Das neue Syrien muss demokratisch, libertär, säkular und pluralistisch sein

Die Realität Syriens im globalen und regionalen Wettbewerb

Selahattin Soro


Ein genauer Blick auf den mehrsprachigen Unterricht in Nord- und Ostsyrien – die Zukunft der verschiedenen Völker und Glaubensrichtungen der Region im Nordosten Syriens basiert auf einem mehrsprachigen Bildungssystem, das auf der Muttersprache beruht – hier Unterricht in Qamişlo. Foto: anfObwohl fast ein Jahrzehnt seit Beginn der Syrien-Krise vergangen ist, wächst das gegenwärtige Chaos wie eine Lawine, deren Auswirkungen zunehmend regional und global spürbar werden. Aufgrund der sich verschärfenden Wirtschaftskrise protestierte der Obsthändler Mohammad Bouazizzi im Oktober 2010 gegen die Regierung, indem er sich selbst in Brand setzte. Damit war der erste Funke des sogenannten »Arabischen Frühlings« in Tunesien entfacht. Innerhalb weniger Monate wütete dieses Feuer der Proteste in den Ländern mit despotischen Administrationen, wie Tunesien, Ägypten und Libyen.

Die Proteste erreichten auch syrisches Territorium. Der Aufstand, der in der südsyrischen Stadt Daraa begann, hat sich in ganz Syrien ausgebreitet und nach einer Weile verwandelten sich diese Proteste auf Initiative einer radikalislamischen Organisation namens Ikhwan-a Muslim (Muslimbruderschaft) in eine Bewegung des Islamischen Staates. Die harmlosen und demokratischen Forderungen der Massen wurden verdrängt, stattdessen begann das Streben nach der Errichtung eines radikaldespotischen islamofaschistischen Regimes. Der Prozess wurde somit terrorisiert und die Massen wurden aus dem Geschehen gedrängt.

Während Ägypten und Tunesien relativ geringen Schaden aus diesem Prozess davongetragen haben, stecken Libyen und Syrien in einer tiefen Krise und werden von Chaos und Krieg geplagt. In dieser Phase stellen die syrische und die libysche Krise eine ähnliche Realität dar, parallel an der Ost- und Südküste des Mittelmeers. Obwohl sich die Geschehnisse in beiden Ländern in vielen Punkten ähneln, hat die Syrien-Krise einen stärkeren regionalen und globalen Charakter.

Die Situation in Syrien: von einer unschuldigen Volksbewegung zu einem Ort der globalen Abrechnung

Um die aktuelle Phase in Syrien besser analysieren zu können, ist ein Blick auf den vergangenen Prozess essentiell. Wie entwickelte sich die einst unschuldige Volksbewegung zu einem Syrien als Ort der globalen Abrechnung?! Warum haben alle Kräfte, die die Welt regieren, so viel Macht auf der syrischen Kulisse und sind derart an der Syrien-Frage interessiert? Viele weitere Fragen wie diese erfordern eine ausführlichere Analyse. Syrien und der Nahe Osten, die als französisch-britisches Modell geschaffen wurden, können aufgrund der vorangegangenen Schwierigkeiten nicht mehr nach dem alten System und mit dem ehemaligen Modell verwaltet werden. Weder sind die Herrscher in der Lage, wie seither zu regieren, noch will die Bevölkerung wie bisher regiert werden.

Diese Situation zeigt sich zwar überall in der Welt, allerdings im Nahen Osten und in der Region (insbesondere Syrien, Irak, Iran, Libanon und Türkei) in einem radikaleren Ausmaß. Syrien ist eine Macht, die ihre Präsenz als typisch solider Nationalstaat aufrechterhalten will. Ein Nationalstaatssystem auf britisch-französische Art. Als das Modell nicht funktionierte, wurde die Vielseitigkeit des Chaos spürbar. Derzeit wird in Syrien ein Konflikt ausgetragen, ein Widerspruch zwischen einem starren Nationalstaatsmodell und Kräften wie dem sogenannten Islamischen Staat IS, der Muslimbruderschaft, al-Qaida, die sich auf die 5.000 Jahre alte traditionell despotische Geschichte des Nahen Ostens beziehen. Dieser Konflikt hat ein solches Ausmaß erreicht, dass der IS zu einer Bedrohung für die gesamte Menschheit geworden ist. Der islamistische Terror und seine organisierte militante Truppe, die auf syrischem Boden aktiv ist, bedrohen die Welt – insbesondere die Frauen –, indem diese Gruppe alles Andersdenkende, Anderslebende, kurz alles andere außer seinesgleichen, zu zerstören sucht. Ihre Ziele waren ebenso brutale Genozide an verschiedenen ethnischen (assyrischen, armenischen etc.) Gemeinschaften und an (alevitischen, êzîdischen etc.) Glaubensgemeinschaften, um deren Werte auszulöschen.

Der jahrzehntelange innere und äußere Krieg in Syrien zeigt uns, dass weder das von Assad repräsentierte westliche Nationalstaatssystem noch das menschenfeindliche barbarische islamofaschistische System des IS und seiner Verbündeten zu einer Lösung auf syrischem Territorium geführt haben. Ganz im Gegenteil: Beide Systeme haben das bereits bestehende Chaos und die Gewalt intensiviert und zu einer für die Menschheit und die Völker unerträglichen und untragbaren Tragödie geführt. Das Beharren Assads auf seinem westlich-konservativen Nationalstaatssystem wird von seinen Anhänger*innen unterstützt, während der IS das Regime Assads durch sein faschistisch-reaktionäres System ersetzen will. Dieser Machtkampf führt zu einer Spirale des Chaos und des Krieges. Globale und regionale Mächte profitieren von diesem Chaos, indem sie diesen Zustand Syriens ausnutzen und in ihrem eigenen Interesse eine Ordnung etablieren wollen.

Globale und regionale Mächte nutzen die Situation aus: die Sichtweise der jeweiligen Staaten

Einerseits gewährleistet Russland dem Iran und dem syrischen Hisbollah-Regime Assads jegliche militärische, wirtschaftliche, diplomatische und politische Unterstützung, um sie über Wasser zu halten, andererseits führt Russland einen aktiven Kampf gegen die terroristischen Truppen und ihre Verbündeten. Diese Kräfte stehen de facto in einem Krieg im Namen des Assad-Regimes. Russland hat mit der Unterstützung seines langjährigen Freundes Assad und von dessen arabisch-nationalistischem Baath-Regime die Gelegenheit ergriffen, Stützpunkte im Nahen Osten zu errichten und eine aktive Rolle in der Energiepolitik zu spielen.

Mit seinem aktiven Eingreifen im Syrien-Krieg überwand Russland das englisch-französische Abkommen des Status quo des 20. Jahrhunderts und sicherte sich neben den USA die Rolle als Hauptakteur bei der Errichtung des Status quo des 21. Jahrhunderts.

Russland beabsichtigt mit der aktiven Teilnahme an der Krise und dem Krieg in Syrien, seine Rolle als globaler Akteur wiederzuerlangen, die es einst in der Sowjetära spielte und verlor.

Der Iran unterstützt aus strategischen Gründen das syrische Regime und verfolgt mit der aktiven Beteiligung seiner obersten Kommandeure und Soldaten im Syrienkrieg unterdessen die Ausbreitung des schiitischen Halbmondes über die Grenze Afghanistans hinaus, bis hin zum Mittelmeer. Auf der Grundlage seiner eigenen Doktrin versucht er über den Irak und Syrien den Libanon und das Mittelmeer zu erreichen und dort entgegen der arabischen und türkischen Dynamik ein eigenes Hinterland zu schaffen. Wenn der Iran, der das Paradigma des schiitischen Islams vertritt und diesen ideologisch-politisch anführt, den syrischen Krieg gewinnt, gilt er als die siegreiche Kraft im gesamten Nahen Osten und somit weitaus mächtiger als der türkisch-sunnitische Block und das sunnitisch-islamische System.

Aus reiner Profitgier hingegen gießt die Türkei Öl ins Feuer der Syrienkrise, um aus diesem Chaos ihren Nutzen zu ziehen. Der Arabische Frühling hat auch die Türkei und ihre regierende AKP-MHP-Koalition erreicht, sie geschwächt und eine proaktive Rolle übernommen. Die Türkei ist gleichzeitig als Regionalmacht und als Anführerin des sunnitisch-islamischen Blocks daran interessiert, dem schiitischen Iran überlegen zu sein, insbesondere mit der Absicht, den Kurd*innen durch die Syrienkrise das Recht zu verweigern, einen Status wie im Irak auch in Syrien zu erreichen. Über ein Jahrzehnt lang hat sie deshalb den Krieg angeheizt und terroristischen Gruppierungen aus der ganzen Welt den Weg nach Syrien geöffnet. Zusätzlich wurden diese Banden von der türkischen Regierung unterstützt, damit sie das Assad-Regime zu Fall bringen und ihr zum Aufstieg verhelfen.

Die USA hingegen wollen ihre globale und hegemoniale Macht und Führung, die sie seit dem Zweiten Weltkrieg innehaben, nach dem Irak und Afghanistan auch in Syrien fortsetzen. Das Paradigma des britisch-französischen Nationalstaatssystems wollen sie hingegen mithilfe strategischer Anstrengungen durch ihr eigenes Vorbild ersetzen.

Denn klassische Nationalstaatsmodelle schaffen Probleme in der neoliberalen Politik des 21. Jahrhunderts der USA und ihrer Partner und behindern zunehmend das Profitsystem der ausbeuterischen Unternehmen. In Anbetracht dessen ist die Liquidation der nationalen Staatsmodelle des 20. Jahrhunderts von strategischer und entscheidender Bedeutung. Weiterhin ist es durchaus nachvollziehbar, dass die USA damit im Nahen Osten beginnen und ihn sich zur Grundlage nehmen. Somit folgen sie lediglich der Tradition. Am 24. Juni 2019 beriefen sie gemeinsam mit Russland und Israel ein geheimes Treffen in Israel ein, an dem ihre Vertreter*innen der Nationalen Sicherheit teilnahmen. Dieses Treffen wurde auch Sykes-Picot des 21. Jahrhunderts genannt. Einer der wichtigsten Parameter der syrischen Kulisse ist es, das Vertrauen Israels zu gewinnen und zu festigen. Im Hinblick darauf wird es sehr schwer, etwas zum Leben zu erwecken, das für Israel eine Bedrohung darstellen oder für Unbehagen sorgen könnte.

Das Verhältnis zwischen den globalen und regionalen Mächten: miteinander gegeneinander, aber Hauptsache, kein kurdischer Status

Ein weiteres Thema ist das Verhältnis zwischen dem Iran und der Türkei. Auch wenn sie einen tausendjährigen hegemonialen Krieg führen und die eine Regierung die Führung des sunnitischen und die andere Regierung die Führung des schiitischen Blocks verkörpert, bringen die Umstände des Syrienkrieges ironischerweise die Gemeinsamkeiten dieser beiden Mächte hervor.

Verwunderlich ist demnach nicht, dass die Intervention der USA und von deren Verbündeten in der syrischen Region sowohl die Türkei als auch den Iran gleichermaßen einschränkt und die Besorgnis dieser beiden Staaten steigt, nach der neuen Ära durch die USA neu positioniert zu werden. Erfahrungsgemäß vermuten diese hegemonialen Mächte, dass die Kurd*innen wie bereits im Irak inmitten des Chaos des Mittleren Ostens ihre Rechte und damit verbunden einen Status erhalten könnten, und diese umfassende Realität würde ihren eigenen Despotismus schädigen und die Kurd*innen unter ihrer eigenen Besatzung einschließen. Ihre Phobie in diesen beiden Fragen bringt die Iran-Türkei-Partnerschaft und ihre geheime, offene Allianz im syrischen Kontext mit sich.

Obwohl die Türkei anerkennt, dass sie vor Ort mit den USA verbündet ist und an der Westfront steht, hat sie aufgrund der zuvor genannten Gründe auch ihre eigene Agenda. Diese schadet allerdings den Plänen der USA und führt letztendlich zum Verlust der Initiative vor Ort und stärkt somit die Macht der Russland-Iran-Allianz am Ort des Geschehens. Vor allem die antikurdische Politik der Türkei, ihr striktes Beharren auf dem Nationalstaat und ihre neoosmanischen Träume führen zu Konflikten und riskieren dadurch eine mögliche Abkehr von den USA und deren Verbündeten.

