Geschichten aus den Gründungsjahren der kurdischen Freiheitsbewegung

»Die PKK ist ein neues Leben«

ANF 27.11.2014

Zum 36. Gründungstag der PKK berichten Aktivisten der ersten Stunde, wie die ArbeiterInnenpartei Kurdistans gegründet wurde und wie sie sich bis heute entwickelt hat.

Wie ist die Gruppe der »Apocus« [MitstreiterInnen Abdullah Öcalans und AnhängerInnen seiner Ideen] entstanden? Mit welchen Schwierigkeiten waren sie in Kurdistan konfrontiert? Wie haben sie sich binnen kurzer Zeit zu einer wichtigen Kraft entwickelt? Was ist das Geheimnis des 36 Jahre anhaltenden Widerstands? Über diese Fragen haben wir mit Zeitzeugen aus der Entstehungszeit der PKK gesprochen.

nuce 26112014 162420 1417011860.38Cemal Şerik, Mitglied des Zentralkomitees der PKK | Die Apocu-Bewegung entstand aus dem Erbe der revolutionären Bewegungen der siebziger Jahre in der Türkei. In dieser Zeit gab es von vielen Kreisen Bemühungen, dieses Erbe nicht untergehen zu lassen. Es war schnell klar, dass die Apocu-Bewegung es wirklich ernst meinte. Deshalb zog sie viele Menschen an, die sich mit den revolutionären Bewegungen der siebziger Jahre verbunden fühlten. Ich selbst habe die Apocus in dieser Zeit in Ankara kennengelernt. Damals organisierten sich vor allem Studierende in der Gruppe. Aber die Apocus hatten es auch geschafft, in den Stadtteilen unter der »normalen« Bevölkerung einen gewissen Organisationsgrad zu erreichen. Dadurch kamen auch viele jüngere Leute zur Gruppe. Durch die Organisationsarbeit in den Stadtteilen kam die Gruppe auch an Schülerinnen und Schüler heran. In dieser Zeit waren alle Jugendlichen, die sich mit Deniz Gezmiş, Mahir Çayan oder İbrahim Kaypakkaya verbunden fühlten, an den Apocus interessiert.

Die Gruppe der Apocus unterschied sich von den anderen Gruppen tatsächlich dadurch, dass sie jeden Schritt wohlüberlegt und gut kalkuliert machte. Sie analysierten den Staat und die Gefahr, die von ihm für die Gruppe ausging. Sie legten großen Wert auf die Bildung ihrer Mitglieder. Das machte den großen Unterschied aus. Sie trafen sich häufig und diskutierten und lasen viel. Im Stadtteil Tuzluçayır in Ankara hatte der Freund Kemal Pir großen Eindruck hinterlassen. Haki (Karer) und Mazlum (Doğan) kamen ebenfalls immer wieder dorthin. Auch unser Gruppenführer Abdullah Öcalan (kurz: Apo) kam öfter und führte oftmals lange Diskussionen mit den FreundInnen. Durch diese ganze Arbeit waren die Apocus für viele junge RevolutionärInnen im Stadtteil, die aktiv werden wollten, die erste Adresse.

Mir war schon früh klar, dass ich ein Revolutionär werden wollte. Als ich dann von den Apocus erfuhr, nahm ich in ihren Reihen meinen Platz ein. Vor mir hatten sich bereits viele Leute, die ich aus unserem Stadtteil kannte, bei denen organisiert. Sie hatten die Gruppe 1975 an der Universität kennengelernt. Ich machte im Jahr 1976 mit ihnen Bekanntschaft. Da war ich fünfzehn Jahre alt. Wir organisierten mit einigen Jugendlichen, die auch etwa in meinem Alter waren, eine Bildungsgruppe. Die Schwerpunkte unserer Arbeit bestanden damals aus Bildung und Propagandatätigkeiten. Außerdem kam es von Zeit zu Zeit zu Auseinandersetzungen in der Schule mit Jugendlichen, die mit den FaschistInnen sympathisierten. Aber wie gesagt, wir konzentrierten uns auf Bildungsarbeit und versuchten, durch unsere Propagandaaktivitäten neue Mitglieder für unsere Gruppe zu gewinnen.

