Das Demokratisierungsprojekt von KODAR und PJAK für den Iran

Priorität hat die Gesellschaft

KODAR/PJAK, 12.07.2018

Die Demokratische und Freie Gesellschaft Ostkurdistans (Komelgeya Demokratîk û Azad a Rojhilatê Kurdistanê – KODAR) und die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (PJAK) haben ein umfassendes Demokratisierungsprojekt für den Iran bekannt gegeben, in dem nach einer theoretischen Betrachtung die grundlegenden Probleme des Landes festgestellt und Lösungen vorgestellt werden.

Die Demokratische und Freie Gesellschaft Ostkurdistans (Komelgeya Demokratîk û Azad a Rojhilatê Kurdistanê – KODAR) und die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (PJAK) haben ein umfassendes Demokratisierungsprojekt für den Iran bekannt gegeben. | Foto: rojnews.news

Eine theoretische Betrachtung

Der Iran ist eines der Länder des Mittleren Ostens, in denen die Geschichte der freien Gesellschaften begann, die Wiege der Gesellschaft und des Kampfes um Freiheit. Die Völker des Iran haben in diesem Zusammenhang seit jeher ein konföderales Leben gelebt. Die Geschichte dieser Geographie ist reich an mutigen Kämpfern und Kämpfen um gesellschaftliche Freiheit. Die Völker des Iran und die Kurden haben seit der Ära der natürlichen Gesellschaft bis heute eine gemeinsame Geschichte des Kampfes gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Ohne Zweifel haben sie sich in ihrer gemeinsamen Geschichte, Kultur und Mentalität in den Kämpfen gegenseitig beeinflusst. Vom Konföderalismus der iranischen und kurdischen Stämme gegen die Unterdrückung durch das Assyrische Reich in der Antike bis hin zu ihrer zeitgenössischen Verkörperung in der Revolution von 1979 sind dies eindeutige Beispiele dafür. Dieses konföderale Leben ist die wahre Essenz einer unleugbaren Einheit der Geschichte der iranischen Nationen und baut auf die gemeinsame reiche Kultur, die so untrennbar ist wie die Einheit von Zagros und Elburs.

In der zeitgenössischen Geschichte war der Iran stets ein Feld des demokratischen und linksgerichteten Kampfes. Gerade hier waren die Gesellschaftlichkeit und die Kämpfe darum sehr ausgeprägt und volksbasiert. Die Revolution von 1979 als Resultat des Kampfes aller Völker und vielfältigen Bewegungen hat eine derartige reichhaltige kämpferische Geschichte und sie hat durch die Rolle des Volkes dem 20. Jahrhundert ihren Stempel aufgedrückt. Dass die Nationen des ganzen Iran das Fundament dieser Revolution bildeten, ist Beweis dafür, dass dieser Weg heute von den gleichen Völkern weitergegangen werden muss. Essenz dieser Revolution der Völker waren Gerechtigkeit und Gleichheit, somit war es ihr möglich, die geeignetste Position gegenüber dem damaligen Regime einzunehmen. Doch mit dem Aufkommen und Einfluss der kapitalistischen Moderne hat das jetzige Regime zweifellos einen von diesen Ursprüngen (der Revolution) weit entfernten Weg eingeschlagen. Und das, obwohl sich die Revolution der Völker der kapitalistischen Moderne entgegengestellt und einen schweren Kampf geführt hatte. Das iranische Regime ließ sich jedoch auf den Krieg mit dem Irak ein, entfernte sich Schritt für Schritt von seiner gesellschaftlichen Realität und vermischte sich mit der Macht des Nationalstaats. Diese zentralistische und machtverliebte Perspektive ist die Ursache für die Verleugnung der Kulturen der Völker und ihrer Vielfalt. Wobei es sich doch beim Iran um ein Land handelt, in dem Gesellschaftlichkeit entstanden ist, in dem die Wiege des menschlichen Fortschritts stand. Aus dieser Perspektive ist in dieser Phase ein demokratisches System nötig, das alle politische, kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt und ihren Reichtum einbinden kann, um wieder eine Volksrevolution zu ermöglichen. Fest steht, dass im Zentrum der Gesellschaftsgeschichte des Iran die Rolle der Frauen und ihrer Kämpfe entscheidend war und ist. Heute müssen die demokratischen Werte der Frauen und des Iran ihre Einheit finden, um die Weichen zu stellen für eine auf der Gesellschaft gründende Demokratie. Um diese Geschichte, diese Mentalität und diesen großartigen gemeinsamen Kampf wiederzubeleben, bedarf es unweigerlich des Geistes der demokratischen Nation als einziges, Menschlichkeit bildendes Ziel.

