Wir hatten die Bürde und die Ehre, Lorenzo auf seiner letzten Reise zu begleiten

Erinnerungen an Lorenzo Orsetti / Tekoşer Piling

Navdar Tekoşer


Der 33-jährige Lorenzo Orsetti (Nom de Guerre: Tekoşer Piling) aus der italienischen Stadt Florenz hatte sich 2017 dem Widerstand in Rojava angeschlossen und war in den internationalistischen Einheiten innerhalb der Strukturen der Volksverteidigungseinheiten YPG sowie der TKP/ML-TIKKO organisiert. In Nord- und Ostsyrien kämpfte er gegen den Islamischen Staat (IS) im Rahmen der Offensive »Gewittersturm Cizîrê«. Als die Türkei im Frühjahr 2018 den freien Kanton Efrîn angriff, nahm er auch dort am Widerstand gegen die türkische Armee und ihre verbündeten dschihadistischen Milizen teil. Am 18. März 2019 kam Lorenzo Orsetti bei der Befreiung der letzten Enklave al-Bagouz in Ostsyrien ums Leben. Nur wenige Tage nach seinem Tod erklärten die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) den IS in Syrien militärisch für besiegt.
Der Leichnam von Lorenzo Orsetti wurde aus Rojava nach Italien überführt und auf dem Friedhof Cimitero delle Porte Sante in Florenz beigesetzt.
Seine GenossenInnen aus ­Italien nehmen Abschied von ihm:Lorenzo Orsetti / Tekoşer Piling

Am 10. März noch wurde Lorenzo vom bekannten Radio der römischen Bewegung »Radio Onda Rossa« interviewt. Er war sehr ruhig und sachlich, hörte sich aber auch sehr müde an. Die Nachricht seines Todes erschien dann ganz plötzlich, noch einige Stunden vor der offiziellen Stellungnahme der YPG, im Internet auf den Seiten verschiedener nationaler Tageszeitungen.

Die Eltern wurden sofort benachrichtigt und waren nicht nur unglaublich tapfer, sondern standen sofort vollkommen auf Lorenzos Seite, respektierten in allem, was sie sagten, seinen Aufbruch und äußerten sich auch solidarisch mit dem Kampf der KurdInnen.

Noch in der Nacht drückten GenossInnen in ganz Italien mit Plakaten, Wandparolen und Ähnlichem ihre Trauer aus, denn Lorenzo war nicht nur ein Genosse, den viele kannten, auch seine Facebook-Berichte aus Rojava wurden von vielen GenossInnen verfolgt. Dann folgte eine sehr schöne Kundgebung für Lorenzo in Florenz, an der GenossInnen aus ganz Italien teilgenommen haben, und dann ein langes Warten.

Die Newroz-Feierlichkeiten im kurdischen Kulturzentrum Ararat in Rom wurden Lorenzo und Zülküf Gezer gewidmet. Für diese Gelegenheit wurde dort die Wandmalerei erneuert, in der jetzt auch Lorenzo erscheint.

Wann genau sein Leichnam nach Italien kommen würde, wurde erst ganz knapp vorher bekannt. Obwohl der 31. Mai ein Wochentag war, kamen über hundert Leute zum Flughafen, auch Erol, der erst wenige Tage zuvor seinen 68-tägigen Hungerstreik innerhalb der Streikbewegung gegen die Isolation Öcalans beendet hatte.

Am Flughafen wurde es den GenossInnen von der Polizei nicht ermöglicht, den Leichenwagen zu sehen, Blumen und Fahnen hineinzulegen und ihn zu begleiten. Also fuhren alle zum zweiten Treffpunkt in Rom bei der Gerichtsmedizin. Auch dort wurde nicht erlaubt, sich Lorenzos Sarg irgendwie zu nähern oder ihn auch nur zu sehen. Also wurde entschieden, mit einer spontanen Kundgebung den großen Platz vor der Uni (wo die Gerichtsmedizin ist) zu überqueren und auf dem gegenüberliegenden Friedhof zum PartisanInnendenkmal zu gehen, wo dann einige GenossInnen gesprochen haben und Blumen niedergelegt wurden.

Dann kam wieder langes Warten, denn die AnwältInnen, die im Auftrag von Lorenzos Eltern mit den Behörden in Kontakt standen, verlangten eine offizielle Identifizierung. Daher wurden weitere circa zwei Wochen für die DNA-Tests notwendig.

