Filmkunst stellt einen wichtigen Teil des Widerstandes dar, der Hoffnung gibt und unsere Solidarität verdient

Aspekte solidarischer Filmkunst

Sophia Angeli


Filme bringen Menschen zusammen. Sie versetzen Zuschauer und Zuschauerinnen wie Produzierende in fantastische Welten, egal wie nahe diese auch der Realität sind. Sie können zeigen, wie Alternativen aussehen können, sie geben Hoffnung auf kommende Tage, sie vermitteln Bildung und wirken als Inspiration. Sie kritisieren, sie decken politische und ökonomische Wirkungsgefüge auf, sie können Geschichten erzählen, welche sonst unsichtbar bleiben. Sie können Marginalisierten und Unterdrückten eine Stimme geben und diesen ermöglichen, sich von der Objektivierung zu lösen und sich als Subjekte zu begreifen.

Filmeabend mit Avakino Filmkollektiv und Kopenhagen Underground im Gängeviertel in Hamburg. Foto: AvakinoDieser Artikel widmet sich einigen Aspekten, die ich in den vergangenen Wochen aus einigen Filmvorführungen und Veranstaltungen mitgenommen habe. Er erhebt weder den Anspruch, als ausgereifte Filmkritik zu gelten, noch vollständig zu sein. Vielmehr geht es um Gespräche, Diskussionen und Gedanken, die im genannten Rahmen entstanden sind. Generell lässt sich sagen, dass das Zeigen von Filmen Zugänge schafft, welche besonders vielfältig sind. Diese Vielfalt zeigt sich nicht nur hinsichtlich der Ebenen, welche Zugänge ermöglichen – niedrige, spezielle, bildhafte, persönliche oder eine Mischung aus vielen –, sondern oftmals auch darin, dass Menschen aus unterschiedlichen Kreisen und Hintergründen zusammenkommen. Ich betone das an dieser Stelle, da ich den Eindruck habe, dass dies bei anderen Veranstaltungsformaten weniger häufig der Fall ist.

In Hamburg gibt es seit 2019 das Avakino Filmkollektiv, welches von in Hamburg lebenden Menschen gegründet wurde, welche der Wunsch eint, alternative Filmkunst zu entwickeln, eine Brücke auf dieser Ebene zwischen Kurdistan und Hamburg zu bilden und das Netzwerk revolutionärer und antikapitalistischer Filmschaffender zu erweitern. So richtete Avakino beispielsweise im Februar 2020 gemeinsam mit einem Kollektiv aus Dänemark einen Abend im Kulturtreff Amargî im Hamburger Gängeviertel aus. Kopenhagen Underground – so der Name des Kollektivs aus Kopenhagen – versteht sich als ein Mittel der Solidarität, welches mit freien Filmvorführungen Spenden sammelt, um Graswurzelbewegungen, humanitäre Projekte und politische Gefangene zu unterstützen. Im Gespräch antwortete Ryan, eines der Mitglieder, auf die Frage, was ihn zu dieser Aktivität gebracht hat: Er könne nicht schlafen, solange er nicht etwas mache, was für all die, die kämpfen, produktiv sei, egal ob es dabei um die Kämpfe der Geflüchteten in Dänemark oder um die Menschen in Rojava gehe.

Seit 2017 veranstalten sie ein Filmfestival in Kopenhagen, welches hauptsächlich Arbeiten annimmt, welche mit geringen Kosten und selbstorganisiert produziert wurden. Die Filme zeigen häufig Geschichten von revolutionären Kämpfen oder Schicksale, über welche in der breiten Öffentlichkeit nicht geredet wird. Aus dieser Auswahl wiederum stellen sie Veranstaltungsreihen zusammen, welche für eine bestimmte Sache Unterstützung sammeln.