Damit ist der Iran nach vierzig Jahren in eine Phase des Wandels getreten. Die zerstörerischen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krisen, die aus der fehlerhaften Politik des Regimes resultieren, setzen Impulse frei, deren Konsequenzen die Völker des Landes und Kurdistans zu tragen haben. Die starke Konzentration der Politik und ihre absolute Vereinnahmung durch die Herrschenden, der Prozess der kulturellen Verwischung zwischen den kurdischen, aserbaidschanischen, belutschischen, arabischen und anderen Volksgruppen, die ungleiche Verteilung des materiellen Reichtums, die militaristische Herangehensweise unter der Führung der Revolutionsgarden in außenpolitischen wie militärischen Angelegenheiten, das alles ist ein Resultat des Chaos in den Mentalitäten und hat weit über die Krise hinaus den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verfall hervorgerufen und wird unweigerlich eine explosive Volksrevolution und demokratische Transformation mit sich bringen. Dies führt zu folgenden Gefahren:

Erstens: Die Gesellschaft wird in eine Krise der Arbeitslosigkeit, des Hungers, des moralischen Verfalls, der Armut, des Niedergangs der wirtschaftlichen Produktion, des Erstarkens des Faschismus, Patriarchats und der Staatsmentalität gestürzt. Dazu kommen die Abwanderung des Intellektuellenpotenzials der Gesellschaft, die Entpolitisierung und Identitätslosigkeit der Jugend, die Verbreitung des Liberalismus, Kapitalflucht, Import- statt Produktivwirtschaft, die Konzentration des Reichtums durch das Regime und die Revolutionsgarde und die Privatisierungen mit dem Ziel wirtschaftlichen Untergangs.

Zweitens: Zerstörung der Umwelt durch Wüstenbildung und unkontrollierten Dammbau, Vernachlässigung der Wälder, Entstehung überbevölkerter Großstädte, Ausbreitung der Drogensucht und ein ineffizientes Gesundheits- und Bildungssystem.

Drittens: Die »Ein Staat, eine Fahne, eine Religion, ein Vaterland«-Politik gegen die Völker im Iran, die Zerstörung des kulturellen Mosaiks, die Herrschaft der monistischen Mentalität, die in der Grenzregion lebenden Völker wie Kurden, Belutschen und andere als Sicherheitsproblem zu behandeln, sich politischer Öffnung zu verschließen, der staatliche Druck auf zivilgesellschaftliche Einrichtungen, physische und kulturelle Angriffe auf Volksaufstände und Demonstrationen und die Verschärfung der Gewalt- und Repressionspolitik.

Insgesamt muss mit radikaler Logik gesagt werden, dass die genannten Krisen nicht nur vom Regime und der Regierung zu verantworten sind. Unter Einbeziehung der externen Dimension, des kapitalistischen Systems und der globalen liberalen Mentalität muss festgestellt werden, dass diese genauso schuldig und menschenfeindlich sind. Genauso sehr wie das kapitalistische System weltweit, das die Völker in die Sklaverei getrieben hat, spielt das Regime im Iran als Erscheinungsform dieses Systems im Inneren eine ähnliche Rolle. Das kapitalistische System und das iranische Regime sind gleichermaßen Täter.