Die Freigabe des Leichnams erfolgte genauso plötzlich und ohne Vorwarnung. Trotzdem wurden auf die Schnelle noch am gleichen Morgen zwei Autos zur Begleitung organisiert, eines mit GenossInnen von Ararat und eines mit GenossInnen von Rete Kurdistan Roma, um Lorenzo auf dem Weg in seine Heimatstadt nicht alleinzulassen. In der Zwischenzeit hatten die GenossInnen in Florenz mit der Familie und der kurdischen Community die eigentliche Zeremonie organisiert.

Der PartisanInnen-Verband ANPI war sofort dabei, Lorenzos Vater ist ein Aktivist, und im Januar war Lorenzo zum Ehrenmitglied des florentinischen ANPI erklärt worden. Daher war die Teilnahme verschiedener ANPI-Stellen in Florenz von Anfang an ganz spontan.

Genauso spontan war die Auswahl der Räumlichkeiten für die Zeremonie, die SMS Rifredi. SMS bedeutet »Società di Mutuo Soccorso«: Gesellschaft zur gegenseitigen Hilfe. Solche Gesellschaften waren im 19. Jahrhundert traditionell von ArbeiterInnen gegründet worden und haben sich vielerorts mit einer linken Tradition über die Jahre erhalten, wenn auch in anderer Form.

Die SMS in Rifredi, Lorenzos Viertel in Florenz, in der außerdem auch ANPI seinen Sitz hat, stammt auch aus den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts und hat eine lange Kampfgeschichte und Tradition, da sie oft von Faschisten angegriffen wurde, die sich das Gebäude aneignen wollten, es aber dank der Verteidigung durch die GenossInnen nie geschafft haben. Daher war es also ganz selbstverständlich, dass dieser traditionelle Treffpunkt der Linken in Rifredi der Ort der Zeremonie am 23. Juni wurde.

Bereits in den Tagen vor dem Ereignis fanden mehrere Veranstaltungen in Florenz statt, am Morgen des 23. Juni wurde Lorenzo vom Krankenhaus aus, wo sich der Sarg befand, mit einer Kundgebung zur SMS Rifredi begleitet. Während des Tages gab es dann mehrere Redebeiträge von GenossInnen und FreundInnen, Vereinen, StudentInnen etc. und anschließend wurde der Leichenwagen wieder ein Stück begleitet.

Am nächsten Tag fand dann vor einer Kirche in der Nähe des Monumentalfriedhofs von Florenz, Porte Sante, noch eine offizielle Zeremonie vor der Beisetzung statt.

Rete Kurdistan Parma, Nelly Bocchi

Die neue Bibliothek der Gemeinde von Berceto wurde dem Gedenken an Lorenzo Orsetti, Freiwilliger aus Florenz, getötet vom IS in Syrien, gewidmet. Berceto ist eine Kleinstadt in den Bergen bei Parma und hat die Bibliothek in den Räumlichkeiten der Eisenbahnstation Ghiare eröffnet. Die Entscheidung wurde am 14. April von Bürgermeister Luigi Lucchi getroffen, auf einer Veranstaltung mit VertreterInnen von Rete Kurdistan und ANPI (PartisanInnenverein), mit Claudio Locatelli, Lorenzos Gefährten und YPG-Kämpfer, und vielen Menschen, die sich mit Lorenzo solidarisiert haben.

»Orsetti ist für edle Ideale gestorben«, erklärt der Bürgermeister der Stadt bei Parma, »die Freiheit, Gleichheit, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die Selbstbestimmung der Völker interessieren niemanden mehr, aber wir müssen diese Prinzipien bestätigen. Der Kampf von Menschen wie Orsetti hat uns Frieden, Freiheit und Demokratie geschenkt. Es sind dieselben Ideale, die ihn an die Seite der KurdInnen gebracht haben, die nicht auf Religion, Herkunft, politische Überzeugung achten, aber ihr Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit verteidigen«.

Rete Kurdistan Roma, GenossInnen des Sozialen Zentrums »Casale Falchetti«

In Rom erlebten wir eine Phase der Niederlage, persönlich wie politisch, der Ernüchterung und Auflösung unter dem Druck von Isolierung und Repression. Eine immer verbreitetere Abtrennung vom Geschehen, hauptsächlich gefühlsmäßig.