1977 kam es dann zu einer großangelegten Razzia in unserem Stadtteil. Viele Häuser wurden durchsucht, darunter auch das Haus, in dem unser Freund Mustafa Karasu untergebracht war. Die Operation wurde von den Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte durchgeführt.

Wir trafen uns zu jener Zeit stets auf einer Grünfläche etwas abseits der Wohnsiedlungen. Wir nannten sie »Zelle Nr. 8«. Es war natürlich keine Zelle, aber die Revolutionäre aus Ankara waren damals im Ulucanlar-Gefängnis in der Zelle Nr. 8 untergebracht, und so nannten wir unseren Platz auch so. Dort kamen wir zusammen und führten unsere Diskussionen und Gespräche. Auch als es zu jener Operation kam, waren wir dort. Jemand kam zu uns und berichtete, dass das Haus unseres Freundes Karasu gestürmt worden sei. Wir wussten, dass Apo eigentlich auch in dieses Haus gehen wollte. Doch er tauchte plötzlich bei uns auf. Er wollte erst mit uns sprechen und hatte noch nichts von der Operation mitbekommen. Wir erzählten ihm von der Situation und er schickte mich zu dem Haus, um zu schauen, wie die Situation vor Ort sei. Als ich dort ankam, glich das Haus einer Polizeistation. Für mich war es klüger, mich wieder von dort zu entfernen, und so kam ich zum Platz zurück und berichtete der Gruppe, was ich gesehen hatte. Das sind meine Erinnerungen aus den Anfangsjahren in der Apocu-Gruppe.

Yılmaz Dağlum, Mitglied des PKK-Wissenschafts- und Aufklärungskomitees | Ich war damals in der LehrerInnenausbildung in Dêrsim (Tunceli). Eigentlich waren wir eine Gruppe von elf oder zwölf angehenden LehrerInnen, allesamt auf einer Suche. Wir wollten aktiv am politischen Geschehen mitwirken, doch die linken türkischen und kurdischen politischen Gruppen machten uns irgendwie nicht glücklich. Wir lasen viel in unserer Gruppe. Sowohl die marxistischen KlassikerInnen als auch die Literatur von den und über die verschiedensten nationalen Befreiungsorganisationen gehörten zu unserer Lektüre. Gleichzeitig versuchten wir uns innerhalb unserer Gruppe kollektiv zu organisieren. Anfang 1976 habe ich dann über Ali Haydar Kaytan die Apocus kennengelernt.

An den anderen linken Gruppen störte uns, dass zwischen ihrer Theorie und ihrer Praxis Welten lagen. Innerhalb unserer kleinen Gruppe von Auszubildenden an der LehrerInnenschule hatten wir beispielsweise unsere eigene Kommune aufgebaut. Wenn jemand aus unserer Gruppe Geld von der Familie zugeschickt bekam, so landete es bei unserem Kassenverantwortlichen, der die notwendigen Besorgungen für die gesamte Gruppe organisierte. Wir suchten nach einer politischen Gruppe, die nicht nur von einem kollektiven Leben philosophierte, sondern es – ähnlich, wie wir es taten – vorlebte. Doch wir fanden das bei keiner.

Außerdem waren wir auf der Suche nach einer Gruppe, die für ein gleichberechtigtes und freies Leben der kurdischen und der türkischen Bevölkerung plädierte. Wir lasen Lenin und seine Aussagen zur herrschenden und zur unterdrückten Nation. Auch die Rolle der Verantwortung, die Lenin für die RevolutionärInnen aus der herrschenden Nation vorgesehen hatte, fand unseren Zuspruch. Denn Lenin hatte gesagt, dass diese RevolutionärInnen zunächst die Aufgabe hätten, die unterdrückte Nation in ihrem Kampf um Selbstbestimmung zu unterstützen. Doch innerhalb der türkischen Linken trafen wir auf keine einzige Gruppe, die diese Ansicht im Hinblick auf die KurdInnen teilte.