In diesem Chaos wird im Mittleren Osten, mit Kurdistan im Zentrum, zwischen den Mentalitäten der kapitalistischen und der demokratischen Moderne der Dritte Weltkrieg ausgefochten. Die Regional- und Weltmächte spielen die kurdische Karte aus, um die Völker des Iran, Syriens, des Irak, der Türkei und Kurdistans auszunutzen. Aus diesem Grund bekämpft der Iran aus eigenem Interesse die Kräfte des globalen Kapitalismus und die Kräfte des dritten Weges, also die Völker Kurdistans, des Iran und der Region, mit dem Projekt des »schiitischen Halbmonds«, der vom Jemen bis zum Libanon reicht. Dieser Krieg steht im Begriff, nach Afghanistan, Syrien und dem Irak nun auch in den Iran überzuschwappen. Das iranische Regime begegnet diesem Risiko mit den außerhalb des Landes operierenden Al-Quds-Einheiten und innerhalb des Landes mit Repressionspolitik. Der Dritte Weltkrieg ist in seinen psychologischen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Dimensionen längst im Iran angekommen und es zeichnet sich eine Perspektive des Krieges und zerstörerischer Militärinterventionen ab. Es gibt kein Zurück außer durch eine vernünftige humane Praxis der Islamischen Republik, die sich durch eine Akzeptanz der Forderungen der Bevölkerung abzeichnen muss. Ostkurdistan wird wie auch der Iran zum Schauplatz dieses Kampfes der Regional- und Großmächte werden. Die Völker des Iran dürfen die massenmörderischen und ausbeuterischen Szenarien ausländischer und inländischer Kräfte in keinster Weise tolerieren.

Im Inland unterdrückt und verführt der Nationalstaat und im Ausland warten die amerikanischen und europäischen Supermächte nur darauf, den Iran in ein zweites Syrien zu verwandeln und sich Energieressourcen und Einflusssphären zu sichern. Die iranischen Oppositionskräfte, links wie rechts, streben nur einen Umsturz an und haben keine klaren Programme für die Zukunft. All dies vernichtet das Aufstandspotenzial der Völker. Die Weltmächte schreiben gerade mit psychologischem und realem Krieg ihre Rezepte für die Völker.

Angesichts dessen steckt Kurdistan in den Krallen eines kulturellen Genozids und steht auf dem Schlachtfeld eines von westlichen und konservativen regionalen Staaten geführten Krieges. Das kurdische Volk führt einen Aufstand für die Erfüllung seiner Rechte und die demokratische Autonomie und steht entschieden Seite an Seite mit den Völkern des Iran. Die Freiheitsbewegung Kurdistans verfolgt einen Lösungsansatz und eine Transformation, die die Dinge radikal und an den Wurzeln ändern. Der iranische Staat, die Opposition und die Weltmächte haben jedoch kein demokratisches Projekt ohne Krieg. Ihre Optionen sind Embargos und Krieg. Die Folgen und Lasten dieser zutiefst opportunistischen Optionen wird nur die Gesellschaft zu tragen haben.

Der demokratische Aufstand des Volkes

a) Die Völker: Um die Krise des Iran und Kurdistans zu bewältigen, bedarf es interner wie externer Projekte, doch darf weder die Gesellschaft noch die Freiheitsbewegung zerstörerische, zentralistische und undemokratische Projekte von innen oder außen akzeptieren. Im Verlauf der Transformation im Iran werden die internationale Gemeinschaft und das jetzige Regime gewiss eine Rolle spielen, die Initiative muss jedoch bei den Kämpfen des Volkes liegen. Die amtierende Regierung, die sich dem konservativen Lager gegenüber als Unschuldige darstellen will, wird angesichts des Volksaufstandes nur als Verliererin dastehen. Die Krisen haben dazu geführt, dass das Potenzial für eine demokratische Lösung vorhanden ist, die Regierung versucht diese jedoch auszubremsen. Für die Völker des Iran sind die demokratische Nation und die demokratische Selbstverwaltung die grundlegendste Unausweichlichkeit. Eine Demokratie der Gesellschaft und der Völker ist ohne lokale Demokratie inakzeptabel.

