Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

der Krieg im Mittleren Osten wird immer komplexer. Einerseits operieren verschiedenste regionale und internationale Mächte im gemeinsamen Kampf gegen den sog. Islamischen Staat. Andererseits stehen sich dieselben bei der Frage, wie es nach dem IS in der Region weitergehen soll, erbittert gegenüber. Und so kündigen sich bereits heute künftige Auseinandersetzungen in der Region an.

Als besonders aggressiv auf dem Schlachtfeld des Mittleren Ostens zeigt sich die türkische Regierung. Nachdem sie in der Folge des gescheiterten Putschversuchs vom 15. Juli per Ausnahmezustand große Teile der inländischen Opposition zum Schweigen gebracht hat, wendet sich Autokrat Erdoğan mit markanten Äußerungen der Außenpolitik zu. So sei der Vertrag von Lausanne, der seit dem Ende des 1. Weltkriegs die türkischen Außengrenzen festlegt, keineswegs ein Sieg für die türkische Republik gewesen und es müsse erneut über den Nationalpakt gesprochen werden. Was die neoosmanischen Ambitionen Erdoğans illustriert.

Übersetzt bedeutet das, dass die Türkei mit freundlicher Unterstützung von Barzanîs PDK – und gegen den Willen der irakischen Zentralregierung – aktiv bei der Operation zur Befreiung Mûsils mitmischen will. Zwar hat Ankara lange Zeit den IS im Kampf gegen die KurdInnen aktiv unterstützt, will nun aber wohl rechtzeitig umschwenken, um in der Post-IS-Ära ein Stück des Kuchens zu ergattern. Zeitgleich werden im Norden Syriens die gemeinsamen Operationen mit islamistischen Gruppierungen, die sich selbst als Freie Syrische Armee bezeichnen, fortgesetzt. Und auch hier verfolgt die Türkei genauso wie im Irak Pläne, sich langfristig festzusetzen, um bei einem möglichen Zerfall Syriens Teile des Landes unter eigene Kontrolle zu bringen.
So sehr diese aggressive Außenpolitik der Erfüllung neoosmanischer Träume der AKP dient, ebenso sehr ist sie auch direkt gegen die kurdische Freiheitsbewegung gerichtet. Denn die PKK ist letztlich die letzte ernstzunehmende Widersacherin der Politik Erdoğans. Der Krieg in Nordkurdistan stellt eine Türkei, die soeben Teile ihres Militärs entlassen oder verhaften lassen hat, vor große Probleme. Und sie ist sich bewusst, dass in Nordkurdistan ein Sieg über die kurdische Freiheitsbewegung militärisch nicht zu erzielen ist. So will sie ihren Vernichtungskampf ganz bewusst auf Başûr/Nordirak und Rojava/Nordsyrien ausweiten.

Gleichzeitig steht die kurdische Freiheitsbewegung der Türkei nicht nur als bewaffnete Kraft, sondern auch als diametrale Vorstellung von einem künftigen Mittleren Osten gegenüber. Sie bildet mit ihrem Modell des Demokratischen Konföderalismus die radikale Antithese zum türkischen Hegemonialstreben in der Region.

Und so steht der Mittlere Osten vor einem großen Umbruch. Die europäischen Staaten, allen voran Deutschland, haben sich längst auf die Seite der Türkei geschlagen. Lasst uns dem unsere Solidarität mit der kurdischen Freiheitsbewegung entgegensetzen.

Die Redaktion