Antifa-Fahne auf Demonstration in Lüneburg durch Polizei beschlagnahmt

Gerichtsverfahren wegen Antifa-Fahne

Der Kurdistan Report im Gespräch mit Olaf Meyer, Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen


Am 24. März 2018 wurde im Anschluss an die Demonstration »Frieden für Afrin« in Lüneburg eine Antifa-Fahne durch die Polizei beschlagnahmt. Der Träger der Fahne wurde schon während der Demonstration mehrmals von Polizeibeamten gefilmt. Als Grund für die Beschlagnahme nannten die eingesetzten Polizeibeamten, dass die Fahne »verboten« und das Zeigen dieser Fahne ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz sei. Wir sprachen mit Olaf Meyer von der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen.


Am 24. März 2018 wurde im Anschluss an die Demonstration »Frieden für Afrin« in Lüneburg eine Antifa-Fahne durch die Polizei beschlagnahmt. Der Träger der Fahne wurde schon während der Demonstration mehrmals von Polizeibeamten gefilmt. Als Grund für die Beschlagnahme nannten die eingesetzten Polizeibeamten, dass die Fahne »verboten« und das Zeigen dieser Fahne ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz sei.Nach der Demonstration »Frieden für Afrin« in Lüneburg wurde eine Antifa-Fahne durch die Polizei beschlagnahmt. Wie wurde die Beschlagnahme begründet?

Die eingesetzten Beamten meinten, dass die Fahne »verboten« und das Zeigen dieser Fahne ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz sei. Im Protokoll zur Beschlagnahme wurde die Fahne folgendermaßen bezeichnet: »1x Fahne PKK, grüner Hintergrund, innen kreisrund Antifa Logo.« Außerdem gab der Einsatzleiter an, dass die Maßnahme auf Anordnung der Lüneburger Staatsanwaltschaft geschehen würde. Hintergrund war ein mittlerweile eingestelltes Ermittlungsverfahren gegen ein Mitglied der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen in ähnlicher Angelegenheit. Er soll das Symbol auf unserer Internetseite abgebildet haben.

Schon zum Zeitpunkt der Beschlagnahme irrten die Polizeibeamten, als sie von einer grünen PKK-Fahne schrieben. Die Fahne der PKK hat einen roten Hintergrund.

Was geschah mit dem Träger der Fahne, wurde er festgenommen oder ein Verfahren gegen ihn eröffnet? Wenn ja, wie lautet der »Tatvorwurf«?

Während der Demonstration wurde er fast durchgehend gefilmt. Auf den uns vorliegenden Filmen hört mensch, wie sein Aussehen von den filmenden Beamten beschrieben wird. Als die Veranstaltung beendet wurde, traten Polizisten auf ihn zu und teilten ihm mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei und sie die Fahne beschlagnahmen müssten. Nach einigen Diskussionen fand das dann auch statt.

Es war auffallend, dass vor und während dieser Demo immer wieder Menschen von der Polizei behelligt wurden und Fahnen der YPG eingerollt werden mussten. Vor der Demo wurden sämtliche Fahnen kontrolliert. Selbst die Fahne Kameruns sollte entfernt werden. Nur die Antifa-Enternasyonal-Fahne konnte die ganze Zeit ungestört mitgeführt werden. Hier griff die Polizei dann erst nach der Demo zu.

Wenige Tage nach der Demo erhielt der Fahnenträger eine Vorladung der Polizei. Darin war dann das »Mitführen verbotener Fahnen« genannt. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg führt bis heute das Verfahren fort. Tatvorwurf ist eine angebliche »Zuwiderhandlung gegen Verbote nach dem Vereinsgesetz«. Am 9. März 2020 findet die erste Hauptverhandlung vor dem Lüneburger Amtsgericht statt. Es ist davon auszugehen, dass das nicht die letzte Instanz im Verfahren sein wird.

Warum soll die Fahne nach Angaben der Staatsanwaltschaft Lüneburg verboten sein und wie begründet sie das Verbot?

Es wird einfach behauptet, dass die Fahne verboten sei, weil es eine abgewandelte Fahne sein soll. Sie sagen, dass auf der Antifa-Enternasyonal-Fahne »ein abgewandeltes Logo der Arbeiterpartei Kurdistans abgebildet sei, indem vor grünem Hintergrund innerhalb eines für die PKK typischen gelben Sternenkranzes, statt das Logo der PKK, das kreisförmige Logo der Antifa eingefügt« sei. Die Staatsanwaltschaft interpretiert die Fahne dahingehend, dass, »auch wenn die Fahne zentral ein Symbol der Antifa beinhaltet, angebracht auf einem etwa durch die PCDK (Partiya Çareseriya Demokratik a Kurdi­stanê), die KC (Koma Komalen Ciwanen Demokratik) und die KCK (Koma Civakên Kurdistan) verwendeten Hintergrund«, von einem Verstoß gegen § 20 des Vereinsgesetzes auszugehen sei. Merkwürdig ist hierbei, dass es keine PKK-Fahnen mit »Sternenkränzen« gibt und alle kurdischen Symbole der PKK zugeordnet werden.

Um was es bei diesen ganzen Verfahren wegen angeblicher PKK-Fahnen aber eigentlich geht, können wir in einem Beschluss des Landgerichts Lüneburg zu einer Beschwerde gegen die Beschlagnahme der Fahne lesen. Darin heißt es dann unmissverständlich: »Das Zeigen der Fahne bringt unzweifelhaft zum Ausdruck, dass das Anliegen der PKK und ihrer Teilorganisationen von Seiten der Antifa im Allgemeinen und auch von Seiten des Fahnenträgers, mithin des hiesigen Beschuldigten nicht nur unterstützt wird, sondern auch für die Ziele der PKK und ihrer Unterorganisationen geworben wird.« Egal ob dies in diesem Fall überhaupt so war oder ob die Interpretation der Fahne richtig ist, soll eine Solidarisierung oder gar Zusammenarbeit mit der kurdischen Freiheitsbewegung verhindert werden. Das Ganze steht in der unendlich langen Reihe der Verbotspolitik in Deutschland gegen die kurdische Freiheitsbewegung.