b) Der Aufstand der Völker ist der wichtigste Schritt für die Demokratie: Die landesweiten Aufstände vom Frühjahr, die noch in Form von Streiks und Protestaktionen von verschiedenen Schichten, Arbeitern, Frauen und Jugendlichen anhalten, sind eine demokratische Politik und ein wirklicher Kampf, der in der Kontinuität der Kämpfe vergangener Jahrzehnte steht und nun eine radikale Erhebung erlebt. In diesem Volksaufstand ist sehr wohl verstanden worden, dass das Problem in den Mentalitäten des Staates und der Opposition zugleich liegt, und so wird dafür gekämpft, zu sich selbst und seiner wahren Identität zurückzufinden. Keine aus- oder inländische Kraft kann einem solchen Aufstand trotzen. Er ist eine gemeinsame Erhebung, um eine gemeinsame und freie Mentalität der Völker zu schaffen, für ein freies, schönes und gutes Leben. Die Organisationen des Volkes, die Frauen und die Jugend sind die rechtmäßige und aktive Avantgarde dieses Aufstands. Die Entscheidungen des Volkes müssen dabei radikal sein, denn weder kann das iranische Regime so wie in der Vergangenheit bleiben noch die Opposition. Nur die Bevölkerung und die Straße können die gesellschaftlich-politischen Krisen lösen. Sogar eine politische Öffnung ist nur durch die Gesellschaft praktizierbar. Denn weder hat der Staat die Kraft zu fliehen noch das Volk, sich vor der Pflicht des Aufstands zurückzuziehen. Das Subjekt der Transformation im Iran und in Kurdistan sind die Völker selbst, somit sind weder begrenzte Proteste der Bevölkerung ausreichend noch verlogene Zugeständnisse des Staates. Um die Kämpfe der Völker zu verfälschen und auszubremsen, ist der Staat zu allem bereit.

Und doch ist es möglich, eine Lösung und eine demokratische Transformation ohne Staat und ausländische Kräfte zu erreichen: Wenn der Staat die Rechte und Freiheiten der Völker nicht akzeptiert, sind sie es selbst, die sich für die Demokratisierung ihres Landes erheben werden. Die Völker werden nicht beim Staat um Demokratie betteln, sie wird das Resultat ihres harten Kampfes sein.

c) Aufklärungskommission: Um die Probleme des Landes friedlich zu lösen, bedarf es einer Aufklärungskommission, die sich aus der Bevölkerung und der Gesellschaft zusammensetzt. Ihre Aufgabe wird es sein, ausländische Interventionen zu verhindern und die Krise demokratisch zu bewältigen. Damit sich nicht ein Szenario wie in Syrien wiederholt, wo die Kämpfe der Völker bedroht sind.

d) Zivile demokratische Organisationen: In einem demokratischen Prozess gehören die zivilen demokratischen Organisationen zur gesellschaftlichen Opposition. Sie dürfen sich nicht als Gefolgschaft oder Parallele des Staates begreifen. Sie sind selbstverwaltete und wirksame Existenzen, die das Fundament gesellschaftlicher Arbeit bilden. Eine Gesellschaft, die sich mit dem Staat verbindet, verliert ihre Realität. Die Einheit der Völker auf den Straßen, bei den Protesten und Streiks, ist eine praktische Übung in demokratischem und Selbstverwaltungswillen der Gesellschaft. Die jetzigen Kämpfe repräsentieren die Suche nach der demokratischen Moderne als Alternative zur kapitalistischen Moderne. Gegenüber dem iranischen Staat und dem globalen Kapitalismus verkörpert die Gesellschaft eine dritte, nicht eingliederbare Kraft. Sollte dies dennoch geschehen, wird uns ein Schicksal wie in Syrien, dem Irak und Afghanistan erwarten. Der einzige Weg sind die demokratische Autonomie und die Selbstverwaltung der Völker im Iran und in Kurdistan.

