Wege und Mittel der Umsetzung von Jineolojî

Über die eigenen Angelegenheiten selbst entscheiden können

Havin Güneşer, Jineolojî-Konferenz, 28.02.–02.03.2014, Uni Köln

Lassen Sie mich zunächst all denjenigen danken, die ihren Teil dazu beitrugen, dass dieses Riesenevent stattfinden konnte, einschließlich und vor allem den kurdischen Familien in Köln, die uns die Türen ihrer Häuser geöffnet und uns dort aufgenommen haben. Ich muss sagen, dass diese Konferenz tatsächlich eine Konferenz ist, die nicht nur Frauen aus verschiedenen Teilen dieser Welt zusammengebracht hat, sondern uns auch eine Plattform geboten hat, das zu teilen, was wir theoretisch zu sagen hatten und eigentlich auch umsetzen.

Das Thema, über das ich sprechen werde, benennt die Schwäche der Frauenbewegungen im Allgemeinen. Es geht darum, für Errungenschaften und Siege nachhaltige und dauerhafte Strukturen zu schaffen, die in der Lage sind, sich ständig selber zu erneuern.

In den 1980er Jahren gab es eine allgemeine Zunahme bei Mobilisierung, Bewusstsein und Kämpfen für gleiche Rechte, das Recht auf Abtreibung und gegen Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen. