Die Türkei entwickelt ständig neue Pläne zur vollständigen Besatzung Nord- und Ostsyriens

Ziel der Türkei ist es, osmanische Grenzen wiederherzustellen

Interview mit Ilham Ahmed, MSD


Ilham Ahmed, Ko-Vorsitzende des Exekutivausschusses des Demokratischen Syrienrats (MSD), beantwortete unsere Fragen rund um den Krieg in Syrien, die Angriffe der türkischen Armee auf die nordsyrische Selbstverwaltung und die Verhandlungen mit dem syrischen Regime.

In den türkisch besetzten Städten Girê Spî und Silûk gehen die Menschen gegen die Einführung türkischer Währung, die steigenden Brotpreise und die Repression auf die Straße. | Foto: anfIn Syrien setzen sich sowohl die Interessenskonflikte als auch die Übereinkünfte vieler Staaten fort. So fand am 2. Juli zwischen Ruhani, Erdoğan und Putin per Videokonferenz der 6. Astana-Gipfel statt. Die Erklärungen dieses Gipfels betreffen vor allem die autonome Selbstverwaltung im Nord- und Ostsyriens. Wie bewerten Sie die Ergebnisse und welche Folgen sind bereits zu beobachten?

Bis zu diesem Zeitpunkt brachte keine der Astana-Konferenzen positive Ergebnisse für die Völker Syriens. Der demografische Austausch und die Umsiedlung der Menschen in andere Teile des Landes sind Ergebnisse der Astana-Konferenz. Sie und die dort besprochenen Übereinkünfte stellen eine Gefahr für die Völker Syriens dar. Das, was die Teilnehmer als »Gebiete in Waffenruhe« bezeichnen, ist die Aufteilung Syriens und ebnet den Weg für demografische Umsiedlung.

Auch der letzte Astana-Gipfel diente diesem Zweck. Und immer nach den Astana-Treffen führt die Türkei neue Besatzungsoperationen auf syrischem Boden durch. Die Besatzung ist langfristig ausgelegt. Beispielsweise werden in den besetzten Gebieten Poststellen, Universitäten und andere Institutionen eröffnet, die direkt mit der Türkei verbunden sind. Diese Orte werden quasi in türkische Provinzen umgewandelt. Die Autonome Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien ist weiterhin Zielscheibe. Ohnehin wurden die Angriffe auf Ain Issa (kurdisch: Bozanê) seit dem Ende der Gespräche intensiviert. Täglich finden Bombardements statt und in letzter Zeit kreisen vermehrt türkische Drohnen über dem Gebiet.

Zu den von den Teilnehmern besprochenen Themen gehört auch Idlib. Putins Bewertung zum Thema Idlib lässt durchblicken, dass die Übereinkunft zwischen Russland und der Türkei vom 5. März 2020 zufriedenstellend für ihn sei. Was denken Sie über die Entwicklungen bezüglich Idlib?

Es geht nicht nur der Türkei darum in Idlib präsent zu sein. Auch die EU und die USA haben großen Einfluss auf die Entwicklungen in Idlib. Es liegt an der Haltung der USA und Europas, dass die von der Türkei sogenannten »Oppositionskräfte« immer noch in Idlib sind und Russland, Iran und das syrische Regime noch keinen umfassenden Vorstoß gewagt haben, vor allem weil auf einen Angriff auf Idlib ein großer Flüchtlingsstrom folgen würde. Diese Flüchtlinge werden ohnehin von der Türkei als Druckmittel gegen die EU verwendet, was die EU schwer belastet.

Die Wiederinbetriebnahme der Schnellstraße M4 setzte eine Einigung zwischen den USA, der EU, Russland und der Türkei voraus. Doch der Streit über die Kontrolle der Ost-West-Verbindung führte zu Kämpfen zwischen den von der Türkei unterstützten Gruppen, der Türkei selbst und der Allianz Iran-Russland-Syrien. Letztendlich führten auch diese Kämpfe zu Intervention und Druck. Die Türkei erlitt dabei einen Rückschlag. Zum Schluss erklärten die USA »neben der Türkei zu stehen« und zwang sie zu einem Waffenstillstand.