Unsere Suche führte uns schließlich zu den Apocus. Denn sie forderten damals schon ein gleichberechtigtes und freies Leben für den Mittleren Osten, das die Pluralität nicht verneint, sondern als Reichtum betrachtet.

Die kurdische Bevölkerung merkte schnell, dass die Apocus anders waren als die anderen kurdischen Gruppen in der Region. Damals gab es dort noch den DDKD (Revolutionär-Demokratischer Verein Kurdistans) und den Özgürlük Yolu (Pfad der Freiheit). Doch die wurden von der Bevölkerung schlicht als »talebe« (türk. für SchülerInnen) bezeichnet. Der Begriff wurde auf diejenigen Gruppen oder Menschen angewandt, die viel reden und versprechen, aber wenig davon in die Tat umsetzen. Die Menschen merkten, dass die Apocus nicht zu den »talebe« gehörten. Denn diese Gruppe setzte das in die Praxis um, was sie versprach. Viele sagten sogar, dass die Apocus zuerst etwas tun und erst danach davon sprechen würden und nicht umgekehrt.

Ich möchte dazu ein Beispiel aus meinen Anfangszeiten in der Gruppe geben. Alle beschwerten sich damals im Ort über die Willkür der Gendarmarie und der Polizei. Einmal waren drei mittlerweile gefallene Freunde und ich Zeugen, wie zwei Polizisten auf zwei Dorfbewohner einschlugen, weil diese anscheinend illegal Tabak verkauften. Die Dorfbewohner wurden verprügelt, ihr Tabak verbrannt und sie bekamen noch eine Geldstrafe dazu. Wir hielten die Situation nicht aus und griffen die Polizisten an und verprügelten sie. Das sorgte für Aufruhr im Ort. Gendarmarie und Polizei machten sich auf die Suche nach uns. Sie forderten die Bevölkerung auf, uns an die Sicherheitskräfte auszuliefern. Die tat das aber nicht. Wir hatten zwar in dem Moment emotional gehandelt, aber überall wurde nun von den Apocus gesprochen und dass sie sich die Polizeiwillkür im Ort einfach nicht mehr gefallen lassen würden. Wir waren eine junge Gruppe und bezogen unsere Kraft auch nicht aus der Macht eines Clans oder einer Großfamilie in der Region. Wir waren einfach eine Gruppe Jugendlicher, die dasselbe dachten und dafür eintraten. Und das reichte aus, dass der Ruf der Apocus sich überall schnell verbreitete.

Die Anführer der reformistischen kurdischen Gruppen waren oft Kinder von Großgrundbesitzern oder religiösen Oberhäuptern. Wir hingegen waren die Kinder armer Familien, und deshalb wurden uns komisch klingende Spitznamen gegeben. Sie nannten uns beispielsweise »die mit den nackten Beinen«. Wir nahmen diesen Spitznamen gern an und erklärten, dass gerade diejenigen mit den nackten Beinen die Revolution am nötigsten hätten und deshalb auch vor nichts zurückschreckten. »Diejenigen, die englische Leinenhosen tragen, brauchen keine Revolution, sie stehen auf der Seite der Konterrevolution«, pflegten wir oft zu sagen. Als revolutionäre Gruppe der Apocus entstand auf diesem Wege ein Mythos um uns herum. Wir lebten inmitten der Bevölkerung und bezogen aus ihr unsere Kraft.

Im zweiten Teil berichten Revolutionäre, die sich der PKK bereits in den Gründungsjahren angeschlossen hatten, von den Schwierigkeiten, mit denen sie zu Beginn des bewaffneten Kampfes zwischen 1984 und 1990 konfrontiert waren.
Rauf Karakoçan | Ich bin ursprünglich aus Eleziz (Elazığ)/Dep (Karakoçan). Der PKK habe ich mich Ende 1984 angeschlossen. Mit dem Militärputsch 1980 nahm bei uns in der Region die Repression gegen die Bevölkerung stark zu. Mein Anschluss an die PKK war eine Reaktion darauf. Ich kann nicht behaupten, dass ich zu dem Zeitpunkt politisch-ideologisch gebildet war. Meinen Entschluss, zur PKK zu gehen, fasste ich eher aufgrund meiner damaligen Emotionen.

Damals hatte es auch bereits vor der PKK verschiedenste kurdische und türkische revolutionäre Organisationen gegeben, die in Dep arbeiteten. Aber deren Parolen stellten mich nicht ganz zufrieden. Die PKK hatte die schärfste und klarste Haltung zur kurdischen Frage. Auch war sie eine durch und durch revolutionäre Organisation. Ich hatte damals ohnehin nicht die Hoffnung, dass sich die kurdische Frage auf reformistischem Wege lösen lassen würde.
Zwischen 1977 und 1978 lernten wir die PKK kennen. Die FreundInnen der PKK kamen immer wieder zu unserem Dorf und zu anderen Dörfern der Umgebung. Es war ihr Umgang untereinander und ihr Umgang mit den DorfbewohnerInnen, die Eindruck auf uns machten. Auch ihre Art zu leben und die Ziele, die sie propagierten, standen in keinem Widerspruch zueinander. Das zog uns Jugendliche aus den Dörfern zur PKK. Es war diese Art des kollektiven Lebens der PKK-Kader, durch die wir uns mit dieser Partei verbunden fühlten.

Als wir uns dieser revolutionären Bewegung anschlossen, wollten wir diese Persönlichkeit der PKKlerInnen auch in unserer eigenen Person verwirklichen. Wir wollten stets gut arbeiten, die hehrsten Ziele erreichen und waren bereit, uns dafür aufzuopfern. Zugleich waren wir mitten in einem harten Krieg. Für uns war klar, dass wir jederzeit sterben könnten. Ein paar Monate unter diesen Bedingungen zu überleben, kam uns wie ein Wunder vor.

Doch die PKK hat auch diese Zeiten gut überstanden und sich bis heute stetig weiterentwickelt. Der Hauptgrund dafür, dass dies erreicht wurde, war und ist, dass diese Bewegung sich immer allein auf ihre eigene Kraft und ihr eigenes Potential verlassen hat. Die Unterstützung der Bevölkerung und ihre Eigendynamik haben sie zum heutigen Punkt gebracht. Von Anfang an sah es so aus, dass die PKK stets das Unmögliche gefordert hat. Aber sie hat sich stets entsprechend diesen Zielen organisiert und war fest davon überzeugt, auch das Unmögliche zu erreichen. Zudem hat sie ihre Praxis und Ausrichtung stets kritisch reflektiert und sich so ideologisch weiterentwickelt.

Nedim Seven | Ich habe mich 1990 der PKK angeschlossen. Zu meiner Schulzeit in den achtziger Jahren wurde breit über Revolution und Sozialismus diskutiert. In Colemêrg (Hakkâri), wo ich aufwuchs, waren zudem reformistische kurdische Kräfte wie der DDKD oder die Barzanî-SympathisantInnen präsent. Für mich wurde in diesen Jahren klar, dass der Kampf um die Befreiung der KurdInnen und der Kampf für den Sozialismus gemeinsam geführt werden müssen. Mir war aber damals auch klar, dass dieser Kampf bewaffnet geführt werden muss. An der Çukurova-Universität bildete sich dann in unserem Freundeskreis eine Gruppe, die zu der Erkenntnis kam, dass wir keinen revolutionären Kampf gegen das System führen können, wenn wir uns nicht gleichzeitig von diesem System lösen. So fassten wir den Entschluss, uns der PKK anzuschließen.

