Die Ökologiebewegung Mesopotamiens formiert sich neu

Wandel des ökologischen Bewusstseins stärken!

Ercan Ayboğa, Initiative zur Rettung von Hasankeyf, August 2015

Die 2011 entstandene »Ökologiebewegung Mesopotamiens« befindet sich seit Anfang 2015 in einem wichtigen Umstrukturierungsprozess. Mit einer neuen Struktur und einem höheren politischen Anspruch engagieren sich immer mehr Menschen für eine ökologischere Gesellschaft, wodurch eine neue Dynamik freigesetzt wird, die sich kurz- und langfristig positiv auf Nordkurdistan auswirken wird.


Ökologiebewegung Mesopotamiens (Mezopotamya Ekoloji Hareket MEH)Beginn der Bewegung und erste Struktur

Anfang 2011 begann auf dem Ökologieforum (organisiert durch das Mesopotamische Sozialforum MSF) in Amed (Diyarbakır) die Diskussion darüber, wie die Initiativen, Vereine und weiteren sozialen Bewegungen aus Nordkurdistan, die gegen ökologisch-soziale Zerstörungen durch neoliberale Investitionsprojekte arbeiteten, eine gemeinsame Struktur bzw. Bewegung bilden können. In den Jahren zuvor waren in einigen Provinzen Nordkurdistans mehrere Initiativen und Vereine entstanden, die sich gegen zerstörerische Talsperren, Ausleitungs-(Wasser-)Kraftwerke, Bergbauprojekte, Kohlekraftwerke, Zementabbau usw. zu engagieren begannen. Bekannt waren zu diesem Zeitpunkt vor allem die seit 1999 andauernden Kampagnen und Proteste gegen den Ilısu-Staudamm und die Talsperren in Dersim (Tunceli), aber auch neue Proteste wie die gegen den gigantischen Zementabbau in Bazarcix/Gurgum (Pazarcık/Maraş), den Betrieb eines gesundheitsschädlichen Kohlekraftwerks in Silopi/Şirnex (Silopi/Şırnak) oder unsoziale Urbanisierungsentwicklungen gelangten an die regionale Öffentlichkeit. Neben diesen sozialen Bewegungen in Form von Initiativen gab es einige klassische Umweltvereine in Städten wie Êlih (Batman), Qoser (Kızıltepe), Wan (Van) und Amed, die gegen verschiedene problematische Zustände und Entwicklungen Aufklärungsarbeit leisteten und Aktivitäten durchführten – wenn auch auf niedrigem Niveau.

Es dauerte allerdings bis zum 2. Mesopotamischen Sozialforum in Amed im September 2011, um endlich eine funktionierende Struktur anzugehen. Dies lag u. a. daran, dass die meisten Initiativen und Vereine in Nordkurdistan zumeist schwache Strukturen und geringe Kapazitäten hatten, die ökologische Sichtweise in der Gesellschaft kaum ausgeprägt war und bis dato keine Erfahrungen mit dem Zusammenbringen von sozialen Bewegungen und Vereinen/NGOs bestanden.

In den anschließenden ein bis zwei Jahren wurde eine Struktur aufgebaut, die zunächst eher als Netzwerk denn als Bewegung zu bezeichnen war. Tragend waren für diese auf einem unteren Niveau funktionierende Koordination eine Handvoll AktivistInnen aus Amed. Insgesamt elf Initiativen und Vereine trafen sich regelmäßig – wenn auch nicht oft –, um sich abzustimmen und gemeinsame Aktivitäten, Kampagnen und Stellungnahmen vorzubereiten. Die hundertprozentig auf Ehrenamtlichkeit basierende Struktur konnte von Zeit zu Zeit mit einigen Themen die regionale Öffentlichkeit erreichen. Die türkeiweiten Mainstream-Medien nahmen die Ökologiebewegung Mesopotamiens (Mezopotamya Ekoloji Hareket MEH) erwartungsgemäß nicht wahr, nur einige linke Medien berichteten in wenigen Fällen von Aktivitäten.1 Insgesamt fanden wenige gemeinsame Aktionen statt, gemeinsame Stellungnahmen wurden viel mehr verbreitet. Die wenigen Aktionen bezogen sich auf den Ilısu-Staudamm, die Probebohrungen für geplantes Fracking und die abzulehnenden Bauprojekte in Amed. Die MEH reagierte in fast allen Fällen auf neue Zerstörungen oder die Ansage bzw. den Beginn eines Investitionsprojektes. Ab 2013 konnte die MEH ihre Aktivitäten etwas intensivieren, was durch die Aussetzung des Krieges in Nordkurdistan mit einem de facto beidseitigen Waffenstillstand begünstigt wurde. So wurden Informationen zu diversen zerstörerischen oder ausbeuterischen Investitionsprojekten gesammelt und untereinander ausgetauscht, Artikel verfasst, gegen neue Formen von Investitionsprojekten (wie Fracking, Forstwirtschaft, Talsperren aus rein militärischen Gründen) Aktionen durchgeführt und die Themenpalette wurde erweitert (z. B. zu Saatgut in der Landwirtschaft, Wäldern, Gentrifizierung).