Aktuell herrscht in Idlib ein Waffelstillstand, doch es ist nicht abzusehen, wie lange er noch währt. Alle in den Krieg involvierten Parteien haben Vorbereitungen getroffen. Sowohl das Regime mitsamt seinen Unterstützern als auch die Türkei treffen ernsthafte militärische Vorbereitungen. Es besteht somit die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Kriegsausbruchs, ohne allerdings Zeitpunkt und Ort benennen zu können.

Am 23. Juni wurden in Kobanê drei Kongreya-Star-Aktivistinnen ermordet. War dies ein Hinweis für ein neues Angriffskonzept gegen die Autonome Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien und ihre Vertreterinnen?

Die Türkei entwickelt ständig neue Pläne zur vollständigen Besatzung Nord- und Ostsyriens, die zum Teil umgesetzt worden sind: Einige Teile des Gebietes wurden besetzt. Diese Pläne werden weiterentwickelt und die Türkei versucht, ihre Besatzungsgebiete auszuweiten. Aus diesem Grund führt sie Angriffe auf gesellschaftliche Vorreiterinnen aus. Das Attentat in Kobanê ist ein Produkt dieser Bemühungen.

Der türkische Staat hat alle aktiven Personen, Frauen wie Männer, im Visier, die in der demokratischen Selbstverwaltung Arbeiten übernehmen. Bis jetzt wurden Dutzende Freundinnen und Freunde durch die Türkei bedroht. Natürlich werden vor allem Frauen ins Visier genommen, denn sie spielen eine aktivere und einflussreichere Rolle.

Die Türkei wird ihrerseits von einem männlich dominierten System beherrscht, das die Befreiung der Frau und der Gesellschaft zu verhindern versucht. Deshalb haben sie es in erster Linie auf Frauen abgesehen. Das Attentat in Kobanê ist nicht das erste, das die Türkei in unseren Gebieten ausführt. Auch die Freundin Hevrîn Xelef wurde vom türkischen Staat und seinen Banden vor den Augen der ganzen Welt grausam ermordet. Bis jetzt wurden Dutzende Frauen ermordet. Auch in der Türkei selbst werden vor allem Frauen ins Visier genommen.

Warum wurde dieses Attentat ausgerechnet in Kobanê verübt, einem weltweiten Symbol für den Krieg gegen den IS?

Das Attentat auf die drei Kongreya-Star-Aktivistinnen am 23. Juni fand im selben Zeitraum statt wie das Massaker durch den IS in Kobanê am 25. Juni 2015, bei dem 233 Menschen ihr Leben verloren haben. Das ist kein Zufall. Die Türkei transportiert damit die Botschaft »der IS ist gescheitert, doch mir wird es gelingen«.

Wie Sie bereits erwähnten: Kobanê ist durch den gegen den IS geführten Kampf zu einem Symbol geworden. Die Türkei würde gerne ganz Kobanê besetzen. Zu diesem Zweck zielt sie von Zeit zu Zeit auf herausragende Personen, um die Öffentlichkeit an die Angriffe zu gewöhnen und einen großen Reflex bei noch größeren Angriffen zu vermeiden.

Zwischen dem Demokratischen Rat Syriens und Damaskus wurden die Verhandlungen zur Lösung der syrischen Krise wieder aufgenommen. Bei den militärischen Angriffen gegen die Türkei gab es erneut einen Kompromiss. Warum hörten diese Gespräche auf? Wie geht das Regime mit den Kräften der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens und der demokratischen Lösung der Syrienkrise um?

Das Regime ist nicht offen für den Dialog. Sowohl bei den Gesprächen in Genf als auch bei sonstigen Initiativen ist das Regime nicht bereit für Dialog und Wandel. Es hat kein positives Verhältnis gegenüber der Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens. Beispielsweise propagieren das Regime und seine Medien in Bezug auf das Caesar-Gesetz [Sanktionspaket der USA gegen das syrische Regime seit Mitte Juni 2020], es wäre die Initiative von KurdInnen, der demokratischen Selbstverwaltung oder der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD). Auf diese Art wird eine schwarze Propaganda betrieben. Obwohl das syrische Regime selbst Teil des ökonomischen Würgegriffs beziehungsweise des Embargos ist.