e) Die Frauen: Die Frauen, die sich im Januaraufstand radikal erhoben haben, bilden den Kern demokratischer und autonomer Kämpfe in der Gesellschaft. Die Frauenfeindlichkeit des Regimes nimmt ungeahnte Züge an. Die Geschichte der Revolutionen im Iran jedoch beweist die große Rolle der Frauen und macht eine demokratische und freie Zukunft ohne ihre Freiheit undenkbar.

f) Die Jugend: Die Jugend ist nach den Frauen das größte Opfer des herrschenden Regimes, sie ist die treibende Kraft für den Kampf und den Aufstand gegen die Krisen. Sie wird sich nicht von projektlosen Strömungen verführen lassen, die nur einen Umsturz im Sinn haben. Die Jugend ist der zentrale gesellschaftliche Faktor für die Lösung der Probleme und darf keine zerstörerischen Szenarien des Auslands akzeptieren.

KODAR und PJAKLösungswege von KODAR und PJAK

Die Demokratische und Freie Gesellschaft Ostkurdistans (KODAR) als Teil der revolutionären Welle des Iran und Ostkurdistans ist sich der Missstände im Lande, der Bedrohungen und Perspektiven bewusst. Unser System besteht aus dem Körper des demokratischen Konföderalismus und dem Geist der demokratischen Nation. Demokratische Selbstverwaltung und lokale Demokratie können damit umgesetzt werden. KODAR kämpft für die Freiheit der Völker im Iran und in Ostkurdi­stan. Dieses System hat ein demokratisches Projekt jenseits von Krieg. Somit sind Bekenntnisse des herrschenden Regimes ungenügend, dass eine nationale Frage bestehe, im Besonderen die kurdische Frage. Wir fordern von ihm praktische radikale Schritte, doch haben wir eine kämpferische Haltung, wir werden um nichts betteln. Die PJAK (Partei für ein Freies Leben in Kurdistan) als Avantgarde der Realisierung demokratischer Politik ist bereit, für die Freiheit der Völker im Iran und in Ostkurdistan demokratische Lösungswege zu beschreiten. KODAR und PJAK fordern von der Regierung eine politische Öffnung und sind bereit, eine friedliche Lösung für die Frage der Völker und der Kurden im Rahmen der demokratischen Nation und demokratischen Autonomie anzustreben.

Erstens: primär die Gesellschaft
Jede Kollaboration in den Fragen von Freiheit, Demokratie und Gesellschaft wird als Verrat gewertet.

Der Kern des Widerstands ist die Gesellschaft. KODAR bietet ihren Lösungsvorschlag als richtigen Weg des Kampfes weniger dem Staat als vielmehr der Gesellschaft und den Völkern an. Priorität hat die Organisierung der Gesellschaft; jedes Projekt, bei dem nicht die Völker im Fokus stehen, wird als Ablenkungsversuch gewertet. Die Gesellschaft hat dabei etliche grundlegende Probleme: Staat und Macht, Politik und Moral, Mentalität, Wirtschaft, Industrialismus, Ökologie, Familie, Frauen, Bevölkerung und Sexismus, Verstädterung, Klasse und Bürokratie, Bildung und Gesundheit, Militarismus, Frieden und Demokratie. Diese gemeinsamen Probleme bestehen alle im Iran, in Kurdistan und sonst wo auf der Welt. Der kulturelle Islam als Kontrast zum nationalstaatlichen Islam hat in der iranischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert und vereint sich mit den gesellschaftlichen Werten von KODAR, denen Freiheit und lokale Demokratie zugrunde liegen.