Die Jahre zwischen 2011 und 2014 waren in den einzelnen Provinzen davon geprägt, dass entweder mehrere Gruppen (Initiativen und Vereine) und AktivistInnen meistens parallel und selten zusammen oder eine Gruppe bzw. AktivistInnen vereinzelt arbeiteten. Im ersteren Fall waren die schwachen Kräfte zersplittert und nicht selten arbeiteten zwei bis drei Gruppen am selben Thema (beste Beispiele: Dersim und Êlih) unabhängig voneinander. Im zweiten Fall schafften es die wenigen AktivistInnen selten, breitere Teile der Gesellschaft für ein Thema zu mobilisieren, und sie blieben marginal. Die politischen Strukturen in den Provinzen, die auch unter dem Kongress für eine Demokratische Gesellschaft (DTK) organisiert waren, hatten auf lokaler Ebene noch vor etwa zehn, fünfzehn Jahren oft fast kein Bewusstsein für den Erhalt der Natur, die trotz ihrer Lobpreisung auch als auszubeutendes Element gesehen wurde, was Arbeitsplätze schafft. Da half auch der theoretische Ansatz der kurdischen Freiheitsbewegung kaum. Je größer eine Stadt war, desto mehr gab es jedoch Menschen, die jede Investition und Lebensweise kritisch betrachteten.

Außer diesen Beispielen für die Grenzen der Aktivitäten gab es auch einige wenige Provinzen oder Bezirke, wo es trotz ökologischer Zerstörung keinen Protest gab. Dabei handelte es sich in der Regel um besonders konservative, ländliche und/oder wirtschaftlich schwache Gebiete.

Die MEH wurde nach ihrem Aufbau ab 2012 im Demokratischen Gesellschaftsrat (DTK-KCD) – dem Überbau aller politischen Strukturen der Freiheitsbewegung in Nordkurdi­stan – mit Delegierten repräsentiert. Aufgrund der Neuinitiierung und schwachen Ausprägung war sie im Vergleich zu den anderen Bewegungen (Frauen, Jugend, Sprache etc.) in einem viel geringeren Maße vertreten. Über die Zahl hinaus waren Themen mit einem deutlich ökologischen Bezug in diesen Jahren selten ein Thema in der Generalversammlung des DTK, obwohl das Paradigma der kurdischen Freiheitsbewegung eine »demokratische, geschlechterbefreite und ökologische Gesellschaft« vorsieht. Die Einrichtung einer Ökologiekommission innerhalb des DTK im Jahre 2013 änderte daran auch nicht viel. Die größte Ursache ist vor allem in der MEH selbst zu sehen, die es nicht wirklich verstand, zerstörerisch-ausbeuterische Investitionsprojekte für andere politische AktivistInnen und breite Teile der Bevölkerung verständlich in Beziehung zur Sozialstruktur, Politik, Kultur und Wirtschaft von Kurdistan zu setzen. In der kurdischen Freiheitsbewegung wurde nicht energisch für die eigenen Ziele gekämpft und geeignete Mittel wurden nicht gefunden. Nichtsdestotrotz hat die MEH – genauer gesagt: die geführten Kämpfe und Diskussionen – in diesen Jahren zu einem nicht unbedeutenden Wandel des ökologischen Bewusstseins beigetragen.