Als das Regime von dem Caesar-Gesetz erfuhr, legte es sofort medizinische Fabriken still. Es verhinderte die Ausfuhr von Medizin in die Gebiete der Autonomieverwaltung. Es stoppte den Handel von Nahrungsmitteln innerhalb Syriens. Vor allem wurde der Handel mit dem Norden und dem Osten Syriens blockiert, also den überwiegend von KurdInnen bewohnten Gebieten des Landes. Das Regime möchte sogar den Eindruck erwecken, KurdInnen hätten den Verkauf von Weizen an das Regime verboten, um mit anderen Handel zu betreiben oder für sich selbst zu unterschlagen.

Wir finden diese Herangehensweise nicht richtig. In der Realität macht es das Regime selbst. Noch nie äußerte die Selbstverwaltung, sie würde keinen Weizen in die Gebiete des Regimes liefern. Ganz im Gegenteil: Auch wir sind gegen das Caesar-Gesetz und gegen alles, was den Völkern Syriens und der Gesellschaft schadet. Doch das Vorhaben des Regimes, den Caesar-Act ausschließlich den KurdInnen und der demokratischen Selbstverwaltung zuzuschreiben, ist nichts als der Versuch, seiner eigenen Verantwortung zu entgehen.

Das Regime schreckt davor zurück, einen Wandel anzustoßen, Schritte zu unternehmen und die Umstände, die seitens der USA das Caesar-Gesetz legitimieren sollen, aufzuheben. Im Grunde tut sie genau das Gegenteil. Der Ansatz verschärft das Embargo und spielt mit dem Brot des Volkes. Aus diesem Grund muss die Wahrheit gesehen werden, wie sie ist.

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass das Regime für den Dialog mit der demokratischen Selbstverwaltung nicht offen ist, aber gleichzeitig Kontakt mit der Türkei pflegt, die Syrien aufteilen möchte und aktuell sogar einen Teil Syriens besetzt hält?

Die Beziehung laufen vor allem auf Geheimdienstebene. Beide Staaten haben also Beziehungen aufgrund ihres Wunsches, mit dem Prinzip des zentralistischen Nationalstaates fortzubestehen. Das Regime möchte keine Demokratisierung Syriens, es ist gegen einen demokratischen Wandel und wehrt sich dagegen. Auch wenn das Regime alles sieht, was die Türkei in Syrien macht, ist es dennoch bereit, jede Art von Beziehung zur Türkei zu vertiefen, um eine demokratische Entwicklung der KurdInnen, AraberInnen, AssyrerInnen, TurkmenInnen, DrusInnen und sogar AlawitInnen zu verhindern.

Sie führten als Beispiel das Caesar-Gesetz an. Welchen Einfluss hat es bis jetzt in Syrien und in den Gebieten der demokratischen Selbstverwaltung?

Wenn Sie die Artikel des Caesar-Gesetzes lesen, sehen Sie in jedem Artikel, dass das Regime umzingelt ist. Der Punkt, an dem die Gesellschaft leidet, ist der Wertverlust des syrischen Geldes. Die Abwertung der syrischen Währung gegenüber dem Dollar ist ein ernstes Problem, weil das tägliche Einkommen der Menschen niedrig ist, die Kosten für Grundbedürfnisse dagegen sehr hoch.

Wir hoffen, dass es in Syrien bald einen politischen Wandel geben wird, ein demokratisches System eingerichtet wird und dieses Embargo aufgehoben wird. Mögen die syrischen Völker und Syrien gemeinsam gewinnen. An dieser Stelle fordern wir das Regime zum verantwortungsbewussten Handeln auf.

Es ist bekannt, dass die demokratischen Kräfte und die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien das Angebot der USA ablehnen, irakische Dinar, türkische Lira oder Dollar anstelle von syrischem Geld zu verwenden. Wie ist die wirtschaftliche Situation in den Gebieten der demokratischen autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens im Moment?