Solidarität als Praxis des alltäglichen Lebens

»Kurdish Lens«, das ist der Name der Reihe, welche gemeinsam in Hamburg gezeigt wurde: vier Kurzfilme aus allen vier Teilen Kurdistans, von kurdischen FilmemacherInnen. Die Kontakte zwischen diesen und Kopenhagen Underground kamen größtenteils in der Arbeit mit Geflüchteten in Serbien zustande. Die Spenden, welche gesammelt werden, gehen an den kurdischen Roten Halbmond Heyva Sor a Kurdistanê. Gezeigt wurde die Reihe schon in vielen Ländern Europas und auch in Vietnam. Die Teilnahme an den Veranstaltungen sei in Dänemark selbst viel geringer als im Ausland, erzählt Ryan im Gespräch. Laut ihm seien viele der Menschen dort sehr auf sich selbst konzentriert, obwohl oder gerade weil sie im höchsten Maße komfortabel lebten. Doch in den anderen Ländern erfahre die Reihe durchweg positive Reaktionen. An einigen Orten kämen zwar weniger Spenden zusammen, wie beispielsweise in Lissabon, dafür aber seien dort die Gespräche und Diskussionen im Anschluss besonders intensiv und lang gewesen – und damit sei ein weiteres wichtiges Anliegen des Kollektivs erfüllt worden. Die erzählten Geschichten der Filme sollen der Bildung dienen, sie sollen die ZuschauerInnen dazu ermutigen, selbst aktiv zu werden, sich einzubringen in den Kämpfen um sie herum. Solidarität sei eine Praxis – eine Praxis, die Teil des alltäglichen Lebens sein müsse.

Generell sei Solidarität für ihn eines der wichtigsten Prinzipien im Leben – neben Autonomie und Anarchie, führt Ryan weiter aus. Solidarität sei etwas, das eingebettet sein solle in die Art und Weise, wie man die wichtigsten Dinge im eigenen Leben angehe. Ohne Solidarität gebe es keine Menschlichkeit oder zumindest weniger Hoffnung auf diese. Er hoffe, dass Kopenhagen Underground einen Teil dazu beitrage, Solidarität praktisch werden zu lassen.

Eine weitere Veranstaltung, die ich an dieser Stelle erwähnen möchte, war ein Abend in Hamburg, welchen eine Jugendgruppe organisierte. Die Idee war, einen Film zu zeigen und eine Ausstellung zu Inhalten und Hintergründen der Revolution in Rojava zu erstellen. Der Saal war bis auf den letzten Platz mit Jugendlichen gefüllt. Das Avakino Filmkollektiv half bei der Auswahl eines Filmes und stellte diesen am Abend selbst vor: »Berfîn.« Dies ist ein Spielfilm der Guerilla-Filmgruppe SineÇiya und der Regisseurin Özlem Arzeba. Es geht um ein Mädchen Berfîn, das wie Zehntausende weitere in den 1980er und 1990er Jahren in Kurdistan unter der Repression des türkischen Staates groß wurde. Der Vater ermordet, die Mutter verhaftet. Die Unterstützung des Kampfes um Freiheit und Selbstbestimmung wurde mit allen Mitteln bekämpft. Berfîn entscheidet sich eines Tages selbst, für die Gerechtigkeit aktiv, Teil des Befreiungskampfes zu werden und in die Berge zu gehen.

In der anschließenden Diskussion bestimmten viele der eingangs genannten Aspekte das Gespräch. Über den Film wurde vielen eine andere oder neue Art des Zugangs zu den Inhalten des kurdischen Freiheitskampfes ermöglicht. Diskutiert man das Gesehene anschließend, lässt sich auch der Kontext des Filmes weiter ausführen und begreiflich machen. Aktuelle politische Entwicklungen lassen sich vergleichen und diskutieren. Für einige war es auch etwas Besonderes, einen Film abseits der Produkte des Mainstream-Kinos und der Hollywood-Blockbuster zu sehen. Alternative Filmkunst nimmt diese Rolle schon seit Beginn des Kinos ein; der Film, welcher einem Guerilla-Gebiet entspringt, in diesem produziert wurde und in dem Guerilla-KämpferInnen selbst sowohl die Schönheiten als auch die Schwierigkeiten und Widersprüche des Kampfes und des Lebens in den Bergen verkörpern, reiht sich in dieses Erbe ein. Auch dieser Film inspirierte, regte an zum Überdenken der eigenen Privilegien und zur Solidarität mit denen, die kämpfen, mit denen, die unterdrückt werden.

Auf zwei Veranstaltungen, welche erneut gezeigt haben, welches Interesse und welche globale Solidarität der kurdische Freiheitskampf erfährt, bin ich eingegangen und habe dabei so Initiativen und Organisationen ausgelassen, welche auch ihren Teil dazu beitragen. Abschließend lässt sich nur sagen, dass auch das Kino ein wichtiger Raum der Öffentlichkeit ist, welcher das Potenzial besitzt, sich mit Kritik und Kreativität mit den herrschenden Zuständen auseinanderzusetzen und sich selbst weiterzuentwickeln. Filmkunst stellt einen wichtigen Teil des Widerstandes dar, der Hoffnung gibt und unsere Solidarität verdient.


Kurdistan Report 208 | März/April 2020