Neustrukturierung der Ökologiebewegung

Trotz eines breiteren Ansatzes und einer Vertiefung der Diskussionen in den Jahren 2013 und 2014 in der Ökologiebewegung Mesopotamiens selbst und der Öffentlichkeit Nordkurdistans und des gestiegenen ökologischen Bewusstseins konnte die politische Praxis der Initiativen, Vereine und der MEH dem nicht gerecht werden. Um aus dem stets wahrnehmbaren Dilemma herauszukommen, wurde ab Herbst 2014 eine neue umfangreiche Diskussion begonnen. Diese hatte zum Ziel, die MEH gesellschaftlich breiter aufzustellen und einen höheren politischen Wirkungsgrad zu erzielen.
Diese Diskussion beinhaltete auch die Ziele der MEH, die neu behandelt, aktualisiert und konkretisiert werden sollten. Die formulierten Ziele forderten zunächst generell eine »ökologischere Gesellschaft«, welche die Rechte der Natur respektiert und die kapitalistische Verwertungslogik ablehnt. Eine detailliertere Beschreibung war fehl am Platz. Das wurde in der letzten Diskussion teilweise nachgeholt. So sollte die materielle und Dienstleistungsproduktion am grundsätzlichen Bedarf ausgerichtet werden, dementsprechend der Konsum geregelt, die Wachstumsforderung offener hinterfragt, einer ökologisch-nichtindustriellen Landwirtschaft größerer Wert beigemessen und anerkannt werden, dass prinzipiell der Verbrauch von Energie und Materie erheblich reduziert werden müsse. Die antikapitalistische Betonung wurde verstärkt. Um diese Ziele zu verfolgen, wird die türkische Regierung zweifellos weiterhin gefordert, aber auch die Kommunalverwaltungen werden mehr denn je in die Verantwortung genommen. Letzteres ist sogar wichtiger, um Alternativen auf lokaler Ebene umzusetzen. Deshalb möchte die MEH die ihr nahestehenden Kommunalverwaltungen, insbesondere die von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) regierten, einerseits dazu bringen, mit ihr gemeinsam gegen destruktiv-ausbeuterische Investitionsprojekte vorzugehen. Denn in der Vergangenheit waren HDP-Kommunalverwaltungen in nicht wenigen Fällen zu unkritisch und unterstützten einige Projekte der Zentralregierung, weil sie einfach kritiklos annahmen, dass Investitionen Arbeitsplätze schaffen. Andererseits ging es darum, in den Orten alternative Projekte umzusetzen, wozu es in manchen Fällen der Kommunalverwaltungen bedarf.Waldbrände in Nordkurdistan

Das Ergebnis der mehrmonatigen Diskussion führte zu einer deutlichen Neustrukturierung der Ökologiebewegung. Im Januar 2015 wurde unter Einbeziehung aller Initiativen und Vereine der MEH und weiterer Neuinteressierter endlich konkret etwas ausgearbeitet, das sogleich umgesetzt werden sollte. Im Zentrum stehen demnach die Ökologieräte (Meclîsa Ekolojî), die in jeder Provinz sehr breit aufgestellt werden sollen. In ihnen sollen alle bisherigen und neuen Initiativen und Vereine, EinzelaktivistInnen, aber auch Berufsorganisationen, Kommunalverwaltungen und die Volksräte des DTK in den Stadtteilen der Städte und den ländlichen Gebieten mitmachen. Mit dieser Vertretung ist beabsichtigt, möglichst jede gesellschaftliche Dynamik einzubinden und etwas aufzubauen, was kurz- und mittelfristig die Gesellschaft ökologischer – und damit auch sozial gerechter und demokratischer – gestalten soll.

Die Ökologieräte der Provinzen sollen, wenn sie weitgehend in den Provinzen Nordkurdistans etabliert sind, in insgesamt fünf Regionen zusammenkommen. Das sind Botan, Serhat, Amed, Dersim, Euphrat. Schließlich soll die MEH auf Nordkurdistan-Ebene mit Delegierten organisiert werden. Diese Struktur ist derjenigen des DTK angepasst. Die meisten Kommissionen bzw. Bestandteile sind auf diesen drei Ebenen organisiert. Mit dieser neuen Struktur soll die MEH viel stärker als sonst im DTK vertreten werden. Außerdem wird jeder provinzielle Ökologierat ein bis zwei Delegierte in die Ökologiekommission des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK) entsenden. Der HDK ist der türkeiweite Überbau der direktdemokratischen Strukturen, damit auch der HDP.