Es gibt heute eine tiefe Krise. Sie betrifft nicht nur Syrien, sondern die ganze Welt. Aus diesem Grund ist es ein wichtiges und lebenswichtiges Thema, wirtschaftliche Bedürfnisse und den Nahrungsmittelbedarf der Gesellschaft zu decken. Ob wir es wollen oder nicht, die Menschen in der Region können den Dollar verwenden, um ihre Wirtschaft am Leben zu erhalten. Die Wirtschaft der demokratischen autonomen Verwaltung basiert auf syrischem Geld. Doch wir leben unter Kriegsbedingungen.

Es gibt jeden Tag Angriffe auf unsere Gebiete und neue Besatzungsvorbereitungen. Wir müssen die Kriegswirtschaft stärker organisieren und suchen diesbezüglich nach Wegen. Andererseits sah der türkische Staat das Caesar-Gesetz sofort als Chance für sich. So wie er versucht, die Gebiete, die er besetzt und in denen er sich aufhält, mit vielen Institutionen an sich zu binden, versucht er, die Gebiete wirtschaftlich mit türkischem Geld einzubinden, indem er es in diesen Gebieten obligatorisch macht. In diesem Sinne verwandelt er die Gebiete in eine Wirtschaftskolonie.

Im Mai begannen Dialoge und Verhandlungen zwischen ENKS und PYD mit dem Ansatz der »nationalen Einheit«. Unter der Teilnahme von 25 Parteien und Organisationen ist der Zusammenschluss »Parteien der geeinten Nation Kurdistan« (PYNK) gegründet worden, der nun weitere Aktivitäten entwickelt. Wie ist der aktuelle Stand dieser Gespräche?

Als dieser Dialog begann, wurde er entwickelt, um die demokratische Selbstverwaltung um andere Völker zu erweitern und daran teilhaben zu lassen. Doch es geht schleppend voran. Es ist im Interesse beider Seiten, ein Bündnis zu schließen und Ergebnisse zu erzielen. Das ist eine gute Sache. In der vor uns liegenden Phase werden alle Völker an den Gesprächen teilnehmen. Allerdings versuchten einige, diese Gespräche auszunutzen.

Einige von ihnen versuchten, den Eindruck zu erwecken, dass die Verwaltung zu 40 Prozent aus den einen Kurden1, 40 Prozent aus anderen Kurden und die restlichen 20 Prozent aus arabischen und anderen Völkern bestehen wird. Das ist nicht wahr. Es wurde also gesagt, dass die Kurden die Verwaltung unter sich aufteilen und die anderen Völker ausschließen. Jetzt, besonders bei diesen Gesprächen, sind Aussagen wie »die Kurden nehmen das ganze Öl für sich. Wo seid ihr, Araber, wacht auf« als Versuch zu werten, Zwietracht zwischen den Völkern zu säen.

Das Öl gehört nicht den KurdInnen, sondern der demokratischen autonomen Verwaltung und die Ölquellen werden von der Verwaltung betrieben. Darüber hinaus gehört die demokratische Selbstverwaltung nicht den KurdInnen, sie ist die gemeinsame Vertretung der AraberInnen, SyrerInnen, TurkmenInnen, KurdInnen etc. Daher werden die Öleinnahmen nicht nur für die KurdInnen, sondern für alle Menschen in der Region verwendet.

Doch wie oben erwähnt, wird durch die Türkei und den Geheimdienst des Regimes Antipropaganda betrieben. Damit wird versucht, ein aus allen Völkern bestehendes Bündnis zu verhindern.
Bisher gab es in keinem Bereich Ergebnisse bei den Dialogen in Syrien. Es ist das erste Mal, dass sich ein solcher Dialog auf syrischem Territorium entwickelt. Und in diesem Dialog werden die entgegengesetzten kurdischen Kräfte und die verschiedenen Völker zusammenfinden und zu einem Ergebnis kommen. Und das wird im Sinne aller syrischen Völker sein. Es wird ein ganz Syrien umfassendes Bündnis sein. Ob das Regime und die Türkei es wollen oder nicht, wir bestehen darauf, die Gespräche zu einem Ende zu bringen und ein Bündnis in ganz Syrien zu schließen.

