Euskal Herria: Bericht von der Kurdistan-Solidaritätsplattform in Bilbo

Rojava als Spiegel für die eigene demokratische Bewegung

Emil Strauß

Veranstaltung im BaskenlandWährend der Verteidigung der Stadt Kobanê durch die Frauen*- und Volksverteidigungseinheiten YPJ und YPG vor den Menschenfeinden von Daesch (Islamischer Staat IS) im Jahr 2014 traten die Revolution in Rojava und der jahrzehntelange Kampf der kurdischen Freiheitsbewegung in das Bewusstsein der Menschen in Euskal Herria (Baskenland). In der Gesellschaft hatte es bis dahin wenig Wissen um den revolutionären Kampf im Mittleren Osten gegeben. Das Bewusstsein und die populäre Wahrnehmung um die Errungenschaften und Ziele der Revolution in Rojava stiegen. In dieser Phase der Angriffe brachten gemeinsame Solidaritätsaktionen die von Spaltung und Zersplitterung betroffene baskische Linke, zumindest in der Metropole Bilbo (Bilbao), näher zusammen.

Die Kurdistanekin Elkartasun Ekimena (Kurdistan-Solidaritätsplattform) ist dafür ein gutes Beispiel und stellt außerdem ein aktives Bündnis zwischen der Organisation Askapena, dem Komitee Internazionalistak und der Solidaritätsinitiative Newroz Euskal Kurdu dar. Die Plattform fördert medial sowie auf den Straßen von Bilbo eine regelmäßige Auseinandersetzung mit dem Kampf in Kurdistan und beteiligt sich an der internationalen Solidaritätsarbeit. Bereits im Jahr 2012 fand in der baskischen Metropole das erste öffentliche Newroz-Fest statt.

Bewegt von dem eigenen historischen Hintergrund ist in der baskischen Linken eine grundsätzliche Solidarität mit Völkern präsent, die »keinen eigenen Staat haben«, so die Aussage einer Aktivistin der Plattform. Internationalismus und der Kampf um Selbstbestimmung haben in Euskal Herria eine lange Tradition. Der Kampf gegen Daesch bildete anfangs und für lange Zeit den Fokus in der lokalen Solidaritätsarbeit. So auch der Frauen*widerstand, welcher »teilweise sehr mystifiziert« wurde, heißt es kritisch.

Erst seit ungefähr zwei Jahren gibt es innerhalb und im Umfeld der Solidaritätsplattform eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Konzept des demokratischen Konföderalismus, welches zentral für den revolutionären Aufbau der Gesellschaften in Rojava bzw. der Föderation Nordsyrien ist. Das Ziel ist, die Diskussion über den positiven Bezugspunkt des demokratischen Konföderalismus, der demokratischen Nation bzw. der demokratischen Moderne weiter zu öffnen. Es sei die Erkenntnis gereift, dass der Kampf in Rojava als Spiegel für die demokratische Bewegung in Euskal Herria funktionieren kann – ein Ansatz über den Regionalismus hinaus. »Die Freiheitsbewegung in Kurdistan liefert uns Tools, wie wir das System um uns herum und das System in uns selbst überwinden können«, erläutern Aktivist*innen der Kurdistanekin Elkartasun Ekimena.

Eine wichtige Verschränkung des gemeinsamen Kampfes sei die antipatriarchale Auseinandersetzung, also die Beschäftigung mit Jineolojî für die in Euskal Herria sehr starke und präsente feministische Bewegung. Und das nicht erst seit dem erfolgreichen Frauen*streik am 8. März in diesem Jahr. Vor allem über gemeinsame Strategien gegen die Gewalt gegen Frauen* rücken die internationalen feministischen Kämpfe enger zusammen und beziehen sich aufeinander. Angesichts der allgemeinen Erkenntnis, dass das Patriarchat international sei, fanden bereits in einigen Orten in Euskal Herria mehrere Jineolojî-Seminare statt.

Die Kurdistanekin Elkartasun Ekimena betont die tagespolitische Arbeit, wie zum Beispiel das Organisieren spontanerer Kundgebungen, die Beteiligung an internationalen Boykott-Kampagnen gegen den Türkei-Tourismus, die Zusammenarbeit mit anderen Plattformen wie Rojava Azadî aus Madrid, lokale Pressearbeit und die Notwendigkeit, stärker die einzelnen durch Nationalstaatsgrenzen getrennten Teile Kurdistans in den Blick zu nehmen. »Es sind viele verschiedene geografische Regionen in Mesopotamien, aber ein Kampf. Das sollten wir thematisieren!«

Perspektivisch will die Solidaritätsplattform in Bilbo stärker die offene Diskussion unter Aktivist*innen fördern und mehr Vernetzung auf parlamentarischer Ebene schaffen. Mit dem Ziel, »internationales Bewusstsein für die Kriegsrealität zu schaffen!« und um Druck auf die türkische Vertretung in Euskal Herria auszuüben. Dazu soll es schon bald eine Podiumsdiskussion mit der Bewegung der Zapatistas und der kurdischen Freiheitsbewegung geben. Es gibt gute Erfahrungen mit Veranstaltungen im Rahmen des Sozialforums an der Universität oder im Rahmen eines nun regelmäßig organisierten Kurdistan-Film-Festivals. Erst kürzlich, im November 2018, fand das jüngste Festival mit sehr guter Beteiligung statt.


 Kurdistan Report 201 | Januar/Februar 2019