Die Neustrukturierung der MEH begann konkret am 28. Februar 2015 mit der Gründung des Ökologierates der Provinz Amed. Auf diesem Plenum, zu dem alle interessierten Menschen und Gruppen in der Provinz Amed eingeladen waren, diskutierten die TeilnehmerInnen die Ziele und bildeten anschließend eine Koordination, in der jeder interessierte Mensch aktiv sein kann. Niemand wird hineingewählt, nur bei Einspruch einer Mehrheit ist ein Mitmachen verwehrt. So kamen insgesamt 29 Personen in die Koordination des Ökologierates von Amed, die auf ihrer ersten Sitzung zwei KosprecherInnen für die Dauer von drei Monaten wählte. Dann fand nämlich das nächste Plenum statt, auf dem die Koordination auf 40 Personen erweitert wurde. Die Koordination ist das Element, das den Ökologierat in einer Provinz am Leben erhält. Er trifft sich nach Bedarf und bildet Kommissionen nach Bedarf. Der Ökologierat von Amed hatte und hat eine Vorbildfunktion für den Aufbau der Ökologieräte in den anderen Provinzen.
Bis heute sind nach mehrmonatigen Bemühungen in vier Provinzen Ökologieräte aufgebaut worden: Amed, Dersim, Êlih und Wan. In mehr als zehn Provinzen bereiten Freiwilligenkommissionen jeweils den Aufbau eines Ökologierates vor. In Amed entstand nach mehreren Monaten politischer Arbeit das Bedürfnis nach Ökologieräten auch in den einzelnen Bezirken der Provinz. Diese könnten die Probleme und Alternativen in ihren Bezirken besser thematisieren. Denn der Ökologierat von Amed ist sehr auf die Provinzhauptstadt und einzelne Großprojekte in der Provinz konzentriert, und es hat sich als schwierig herausgestellt, dass Personen aus den Bezirksstädten regelmäßig an den Versammlungen der Koordination teilnehmen können.
Die vier ins Leben gerufenen Ökologieräte und die Vorbereitungskommissionen in den anderen Provinzen Nordkurdistans haben schon eine Koordination gebildet und treffen sich regelmäßig. Hier werden Probleme aus den diversen Provinzen gemeinsam diskutiert und auch Vorschläge für Perspektiven herausgearbeitet.

Herausforderungen der neuen Ökologiebewegung

Mit der neuen Struktur der MEH gibt es eine Reihe von zu bewältigenden Herausforderungen. Einige waren vorhersehbar, anderer waren die AktivistInnen sich kaum bewusst. Doch ist auch der Weg eröffnet worden, mit dieser weltweit einzigartigen Struktur eine neue Dynamik entfalten zu lassen und eine starke ökologische Bewegung in Nordkurdistan aufzubauen.

Die anvisierte Einbindung von Kommunalverwaltungen in die Ökologieräte der Provinzen ist die erste große Herausforderung, da bis 2015 die MEH nur aus Initiativen und Vereinen – sprich sozialen Bewegungen – bestand und nun Kreise mit dabei sein sollen, die auf kommunaler Ebene regieren. Zwar sind ihnen durch Gesetze und Sachzwänge der Zentralregierung enge Grenzen gesetzt, doch haben sie eine gewisse Verantwortung in ihrem Handeln und gewissen Spielraum auf kommunaler Ebene. Bedenken wir, dass sich in den vergangenen Jahren in einigen Fällen die Kritik der MEH-AktivistInnen auch gegen die Kommunalverwaltungen gerichtet hatte. Während die VertreterInnen der Kommunalverwaltungen selten von höheren Ansprüchen geleitet sind, ist dies bei den anderen AkteurInnen in der MEH deutlich eher der Fall.

International gesehen gibt es weltweit viele soziale Bewegungen und zivile Netzwerke, die gegen destruktiv-ausbeuterische Investitionsprojekte ankämpfen. Doch sind den AktivistInnen in Kurdistan keine Strukturen bekannt, die den ihren ähneln. Entweder führen weltweit einzelne – evtl. große – soziale Bewegungen oder staatsweite Netzwerke bzw. Bündnisse Kampagnen gegen einzelne/mehrere Investitionsprojekte oder gegen ein bestimmtes Gesetz oder mehrere. Manche der sozialen Bewegungen gehen manchmal Bündnisse mit einzelnen Kommunalverwaltungen ein, die von den kritisierten Projekten betroffen sind. Aber ein systematisches Einbinden von Kommunalverwaltungen in soziale Bewegungen ist nicht der Normalfall. Ebenso bestehen selten Strukturen wie die Ökologieräte in Nordkurdistan, in denen alle ÖkoaktivistInnen aus einer gewissen Region zusammenarbeiten. Weil Nordkurdistan einen gesonderten Weg geht, gibt es keine Erfahrungen, auf welche die MEH zurückgreifen kann.