Es ist uns bekannt, dass das Regime Antipropaganda betreibt, indem es sagt »Die Kurden wollen den ganzen syrischen Norden und Osten regieren und arabische und andere Völker dabei ausschließen« und als Gesprächspartner am liebsten Kurden hätte, statt die demokratische Selbstverwaltung. Was können Sie dazu sagen? Welchen Ansatz hatte das Regime in den Gesprächen?

Es stimmt, das Regime wollte die Gespräche immer »mit den Kurden« führen. Es befasst sich nicht mit der kurdischen Frage als ein großes Thema und der Tatsache, dass KurdInnen Rechte entsagt werden. Es gesteht KurdInnen das Recht zur Selbstverwaltung nicht zu. Nach dem Ansatz des Regimes sind die Rechte der KurdInnen auf ihre Sprachen beschränkt. Die Annäherung besteht darin, dass es die Sprache in einem Verfassungsartikel als Unterricht in Schulen anerkennen wird. Ansonsten gibt es keine Anerkennung von Rechten.

Es akzeptiert nicht einmal die Gründung einer kurdischen Partei. Es argumentiert, dass es nach syrischer Verfassung keine ethnischen oder religiösen Parteien geben darf. Doch die Baath-Partei basiert ausschließlich auf Ethnie. Aber sie bekommt nicht zu hören, dass sie nicht existieren darf, weil sie eine auf Ethnie basierende Partei ist. Doch genau das geschieht, wenn eine kurdische Partei gegründet werden soll.

Das syrische Regime erkennt keine regionalen Verwaltungen an. Bis heute ist der Name des Staates »Arabische Syrische Republik«. Das ist im Grunde die Leugnung anderer Völker. Alle Menschen, die nicht syrisch oder arabisch sind werden damit unterdrückt. Wenn du einen Staat als »islamisch« bezeichnest, dann schließt du damit ChristInnen und ÊzîdInnen aus. Bezeichnest du den Staat als »arabische« Republik, leugnest du damit andere Völker und Kulturen.

Sie sagen uns Dinge wie »Ihr habt in eurer Geschichte viele Qualen und Unterdrückung erlebt. Euer Anliegen ist legitim, wir werden das Problem lösen«. Doch Floskeln sind keine Lösungen. Im Gegenteil, sie sind der Ansatz einer anderen Form der Leugnung und Marginalisierung. Sie sind nicht offen gegenüber anderen Kulturen.

Beispielsweise sollen KurdInnen, die kein arabisch können, die Baath-Partei auf Kurdisch verstehen, ihre Hymne auf Kurdisch singen. Das ist der Ansatz. Genau wie die Türkei mit der Eröffnung des kurdischsprachigen Staatssenders TRT 6 KurdInnen die eigene Ideologie aufzwingen will und damit die eigentliche kurdische Presse zu liquidieren versuchte, geht auch das Regime die Sache an.
Und weiter heißt es »Ihr habt Unrecht erfahren, Euer Kampf ist gerecht«, dabei wird suggeriert, als hätten KurdInnen einzig in der Türkei Unrecht erfahren. Es sieht sich selbst nicht als Teil des Problems. Ohnehin sagte Assad in einem Interview, dass Türken Kurden unterdrückten und Kurden von außerhalb nach Syrien kamen. Das ist der eindeutige Ansatz des Regimes gegenüber KurdInnen.

Zum Schluss würde ich gerne noch sagen: Genauso wie das Regime keine Demokratisierung und die Einheit der Völker zulässt, zielt die Türkei mit ihren Besatzungsangriffen auf alle Völker Syriens. Das Ziel beschränkt sich nicht ausschließlich auf KurdInnen. Die Türkei möchte durch unterschiedliche Formen der Besatzung zu den Grenzen des Osmanischen Reiches zurückkehren, vom Irak bis nach Syrien, von Libyen bis nach Ägypten. Mit dieser Erkenntnis müssen die Völker Syriens, vor allem in unseren Gebieten, weiter zusammenrücken und sich stärken.


Fußnote:

1 - Bei plakativen Ausdrücken wie z. B. »die Kurden wollen das ganze Öl«, wurde auf Gendern verzichtet.


 Kurdistan Report 211 | September/Oktober 2020