Als wir uns anschlossen, hatten wir zunächst keine Waffen. So ging es uns erstmal darum, unser Überleben zu sichern. Erst nach vierzig Tagen bekamen wir dann auch Waffen. FreundInnen, die sich mit uns der PKK angeschlossen hatten, wurden vom Militär getötet, noch bevor sie selbst eine Waffe in der Hand gehabt hatten. Das machte mich natürlich sehr traurig. Wir begriffen aber auch schnell, dass der Tod unserer FreundInnen und vielleicht auch unser eigener Tod eine Realität dieses Kampfes waren. Ich verbrachte nach meinem Anschluss an die PKK sechzehn Jahre ununterbrochen in den Bergen.

Dort machten wir oftmals auch schwere Zeiten durch. Das Jahr 1992 verbrachte ich beispielsweise während des [Süd-]Krieges im Zap-Gebirge an der Front. Der türkische Staat hatte sich die PDK (Demokratische Partei Kurdistans) und die YNK (Patriotische Union Kurdistans) zur Unterstützung geholt und bekämpfte uns auf diesem Wege mit allen Mitteln. Wir hatten zu wenige Waffen. Allein in unserer Gruppe waren achtzig FreundInnen unbewaffnet. Wir agierten damals oft nicht strategisch genug. Oftmals improvisierten wir, und unsere Taktiken waren sehr oberflächlich. In unserer Gruppe kamen damals sechzehn FreundInnen ums Leben.

Trotz aller Schwierigkeiten gaben uns das gemeinsame Leben und das solidarische Miteinander unter den Genossinnen und Genossen große Kraft. Mitten in der Kriegssituation versuchten wir, das gleichberechtigte und freie Leben zwischen Frauen und Männern in den Bergen zu organisieren. Das war unter den damaligen Umständen auch ein sehr harter Kampf. Doch heute sehen wir bereits die Früchte dieses Kampfes, der damals aufgenommen wurde.

Wir versuchten uns stets in unserer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die PKK und das Leben in den Bergen waren unsere Inspirationsquellen dafür. Wir hatten uns dieser Bewegung jung angeschlossen und lernten, in ihr auch jung zu bleiben. Unser Vorsitzender Apo machte uns immer wieder deutlich, dass wir jung bleiben müssten, um in diesem Kampf erfolgreich zu sein.

Und durch unseren Kampf boten sich uns auch große Möglichkeiten. Ich bin davon überzeugt, dass wir sowohl im Jahr 1992 als auch im Jahr 1997 die Gelegenheit zur Revolution hatten, sie aber nicht richtig nutzten.

Zum einen hat das damit zu tun, dass wir zu jenen Zeitpunkten unsere Praxis nicht weiterentwickelt hatten, sondern uns lediglich wiederholten. Es kam also zu keinem entscheidenden qualitativen Sprung nach vorn. Wir diskutierten damals über die Einrichtung einer Kriegsregierung in der Region Behdînan. Wir sprachen über freie Zonen. Aber es gelang uns letztlich nicht, dieses Ziel zu erreichen.

Zum anderen setzte unser Gegner, die Türkei, damals alles in Bewegung, um nicht zu verlieren. Wir haben in jenen Jahren nicht nur gegen die Türkei gekämpft, sondern gegen die NATO und ihre Gladio-Organisation.

Munzur Dersim | Die PKK lernte ich von klein auf durch meine Familie kennen. Der erste bewaffnete Vorstoß der PKK 1984 hinterließ bei uns großen Eindruck, und so hatten wir große Sympathien für die Bewegung. Wir waren eine Familie aus Dêrsim, die unter dem Dêrsim-Massaker gelitten hatte. So machte es uns stolz, dass die PKK gegen die Täter dieses Massakers die Stirn erhoben hatte. Die Sympathie in den achtziger Jahren führte letztlich in den Neunzigern dazu, dass ich mich der PKK anschloss.