Dasselbe gilt für die Beziehungen zwischen dem Iran und Russland. Das Ziel des Irans des schiitischen Halbmondes, seine verdeckte Unterstützung von Terrorgruppen u. a. gegen Israel und seine militärische, diplomatische und wirtschaftliche Vormundschaft über das Assad-Regime führen zur Überreizung Russlands und somit zu einem möglichen Zerwürfnis. Indessen wenden sich die USA Israel zu, dem listigen Partner Russlands, um vor allem Russland zu provozieren. Da der Block der USA und ihrer Verbündeten jedoch keine einheitliche Haltung eingenommen und keinen strategischen Ansatz gegen die Türkei entwickelt hat, eröffnet diese Situation der Politik Russlands den Raum, die aktuelle Krise zu seinen Gunsten auszunutzen. Im aktuellen Zustand ist die Türkei (Erdoğan-Bahçeli-Koalition) fast Russlands Joker vor Ort geworden. Sie geht alle möglichen gefährlichen Wege, um ihre eigene Agenda umzusetzen und die Feindseligkeit gegenüber den Kurd*innen weiter zu verstärken. Aus diesem Grund gibt es keinen Kompromiss, den die Türkei nicht eingehen würde, kein zu großes Risiko, das sie nicht tragen würde. Ihr primäres Ziel ist es, einen kurdischen Status in Syrien zu verhindern.

Während der kurdische Status im Irak eine Realität ist, versucht die türkische Regierung dies in Syrien mit aller Kraft zu sabotieren, indem sie jeglichen Kompromiss mit Russland, den Vereinigten Staaten, dem Westen und dem Iran sowie mit anderen Regionalmächten eingeht.

Infolgedessen wurde die Türkei ein Teil des Astana-Prozesses, um die Umsetzung der Ziele Russlands und des Irans zu befördern. Und das, indem sich die türkische Regierung der Führung aller terroristischen Gruppierungen innerhalb Syriens annahm und sie in den Regionen Azaz, Cerablus, Bab und Idlib in Stellung brachte, allesamt unter der Kontrolle der Türkei.

Russland hingegen weiß diese tiefsitzende kurdische Phobie der Türkei zum eigenen Vorteil zu nutzen. In der gegenwärtigen Situation steht die Türkei an einem sehr ernsten Scheideweg zwischen Russland und den USA. Um das Assad-Regime zu stürzen, hat Erdoğan mithilfe des Geheimdienstes MIT nahezu alle Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft und ist mittlerweile kurz davor, sich mit Assad an einen Tisch setzen zu müssen.

Das Erdoğan-Bahçeli-Kriegsbündnis schadet auf syrischem Territorium sowohl den USA als auch Russland und wird zu unvorhersehbaren Risiken und Problemen für die Türkei führen.

Mit ihrer Politik, hauptsächlich Rechte für die Kurd*innen zu verhindern, schadet sich die Türkei in erster Linie selbst und die eingegangenen Bindungen an Russland und die USA schwinden zunehmend. In diesem Rahmen stellt sie sich selbst vor die Wahl zwischen USA/NATO und Russland.

Ab dem Zeitpunkt, an dem die Türkei ihr nahendes Ende vor Augen sah, entwickelte sie sich von der kompromissbereiten Bündnispartnerin des Astana-Prozesses zu einer hinterlistigen Verräterin. Gemeinsam mit den vorher im türkisch kontrollierten Idlib positionierten Banden unternahm sie äußerst riskante Schritte gegen den russisch-iranischen Assad-Block. Die harte Antwort Assads und des Irans, insbesondere Russlands, folgte auf dem Kriegsschauplatz und kostete die türkische Armee hohe Verluste.