Zweitens: KODARs Projekt der demokratischen Nation
Die Kämpfe von Nationen, die einen eigenen Staat anstreben, oder von Staaten, die eine Nation konstituieren wollen, sind die blutige Realität unseres Zeitalters. In dieser Situation bildet die demokratische Nation eine Zusammenkunft von Menschen gleicher Mentalität. In einer solchen Nation sind Sprache, Religion, Kultur, Markt und politische Grenzen unbedeutend. Die Mentalität ist die entscheidende Grundlage. Das Bewusstsein für »Solidarität und Freiheit« ist das Wichtigste. Die Mentalität bedarf jedoch einer Körperschaft, in der demokratischen Nation wird sie durch die demokratische Autonomie gewährleistet, weil sie auf Freiheit und Solidarität baut. Gesellschaften, die sich aus freiem Willen, basierend auf einer gemeinsamen Mentalität, selbst organisieren, erreichen die demokratische Autonomie. Die politische Autorität der Verwaltung der Völker ist die autonome demokratische Verwaltung, KODAR ist der Anteil der Kurden an diesem Modell. Das Wichtigste dabei ist, dass die demokratische Nation mehrere Dimensionen abdeckt – Kultur, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Recht, Diplomatie, demokratische Kommunen, freie Individuen, gemeinschaftliches freies Leben und natürliche Selbstverteidigung.

Drittens: KODARs Positionen zum Kampf
Das Ziel von KODAR ist die Realisierung von lokaler Demokratie und Freiheit auf der Grundlage der demokratischen Autonomie. Somit werden der Iran und sein Regime in der jetzigen Verfasstheit nicht akzeptiert. KODAR wird den eigenen Kampf nicht nach dem Machtstreben anderer richten. Die Perspektive des Projekts sind die Kämpfe der Völker, sie können nicht Objekt von Kompromissen und Opfer sinnloser Kriege werden. Allerdings ist die Option der legitimen Selbstverteidigung und der demokratischen Aktion der Gesellschaft unausweichlich, sollte sich das herrschende Regime nicht auf eine friedliche Lösung einlassen. Die Gesellschaft wird selbst zur Akteurin, implementiert ihr System der demokratischen Autonomie und demokratisiert das Land. KODAR ist mehr als die Struktur einer Partei, es ist ein System, mit einem iranisch-kurdischen Projekt für alle Völker.

Viertens: die Lösung der kurdischen Frage
Die Kurden haben keine Ausweichmöglichkeit vor der »greifbaren Freiheit«. Weder kann das Regime im Iran vor der konfliktreichen Situation flüchten noch können die USA und der westliche Block die Rolle der Kurden verleugnen und ignorieren. Diese bilden ein Potenzial für die Errichtung der demokratischen Moderne als Gegenentwurf zur kapitalistischen Moderne, KODAR will keine Parteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen davon ausschließen. Mit ihrer nationalen Einheit werden sich die Kurden im Einklang mit der Einheit aller Völker des Iran befinden.

KODAR ist den demokratischen Forderungen der Gesellschaft verpflichtet. Es werden niemals kurdische Projekte akzeptiert werden, die zur Spaltung und einer Einschränkung der demokratischen Partizipation des Volkes führen, sie ist jedoch offen für lösungsorientierte Projekte. KODAR steht ein für eine grundsätzliche Veränderung anstatt Mäßigung und Reformismus oder Konservatismus.

Dadurch ist die Politik von KODAR dynamisch geblieben, die Vorhersagen und Stellungnahmen richtig und weitsichtig. Die nationale Einheit der Kurden und die Einheit der Völker im Iran zur Lösung der historischen Probleme bedarf nach Ansicht von KODAR eines gemeinsamen Projekts, gemeinsamer Philosophie und Mentalität. Somit stellt sich KODAR gegen Alleingänge und nimmt die demokratische Partizipation iranischer und kurdischer Kräfte zum Ausgangspunkt. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen spielen eine den Parteien gleichwertige Rolle, um an den Lösungsprozessen mitzuwirken. Sie sind Teil der Opposition und Grundlage der föderalen Zivilgesellschaft im Gegensatz zu staatlichen Organen.
Nach der Ansicht von KODAR sind die legitimen Selbstverteidigungskräfte eine transparente Kraft, die der Demokratisierung dient; sie sind keine Kriegstreiber und arbeiten nur für die Verteidigung und den Dienst am Volk.

