bilbilê, Raco, Mubatan, Şiran, Şiyê auf sechs gestiegen. Efrîn, die kurdische Bergregion, mit 366 Dörfern und Zentren, wird nahezu vollständig von Kurden bewohnt. Im Rahmen der Landreform und der Politik des »arabischen Gürtels« im Jahr 1960 wurden einige Gebiete Arabern aus anderen Regionen überlassen. Deren Zahl war sehr gering und auch sie begannen die kurdische Sprache zu sprechen.

Religion und Konfession

Die in der Region lebenden Menschen sind zum großen Teil Muslime, die der hanafitischen Rechtsschule angehören, die Mehrheit der Kurden hingegen Schafiiten. In der Vergangenheit lebten hier auch viele Êzîden, deren Zahl aber mit der Zeit immer mehr schrumpfte, sodass die êzîdische Bevölkerung heute auf wenige Dörfer begrenzt ist. In einigen Dörfern leben Êzîden und Muslime zusammen. Nur im Dorf Mubatan leben Aleviten.

Landwirtschaft

Efrîn ist im Hinblick auf Vegetation und landwirtschaftliche Produkte eine sehr reiche Region, bekannt vor allem für seine Oliven. Die Millionen Olivenbäume überall verleihen ihr eine gewisse Schönheit. Olivenöl und der Handel mit den Oliven sind eine wichtige Einnahmequelle, auch Trauben sind eines der besonderen Produkte der Region. Die anfangs noch beschränkte Traubenproduktion hat sich mit der Zeit entwickelt. In Efrîn, bekannt als Heimat von Obst, werden unter anderem Granatäpfel, Äpfel, Kirschen, Pfirsiche, Aprikosen, Feigen, Birnen, Maulbeeren und Quitten angebaut, an einigen Orten auch Walnüsse und Mandeln. Ebenso gehören Weizen, Gerste, Mais, Sesam, Sonnenblumen, Linsen, Kichererbsen, Tabak und Baumwolle zu den hergestellten Produkten, genauso wie vielerlei Arten von Gewürzen wie Sumach (Essigbaum), Zatar.

Tierhaltung

Früher war in der Region kleine Schaf- und Ziegenzucht verbreitet. Doch gegenwärtig gibt es vielleicht noch in gewissen Gebieten Tierhaltung, aber auch das nur für den Eigenbedarf. Neben Geflügel werden noch Rinder herangezogen. Trotzdem die Imkerei nicht so verbreitet ist wie früher, bildet sie immer noch eine der Lebensgrundlagen in der Region.

Kultur und Folklore

Die Folklore-Tracht der Männer in Efrîn ähnelt der Kleidung der Parther. Die Tänze der Region sind sehr bekannt. Die Volkstanzgruppen aus Efrîn belegten bei Tanzwettbewerben in Syrien oft den ersten Platz.

Da die Region um Efrîn ihre Sprache schützte, konnte sie ihre Kultur, die Folklore und andere kulturelle Besonderheiten bis heute bewahren. Viele bekannte Dengbejî, wie Hemûş Korik, Ibramê Bêsnî (Îbramê Tirko), Cemîlê Kerê, Cemîl Horo, Omerê Cemlo, Evdê Şehrê, Hesnazî, Reşîdê Memcûcanê, Adîk Necar, Beytaz, Eliyê Kabê, Elî Tico, kommen von hier.

Tourismus und historische Stätten

Efrîn ist auch im Hinblick auf Archäologie und Tourismus eine wichtige Region. Wie in anderen Orten Kurdistans finden sich auch hier überall die Spuren und Überreste aus der Geschichte. Am Berg Lêlûn sind viele historische Stätten. Die bekannteste ist Qal´at Sim´an, das Simeonskloster. Jedes Jahr besichtigten es ganze Touristenkolonnen. Im Nordwesten gibt es die Burg Horu, auch als Burg Syrus bezeichnet. Die historische Brücke in Burgnähe wird noch heute genutzt. In Ziyareta Henên liegt das Grab des kurdischen Anführers Nuri Dersimi.

Einnahmequellen

Die Mehrheit der Menschen aus der Region lebt vor allem von Landwirtschaft und Tierhaltung. Die Felder werden mit Traktoren beackert. Wenn auch wenig, so wird doch immer noch mithilfe von Tieren gepflügt. Neben der Landwirtschaft und Tierhaltung gibt es noch andere Berufe wie die Schneiderei. Früher hatte es eine große Zahl von Wassermühlen gegeben. Auch bei der Olivenölherstellung wurden Tiere genutzt. Heute bedient man sich an den Produktionsstätten elektrischer Mühlen. Für die Olivenherstellung wurden in der Region viele moderne Anlagen errichtet. In diesem Zusammenhang gibt es Zinnwerke und Seifenfabriken. In der Baubranche werden in vielen Werkstätten Ziegel und Steine hergestellt.

Handel

Man kann nicht behaupten, dass die Menschen aus der Region in puncto Handel sehr aktiv seien. Trotz des Reichtums in Efrîn profitieren sie nicht davon. Viele Hersteller verkaufen ihre Ernte direkt an Händler aus Aleppo. Mit den von ihnen erhaltenen Vorschüssen sind sie in gewisser Art und Weise mit einer Hypothek auf ihre Produkte belastet. Im Stadtzentrum und den Gemeinden von Efrîn findet einmal in der Woche ein Markt statt, in Efrîn mittwochs und in Cindirês montags. Dort werden die Produkte des täglichen Bedarfs verkauft.


 Kurdistan Report 197 | Mai/Juni 2018