Die Ereignisse in Kurdistan waren keine Ausnahme, vielleicht hat uns deshalb die Nachricht, dass Lorenzo gefallen war, so unvorbereitet getroffen.

Wir waren im ersten Moment bestürzt, jede Geste für ihn in den folgenden Wochen schien unzureichend: Wir bereiteten ein Plakat vor, mit einem Teil seines Testaments bedruckt, damit die Botschaft eines Tekoşer, eines Kämpfers, nicht eines Politikers oder Philosophen, alle erreichen möge. Und doch schien uns diese Geste wenig mehr als ein Ritual des Verlustes, der Wut, der Erinnerung.

Vielleicht muss man zum 25. April zurückgehen, um die Größe von Orsos Hinterlassenschaft zu verstehen, als ihm in jeder Stadt Italiens die Feierlichkeiten zum Tag der Befreiung gewidmet wurden. Lorenzo Orsetti war nicht nur ein getöteter Genosse wie viele andere vor ihm. Seine Person stellte einen Schrittwechsel im kollektiven Bewusstsein dar. Die Augenscheinlichkeit eines Geistes, den wir lange Zeit verloren hatten, von dem nur die Erinnerung aus vergangener Zeit übrig schien, gegründet auf jenen Tugenden, die wirklich die Welt verändern können: Solidarität, Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft.

Wir leben auf der ganzen Welt in einer schwierigen politischen Situation und die Morgenröte verzögert sich. Angst und Hass sind in unseren Alltag eingedrungen, und den Preis dafür bezahlen wie immer die Schwächsten. Der einzige Weg, um aus dieser Situation herauszukommen, liegt in genau diesen Tugenden, deshalb können wir die Worte und das Vorbild, die Lorenzo uns überlassen hat, nicht ins Leere fallen lassen.

Nichts, das nicht schon in unseren Kämpfen lebte: von den UmweltschützerInnen im Val Susa über den Widerstand der Familien, die sich bei der Hausbesetzung in der Via Cardinal Capranica verschanzt hatten, bis zu den gewerkschaftlichen Kämpfen in der Logistik.

Der Blickwinkel ändert sich, der Grundwortschatz, die Last, die diese schläfrige Masse, diese Bewegung der Absichten auf sich nehmen muss, um sich lebendig zu nennen. Denn es gibt solche, die sich erlauben können, nur die Kämpfe zu führen, die sie sicher gewinnen – wir müssen sie alle führen.

Wir hatten die Bürde und die Ehre, Lorenzo auf seiner letzten Reise zu begleiten, von Rom bis zu ihm nachhause, Rifredi, und bei genau dieser Gelegenheit konnten wir Lorenzo kennenlernen, bevor er Heval Tekoşer wurde, durch die Worte seiner FreundInnen und seiner Eltern. An diesem Tag haben wir verstanden, dass es keine HeldInnen gibt; große Wagnisse werden von normalen Menschen unternommen, wie Lorenzo, wie uns, dadurch, dass wir uns bewusstmachen, dass wir wirklich die Tropfen jenes Sturmes sein können.

GenossInnen in Florenz: Uns bleibt die Verantwortung des Aufbruchs als moralische Verpflichtung

Orso, wer war er? Manche haben ihn zuerst als Lorenzo kennengelernt, Sohn, Freund, Kollegen, Bruder aus der Crew, viele andere als Orso – Tekoşer –, den jungen Mann aus Rifredi, der an der syrischen Front war, um Partisan zu werden und mit den KurdInnen zu kämpfen, erst gegen die von der Türkei finanzierten und unterstützten Milizen und dann gegen den IS.