Um die Wogen zu glätten, wurde am 5. März 2020 in Moskau ein Abkommen zwischen der Türkei und Putin unterzeichnet. Es ging vielmehr als eine beispiellose Zeremonie der Demütigung in die Geschichte ein. Dieses fünfeinhalbstündige Treffen, von dem nur drei Punkte öffentlich verlesen wurden, war verheerend für das Erdoğan-Regime und mit der Zeit werden die zerstörerischen Konsequenzen klarer. Russland als Assads Partner wies Erdoğan in die Schranken, sodass er die Verluste seiner Soldaten und die militärisch-diplomatische Niederlage hinnahm und trotzdem Zuflucht bei Russland suchte. Das Abkommen vom 5. März sichert die Umsetzung aller Forderungen Russlands, Assads und des Irans auf höchster Ebene. Wenn die Türkei dennoch auf dem Kriegsschauplatz weiter militärisch aktiv bleibt, werden diese Aktivitäten in Idlib das Geschehen allmählich in einen zwischenstaatlichen Konflikt verwandeln.

Eine allumfassende Demokratisierung – der dritte Weg

Die (kurdischen, arabischen, armenischen, tschetschenischen usw.) Völker, die in Rojava und im Nordosten Syriens leben, haben es unter kurdischer Administration gemeinsam geschafft, in diesem jahrzehntelangen Krieg, inmitten des Chaos mit ihrem dritten Weg ihr Überleben zu sichern. Sie führen einen schweren Existenzkampf und verteidigen ihren Lebensraum gegen radikalislamistische Terrorgruppen, und sie erzielten einen großen militärischen Erfolg. Diesen Erfolg verzeichneten sie nur mithilfe der YPG/YPJ (Volks-/Frauenverteidigungseinheiten) und QSD (Demokratischen Kräfte Syriens) und sie schützten die Menschheit vor der größten Katastrophe des 21. Jahrhunderts. Auf Grund der Tatsache, dass das Assad-Regime seine Präsenz in Rojava und in der nordöstlichen syrischen Region zu zeigen versäumte, waren die dort lebenden Menschen sich selbst überlassen und dem syrischen Chaos ausgeliefert worden.

Unter der Vorreiterrolle der PYD (Partei der Demokratischen Einheit) gelang es den Kurd*innen und ihren Freund*innen, ihr eigenes demokratisches System aufzubauen, die Abwesenheit des Regimes auszufüllen und trotz Damaskus zu überleben. Sie entschieden sich sowohl gegen das klassische nationalstaatliche Modell als auch gegen das reaktionäre Modell der islamistischen Oppositionsgruppen.

Ihr primäres Ziel ist nicht die Befreiung der eigenen Region, sondern eine allumfassende Demokratisierung. Mit dem Paradigma eines demokratischen, geschlechterbefreiten und ökologischen Systems haben sie die Gesellschaft während der Kriegsjahre trotz gewaltiger Opfer am Leben erhalten. Derzeit sind die Streitkräfte Rojavas und Nordostsyriens weder dem starren Nationalstaat des Assad-Regimes unterworfen, noch sind sie bereit, ihr Territorium islamofaschistischen Gruppen zu überlassen. Es ist unvermeidlich, dass in diesem Gebiet, in dem eine Dezentralisierung stattfindet, nur ein solches System fruchtet, das die Existenz verschiedener Religionen, Ethnien und Kulturen akzeptiert. Nur ein solches pluralistisches Paradigma wird von der heimischen Gesellschaft respektiert. Dieses System leugnet weder die nationalen Grenzen Syriens noch die Existenz der Regierung mit Sitz in Damaskus. Dennoch ist es weitestgehend unrealistisch, einen neuen Prozess mit einer Partnerschaft mit dem und der Übertragung aller Befugnisse zurück an das Assad-Regime zu erwarten.

Das neue Syrien muss demokratisch, libertär, säkular und pluralistisch sein. Die Erfahrung, einen dritten Weg in Rojava und dem Nordosten Syriens zu verwirklichen, und die Tatsache, dass dieses Modell der Demokratie trotz Kriegsbedingungen ins Leben gefunden hat, bestärken die Überzeugung, dass das System Syriens während des Wiederaufbaus und danach auf diesem Modell basieren sollte.

Dem in sich zusammenbrechenden Nationalstaatssystem und der fundamentalistisch-despotischen Mentalität steht der dritte Weg der Völker entgegen: ihr Modell der geschlechterbefreiten, ökologischen, säkularen und demokratischen Gesellschaft.