Fünftens: praktische Dimensionen des Lösungsweges von KODAR
KODAR wird sehr transparent und radikal Dimensionen anführen, die für die Lösung der Probleme Kurdistans und des Iran unumgänglich sind. Die einzige wirkliche Lösung liegt in »der Demokratie und Demokratisierung des Iran, der Verfassung, ihrer Demokratisierung und dem Übergang zur demokratischen Nation«. KODAR erklärt sich für eine friedliche Lösung der Probleme im Rahmen eines für die Demokratie offenen Staates bereit, das angestrebte Modell wird die politisch-kulturelle Gesamtheit des Iran erhalten. Garanten der Demokratisierung sind die folgenden Aspekte:

1) Rechtlich: Die aktuelle Verfassung muss in eine demokratische Verfassung umgewandelt werden. Die Rechte der Völker, Religionen, Frauen und anderen Vielfalt müssen garantiert sein. Die Rechte des Einzelnen und des Kollektivs sind in der Gesellschaft untrennbar. Jede Separation transportiert Unterdrückung und Ausbeutung, dementsprechend müssen die individuellen und kollektiven Rechte klar und transparent definiert werden.

2) National-indigen: Die gemeinsame Heimat und ihre Gesamtheit müssen so definiert werden, dass sie nicht nur einer religiösen oder ethnischen Gruppe dienen. Sie müssen alle Religionen, Ethnien, freien Individuen und demokratischen Bürger beinhalten. Aus nationaler und indigener Sicht ist die gemeinsame Heimat der Lebensraum einer ökologischen, ökonomischen und demokratischen Gesellschaft, und alle Diversitäten müssen sich darin frei am politischen Leben beteiligen und partizipieren können.

3) Gesellschaftlich: Die Gesellschaft hat notwendige Bedürfnisse: bei Bildung, Gesundheit, Sport, Kultur und Recht. In diesen Bereichen positioniert sich die Gesellschaft in Beziehung und Konkurrenz zum Staat. Es ist klar, dass die bestehenden Institutionen ineffizient sind. In diesen Bereichen sind Sprache und Ethnizität kein Problem. Die Kurden werden die kurdische Sprache und ihre Bildungsinstitutionen im Rahmen der demokratischen Nation entwickeln. Sie und die Völker des Iran gehören zur kulturellen Gesamtheit des Landes und Kurdistans; ohne sie wäre jede Bestrebung unvollständig, also muss es gemeinsame Lösungen geben.

4) Die Freiheit der Frau: Im Iran werden Frauen im rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und Verwaltungsbereich diskriminiert. Die patriarchale Mentalität und der Staat tragen dafür Verantwortung. Ohne die Abschaffung dieser Diskriminierung ist keine Demokratie möglich. Die Rechte der Frauen wie Organisierungs- und Redefreiheit und ihre Forderungen müssen rechtlich garantiert werden. Ohne die Lösung der Frauenfrage kann von einer Lösung keine Rede sein.

5) Sicherheitspolitisch: Dieser Bereich beeinflusst auch alle anderen. Die Kurden sind von Vernichtung bedroht und ihre Freiheiten wurden ihnen genommen. Deshalb muss eine Sicherheitsgarantie gegeben werden, die an sich jedoch nicht ausreicht. Sollte die Lösung der kurdischen Frage akzeptiert werden, müssen die Sicherheitsorgane radikal umgewandelt werden. Das bedeutet nicht, dass es keine legitime Selbstverteidigung geben soll. Die natürlichen (legitimen) Verteidigungskräfte stellen eine Möglichkeit zur Koexistenz dar und keine Bedrohung für die gesellschaftliche Sicherheit der Indigenen und die Demokratisierung von Iran und Kurdistan.

6) Wirtschaftlich: KODAR verteidigt die Gesellschaft und die Natur mit einer Perspektive der kommunalen Wirtschaft gegen die Eliten und Monopolisten. Die Vergesellschaftung kollektiver Arbeit zur Bedürfnisbefriedigung ist die wahre Wirtschaft. Notwendige ökonomische Beziehungen stehen anstelle von Profitgier und Konsumismus. Die Diskriminierung der Peripherie muss aufhören und der gesellschaftliche Reichtum gerecht verteilt werden.