Als Orso gefallen war, nach dem Schock der ersten Stunden, sickerten Nachrichten durch, die Bestätigung und die Notwendigkeit, die Trostlosigkeit zu bewältigen. Schon gleich war spürbar, dass die GenossInnen und die kurdische Community der Familie nahestanden. Zur ersten Stadtversammlung, zu der gleich am folgenden Tag aufgerufen wurde, fand sich eine große Beteiligung: In der »Casa del Popolo« [Volkshaus] seines Viertels kamen sofort die Familie, die FreundInnen, die Community, alle Gruppen, die in der Gegend aktiv sind, Dutzende solidarische Menschen. Sofort entsteht der Wille, einen öffentlichen Moment zu finden, einen nationalen Tag, um Lorenzos/Orsos/Tekoşers zu gedenken und ihn angemessen zu würdigen: Freund, Sohn, Genosse, Kämpfer. Alle fühlen die Notwendigkeit, die Werte, für die er gefallen war, die Sache, der er sich angenommen hatte, zu verteidigen und zu fördern und das in einer einbindenden Weise. Alle teilen die Ablehnung der Rhetorik der Medien und die Kalkulation der nationalen und lokalen PolitikerInnen, nicht zuletzt des Bürgermeisters von Florenz: Orso ist ein Genosse, er hat gekämpft, um die Rojava-Revolution und den Befreiungskampf des kurdischen Volkes zu verteidigen, auf derselben Seite wie alle, die gegen Unrecht und für soziale Gleichheit kämpfen, bestimmt nicht auf der Seite der PolitikerInnen, KriegsstifterInnen und GeschäftemacherInnen.Der Kampf für Freiheit hat keine Grenzen und keine Breitengrade, das ist das, was Lorenzo uns gelehrt hat. Der 27. Juni wird auf dem IFEST dem demokratischen, feministischen und ökologischen Kampf des kurdischen Volkes gewidmet.

»Orso wird leben, wenn wir weiterkämpfen«, heißt das Motto, das einheitlich ausgewählt wird, und Florenz reißt sich zusammen und verspricht, das Gedenken und das Vorbild lebendig zu halten, angefangen bei dem Kiez, in dem Orso geboren und aufgewachsen ist, in dem seine Geschichte erzählt wird, sein Kampf, die Geschichte Kurdistans und des Mittleren Ostens und des Kampfes dieses Volkes. In jenen Tagen haben sich Veranstaltungen in Schulen und Gymnasien aneinandergereiht, die Botschaft von Orso auf Mauern, auf der Straße, in den sozialen Zentren, in den Stadtgärten, in den Bibliotheken. Die Rolle der Türkei wird angeprangert, die westlichen Interessen, die italienischen Verbindungen und Geschäfte. Die Unterstützung der kurdischen Anliegen bekommt neuen Anlauf, die Solidarität und die Unterstützung für die InternationalistInnen, die wie Orso in Rojava waren, um dann bei ihrer Rückkehr verfolgt und von Repression betroffen zu werden.

Am Tag der Kundgebung nahmen Tausende von Menschen teil, viele Parolen und viele Ansprachen auf dem Abschlusspodium. An diesem Tag zeigten viele Momente des Kampfes und der Feier – wie am Nationalfeiertag der Befreiung vom Nazifaschismus am 25. April – den roten Faden, der den Aufbruch jener, die 1944 gegen den Faschismus die Waffen ergriffen hatten, und die Entscheidung heute, gegen den türkischen, islamistischen Faschismus und den Imperialismus in Syrien zu kämpfen, verbindet.

Monate später bleibt uns das Bewusstsein, dass Erinnerung und Gedenken Mittel des Kampfes sind, nicht eine harmlose, zahme und bequeme Rhetorik. Uns bleibt die Verantwortung des Aufbruchs als moralische Verpflichtung: JedeR von uns muss etwas geben, jedeR von uns hat die Pflicht zu wählen, auf welcher Seite er/sie steht, was die Verpflichtungen sind, das Niveau, auf dem man/frau bleiben muss, und den Preis, der dafür zu zahlen ist. Orso lehrt uns, die Resignation zu bekämpfen. Veränderung ist möglich, angefangen bei sich selbst, der Kampf ist der Weg, wenn auch schmerzhaft.

Zum kleinen Stadtpark in Rom (Zusammenfassung aus dem Online-Magazin »fanpage«)