Wenn sie sich tatsächlich in allen Provinzen organisiert und eine große Anzahl von Menschen aktiv wird, stellt sich die Frage nach der Organisierung und Entscheidungsfindung. Ob dann die mittlere Ebene der MEH-Struktur eine Lösung werden kann, muss gesehen werden. Es mag andere Wege geben. Wichtiger wäre es, in den einzelnen Bezirken Räte zu schaffen, um so Menschen in den ländlichen Gebieten und kleinen Orten in die Aktivitäten einzubinden.

Für eine Reihe von Gruppen, die zu ökologischen Themen arbeiten und in der MEH mitmachen, stellt sich die Frage nach ihrem eigenen Wiedererkennungswert, d. h. ob und wie sie selbst als Gruppe weiter agieren. Der Ökologierat von Amed bzw. die MEH fordert natürlich keine Gruppe auf, die spezifischen Aktivitäten nur noch im Namen der MEH zu führen. Doch hat die Gründung der Ökologieräte dazu geführt, dass sehr viele Proteste und Kampagnen im Namen des jeweiligen Ökologierates der MEH organisiert werden. Vor allem diejenigen Einzelpersonen, die mit der Gründung der Ökologieräte aktiv wurden, denken nicht an die eigene Gruppe, weil sie zuvor einfach keine hatten. Bei den organisierten Gruppen hat es teilweise dazu geführt, dass weniger eigene Aktivitäten stattfinden. Aber es gibt auch Gruppen, die ihre eigenen Aktivitäten durchführen; teilweise zusammen mit dem Namen der MEH. Letzteres ist insbesondere in Amed und Êlih der Fall. Die meisten Gruppen diskutieren diesen Aspekt nach wie vor und weitere Monate der Praxis können erst zu mehr Ergebnissen führen.

Die Stärken der MEH sind vielfältig. Die in den Provinzen gebildeten Koordinationen der Ökologieräte sind breit gefächert und offen für alle ökologisch engagierten Menschen, weshalb sie viele einbinden konnten. Die zweite Stärke sind die im Konsens getroffenen Entscheidungen. Dass manchmal viele lange Diskussionen stattfinden, ändert nichts an der bisher gut funktionierenden Weise. In der kurdischen Freiheitsbewegung ist die Konsensentscheidung relativ neu und in der MEH gab es sie so bisher nicht; zurzeit sammelt die politische Selbstorganisierung der ÖkoaktivistInnen damit besondere und richtungweisende Erfahrungen. Der ebenfalls schnelle Wechsel der KosprecherInnen in jedem Ökologierat führt teilweise dazu, dass die politische Arbeit nicht auf wenigen Schultern lastet und relativ viele AktivistInnen Verantwortung übernehmen.

Ein weiterer wichtiger Anspruch der MEH ist die Anbindung an die existierenden Volksräte – des DTK-Systems – in den verschiedenen Stadtteilen und kleinen Orten. Diese werden eingeladen mitzumachen, indes bisher die meisten Versammlungen der Koordinationen in den Zentren der Volksräte auf Stadtteilebene stattfanden. So wird eine größere Sensibilität der AktivistInnen für die Probleme der Stadtteile aus ökologischer Sicht geschaffen; genauso können die AktivistInnen der Stadtteilräte mit dem Terminus Ökologie und dem daraus folgenden Anspruch etwas anfangen.
Schließlich ist überaus wichtig, dass die Gesellschaft Nordkurdistans die MEH mit der Gründung der Ökologieräte seriöser nimmt und die MEH ihre Themen und Forderungen über den DTK besser in die bestehenden politischen Strukturen einbringen kann. Die in den letzten fünfzehn Jahren durchgeführten Aktivitäten diverser Gruppen (vor allem gegen Talsperren) waren natürlich die Vorbedingung dafür, dass beim erheblich politisierten Teil der Gesellschaft der ökologische Anspruch konkret mit Inhalt gefüllt werden konnte. Die jetzige Neustrukturierung der MEH ist Ausdruck der Vertiefung der Diskussionen über die zerstörerisch-ausbeuterischen Investitionsprojekte und über eine ökologischere Gesellschaft.


 

1 Dabei ist erstens zu beachten, dass die MEH nicht die Kapazitäten für eine professionelle PR-Arbeit hatte, die oft notwendig ist, um von den Mainstream-Medien manchmal genannt zu werden. Zweitens spielt deren Nationalismus eine wichtige Rolle.