7) Ökologisch: Industrialismus, Monopolkapitalismus und profitgierige Ausbeutung der Umwelt führen uns zu einer unwiderruflichen Katastrophe. Unkontrollierter Dammbau, Wüstenausbreitung, Zerstörung der Wasserquellen usw. bedürfen der demokratischen Bestrebung einer moralischen Entscheidungsfindung auf gesellschaftlich-staatlicher Ebene. KODAR hat dazu ein ökologisches und demokratisches Paradigma, das eine strukturelle Veränderung fordert.

8) Diplomatisch: KODAR ist ein gutes Beispiel für einen demokratischen Lösungsweg im Iran. Ohne Beachtung der ethnischen Unterschiede können die Probleme im Iran nicht gelöst werden. Von jeher war der Blick auf die Kurden und Kurdistan mit Separatismus verbunden, was einer Antipropaganda gleichkommt. Ganz im Gegenteil, KODAR ist ein System, das ohne Grenzveränderung, ohne Krieg und Militarismus eine konvergierende und alle Völker einschließende Organisierung zu schaffen versucht. Dieser Lösungsweg richtet sich nicht gegen den Staat, der demokratische Konföderalismus ist eine Gemeinschaft der Zivilgesellschaft.

Resultat:
Um die gesellschaftlichen Probleme zu lösen, muss in der gesellschaftlichen Administration zwischen Machtstreben und demokratischer Autonomie differenziert werden. Bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme muss zwischen einer Leitung der Gesellschaft mit machtbasierten Methoden und der demokratischen Selbstverwaltung differenziert werden. Es sind zwei verschiedene Leitungsvarianten und zwei verschiedene Paradigmen. Die machtbasierte Leitung nimmt den Individualismus zur Grundlage, zerstückelt die Gesellschaft und vertieft die Krise. Mit dem Paradigma der demokratischen Nation nimmt KODAR alle Völker und ihre Unterschiedlichkeiten in den Blick und ist auf einen Kampf für gesellschaftliche Freiheit orientiert. Jeder Bürger der demokratischen Nation hat dabei drei Pflichten: 1. intellektuelle, 2. moralische, 3. politische. Mit diesen drei Eigenschaften können die oben genannten Probleme gelöst werden. Jenseits dessen ist der Übergang zu einer demokratischen Verfassung notwendig. Die Verfassung muss ganz klar den Iran als gemeinsame Heimat aller Völker, Geschlechter, Religionen und Identitäten erklären und dafür praktische Garantien benennen. Totalitarismus ist inakzeptabel. Die Avantgarde sind die Völker des Iran und das Recht auf Aktion ist ihnen vorbehalten. Nur mit dem Fokus auf die Gesellschaft und die Umsetzung ihrer Forderungen kann eine Lösung möglich sein.

KODAR ist eine Repräsentanz des Volkes unter der Führung der gesellschaftlichen Gruppen und der Intellektuellen. Das Problem von KODAR mit dem herrschenden Nationalstaat ist eines von »Legalisierung« und »Anerkennung«. Obwohl die Priorität bei der legalen und demokratischen Organisierung liegt – wenn die Nichtanerkennung autoritäre Eingriffe des Nationalstaates zur Folge haben sollte, wird es zu Spannungen und Auseinandersetzungen kommen. Sollte den genannten Forderungen des Volkes nach Legalisierung und Anerkennung nicht nachgekommen werden und sollten ganz im Gegenteil Ignoranz, Verleugnung, Vernichtung und Unmenschlichkeit zum Einsatz kommen, dann steht außer Frage, dass KODAR zur Durchsetzung der Autorität und Verwaltungsstrukturen keine Form des Kampfes unterlassen wird.


 Kurdistan Report 199 | September/Oktober 2018