Die Grünfläche bei Ponte Tazio, entlang der Via Nomentana, wurde in »Parco Nomentano Lorenzo Orsetti Partigiano« umbenanntDie Stadtgemeinde Rom III verabschiedete Mitte Juni einen Antrag einiger StadträtInnen der Mitte-Links-Mehrheit, Lorenzo »Orso« Orsetti, dem 33-jährigen Italiener, der in Syrien gefallen ist, während er mit den kurdischen Einheiten gegen den IS kämpfte, einen Park zu widmen. Die Grünfläche bei Ponte Tazio, entlang der Via Nomentana, wurde so »Parco Nomentano Lorenzo Orsetti Partigiano« genannt. Dieses Gelände, das bis vor fünf Jahren verlassen und verwahrlost war und dann durch die Initiative der GenossInnen aus dem Kiez jeden Sommer durch das IFEST – Independent Festival Roma – belebt wird, wurde jetzt Lorenzo »Orso« Orsetti gewidmet. Dazu sagen die GenossInnen, die das IFEST organisieren: »Der Kampf für Freiheit hat keine Grenzen und keine Breitengrade, das ist das, was Lorenzo uns gelehrt hat. Der 27. Juni wird auf dem IFEST dem demokratischen, feministischen und ökologischen Kampf des kurdischen Volkes gewidmet. Um 18.30 Uhr wird das vorläufige Schild mit der Orso gewidmeten Aufschrift eingeweiht. Die offizielle Betitelung wird, so hoffen wir, so bald wie möglich stattfinden. Auch Orsos Eltern und GenossInnen werden mit uns sein, zusammen mit Zerocalcare und Wu Ming 1.«

Şehîd namirin

Die MärtyrerInnen sterben nicht, weil das, wofür sie gelebt haben, nicht stirbt. Denn das Leben den eigenen Idealen zu widmen bedeutet, diese Ideale zu sein. Die MärtyrerInnen sterben nicht, denn das Leben zu schenken ist das Gegenteil dessen, ein Leben zu nehmen. Also hat Lorenzo Orsetti nicht sein Leben verloren, er hat entschieden, es uns allen zu schenken. Sein Opfer, und das von tausenden mutigen jungen Frauen und Männern, lehrt uns, dass man sterben kann, lange bevor das Herz stillsteht, und dass man dessen letzten Schlag überleben kann.

Orso, Tekoşer, die Erinnerung an dich zu hüten und zu verteidigen heißt, sich jeden Tag an dich zu erinnern: Das Leben endet nicht mit dem Tod, sondern in der Gleichgültigkeit.

Orso, du fehlst uns. Wir würden dich gern lachen hören, dich umarmen können, wir hätten dich gern hier. Aber wie jede unserer gefallenen Schwestern und jeder unserer gefallenen Brüder bist du hier. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass für diejenigen, die für die Freiheit kämpfen – wie du es getan hast –, der Tod nicht die letzte Tragödie ist, denn Tragödien finden an jedem Tag statt, an dem wir das Unrecht akzeptierend leben. Lorenzo ist aufgebrochen, um gegen seine eigene Resignation zu kämpfen, gegen den Teil in ihm, der ihm sagte, er solle mit gesenktem Haupt laufen und in dem Elend leben, zu dem sie uns verdammen wollen. Gegen dieses aus Übergriffen, Ausbeutung und Einsamkeit bestehende Elend hat Lorenzo die Waffe in die Hand genommen. Heval Tekoşer war ein tapferer Kämpfer, auf dem Schlachtfeld war er der Erste, der nach vorn ging, und der Letzte beim Umkehren. Und doch muss, wenn wir an seinen Mut denken, sein Lachen viel lauter als der Lärm des Krieges klingen. Denn in diesem Lachen können wir die Gründe eines Kampfes finden, der Menschen aus allen Teilen der Welt vereint. Und dieses Lachen kann uns auch zeigen, wie wir den tieferen Wert des Internationalismus suchen können: sich nah fühlen, auch wenn wir sehr verschieden sind, Grenzen und Hürden herausfordern. Das Leid anderer fühlen, als ob es das eigene wäre, aus der Freude der anderen die eigene Kraft machen.

Es ist notwendig anzuerkennen, dass der Kampf viele Formen, Zeiten und vor allem Kosten hat, aber nur einen gemeinsamen Feind: die kapitalistische Moderne und ihr faschistisches und patriarchalisches Wesen.

Es ist notwendig, dass jeder Mensch, der die Werte dieser Revolution vertritt, sein Teil tut.

Wenn wir den Himmel betrachten und endlich das Gewitter kommen sehen wollen, ist es notwendig, jeden Tag zu versuchen, dieser Tropfen zu sein.

Ciao Lorenzo, du bist unser Stolz und unsere Freude.

Şehîd namirin.


 Kurdistan Report 205 | September/Oktober 2019