Vorher hatte ich ein eher individualistisch geprägtes Leben geführt. Das wandelte sich nach meiner Entscheidung aber drastisch. Als PKKlerIn hat mensch ein Ziel vor Augen, teilt es mit den GenossInnen. Das Ziel der Freiheit wird verfolgt, und diese Geisteshaltung führt dazu, dass sich die Persönlichkeit der Einzelnen verändert. Ich versuchte, durch diese Veränderung zu einem Revolutionär heranzureifen. Revolutionär zu sein bedeutete für mich, alles mit meinen GenossInnen zu teilen, selbst unter schwersten Bedingungen alles zu geben und ein kollektives und gleichberechtigtes Leben mit meinen GenossInnen, aber auch in der Gesellschaft anzustreben.

Ich denke, dass die PKK den Sozialismus in ihren Strukturen verwirklicht. Von Anfang an waren das Teilen und das kollektive Leben Grundbestandteile des Lebens in der PKK. Natürlich muss jeder Mensch, der sich der PKK anschließt, auch zunächst einmal in seiner Persönlichkeit heranreifen und dieses kollektive Leben annehmen. Diese persönliche Entwicklung ist für viele oftmals schwieriger als der Kampf in den Bergen.

Şernas Şanster | Ich stamme aus dem Gebiet Botan und habe mich 1992 der PKK angeschlossen. Damals tobte in der Region ein harter Krieg, was dort bei so gut wie allen Menschen tiefe Spuren hinterließ. Als Jugendlicher war ich eigentlich weder an Politik noch am bewaffneten Kampf besonders interessiert. Ich wusste lediglich, dass die PKK eine kurdische Partei war und für die KurdInnen kämpfte. Aber der schmutzige Krieg des türkischen Staates, die Verleugnung der KurdInnen, die täglichen Repressionen der »Dorfschützer« gegen die Menschen und die Tatsache, dass das Militär sogar die Leichen der PKKlerInnen schändete, ließ niemanden aus meiner Generation kalt. Mich führte diese Realität letztlich dazu, dass ich beschloss, auch Teil der PKK sein zu wollen.

Die Bewegung bestand damals eigentlich, wie heute auch, vor allem aus Jugendlichen. Dadurch herrschte eine große jugendliche Energie in der Guerilla. Es galt, diese Energie in richtiger Weise in den Freiheitskampf zu kanalisieren. Zudem strahlten die älteren FreundInnen in unseren Reihen einen starken Glauben an die Sache aus. Wir profitierten von ihren Erfahrungen. Jede und jeder in unseren Reihen arbeitete daran, das eigene Fehlverhalten zu verbessern und auch die GenossInnen auf ihre Unzulänglichkeiten aufmerksam zu machen. So entwickelte sich ein Gefühl, dass wir zusammengehörten und ein Kollektiv waren.

Auch wenn der Krieg damals wirklich hart war, gab unsere kollektive Lebensweise uns große Kraft. So gab es in jeder Gruppe eine Aufgabenteilung. Alle versuchten nicht nur, ihrer Verantwortung für die Gruppe gerecht zu werden, sondern kümmerten sich gleichzeitig auch darum, ihren Genossinnen und Genossen bei ihren Aufgaben zu helfen. Ich kann sagen, dass sich selbst in der Kriegssituation viele FreundInnen für die härtesten Aufgaben selbst vorschlugen. Auf diese Weise wurden selbst die größten Schwierigkeiten und Herausforderungen für uns zu keiner großen Last.

Es ist schwer, diese Bewegung in ein oder zwei Sätzen zu erklären. Aber wenn Ihr auf einem Satz besteht, würde ich sagen: Die PKK ist ein neues Leben.