Gibt es Beispiele aus anderen Städten, dass wegen der Antifa-Fahne Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden?

Wir wissen nur von einem ähnlichen Fall aus Celle. Dort wurde im November letzten Jahres bei Aktionen gegen den Krieg in Nordostsyrien eine Fahne eingezogen.

Irritation hat es in den letzten Jahren immer mal wieder gegeben, als übereifrige Staatsanwälte oder Polizisten KCK-Symbole erkannt haben wollten. Aber die Antifa-Enternasyonal-Fahne ist zurzeit weder verboten, noch findet sie sich in den Listen der verboten Symbole, und sie wird auch nicht flächendeckend beschlagnahmt. Ganz im Gegenteil. Sie wird gern und häufig auf vielen antifaschistischen und internationalistischen Demonstration mitgeführt und ist frei verkäuflich.

Gab es Angebote der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens?

Im April und Oktober 2018 sowie nochmals im Januar 2019 bot die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Ermittlungsverfahrens an. Unter der Bedingung, dass auf Rückgabe der sichergestellten Fahne verzichtet wird.

Warum wurde nicht auf das Angebot eingegangen?

Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Fahne nicht verboten ist. Auch die Interpretation der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts halten wir für falsch. Es wird ignoriert, dass das Symbol bzw. die Fahne nicht in den Bergen Kurdistans entstanden ist, sondern aus der internationalistischen, antifaschistischen Bewegung Deutschlands heraus.

Heute sind fast sämtliche Symbole der kurdischen Freiheitsbewegung in Deutschland verboten. Offensichtlich will die Staatsanwaltschaft Lüneburg diese Verbote noch weiter ausdehnen und nimmt sich jetzt ein Symbol der antifaschistischen Bewegung vor. Die grüne Fahne mit dem Antifa-Logo soll verboten werden, weil es für eine antifaschistische Bewegung steht, die internationalistisch, ökologisch, antikapitalistisch und solidarisch ist.

Wir können und wollen dies nicht einfach so hinnehmen und müssen die Antifa-Fahne verteidigen. Es besteht die Gefahr, dass sie sonst demnächst durch eine Entscheidung eines Gerichts aus Lüneburg auf der Liste der verbotenen Symbole zu finden ist und es zu weiteren Verfahren kommt. Außerdem wäre ein Eingehen auf die Angebote der Staatsanwaltschaft ein Schuldeingeständnis. Deshalb sind wir froh darüber, dass der jetzt Angeklagte nicht auf die Angebote eingegangen ist.

Wird es jetzt zu einer Gerichtsverhandlung wegen der Fahne kommen? Wenn ja, wie wird die Verhandlung begleitet?

Ja, wie schon gesagt, findet die Verhandlung am 9. März 2020 vor dem Amtsgericht in Lüneburg statt. Wir gehen davon aus, dass das Ganze durch mehrere Instanzen geht und mit einem abschließenden Urteil noch nicht so bald zu rechnen ist. In Lüneburg wären das Amtsgericht und das Landgericht die Orte für die beiden ersten Instanzen. Nach Aktenlage sieht es zurzeit nicht so gut für die Antifa-Fahne aus. Aber der Kampf hat ja gerade erst begonnen.

Selbstverständlich werden wir den Angeklagten begleiten und ihn nicht alleinlassen. Wir waren gemeinsam auf der Demo und gemeinsam werden wir auch im Gericht sein. Niemand wird in einer solchen Situation alleingelassen. Solidarität ist die Grundlage jeglicher antifaschistischer Politik. Und es ist ja auch so, dass er stellvertretend für uns alle dort sitzt. Wir alle haben die grüne Antifa-Fahne schon einmal getragen, und sie ist unser aller Symbol.

Wie sieht es in Lüneburg mit dem Zeigen der Fahne aus, ist sie jetzt grundsätzlich verboten oder kann sie auf Demonstrationen oder Kundgebungen gezeigt werden?

Eigentlich stellt das bisher alles kein Problem dar. Bis auf das eine Mal konnten die grünen Antifa-Fahnen ungestört gezeigt werden und die Polizei schritt auch nie dagegen ein. Zuletzt sah mensch die Fahne bei unserer Gedenkkundgebung am 27. Januar 2020 anlässlich des Befreiungstages des KZ Auschwitz. In der letzten Zeit konnte mensch viele Aufkleber mit dem Symbol und dem Slogan »Lass die Sonne in dein Herz« im Stadtbild entdecken.

Von einem Verbot war und ist sonst nichts zu spüren. Das kann sich nach dem Prozess aber ändern. Es besteht die Gefahr, dass die Fahne irgendwann verboten wird.

Was ist jetzt wichtig?

Vor allem, dass die Antifa-Enternasyonal-Fahne bei jeder Gelegenheit gezeigt wird und das möglichst massenhaft. Wir müssen deutlich machen, dass wir uns die grüne Antifa-Fahne nicht nehmen lassen werden! Was auch immer die Staatsanwaltschaft in ihr sehen will, für uns ist sie eine Antifa-Fahne, die nicht nur schön aussieht, sondern besonders gut unsere Perspektive antifaschistischer Arbeit ausdrückt.

Weitere Informationen und das Solidaritätskonto: https://antifa-lg-ue.org/


Kurdistan Report 208 | März/April 2020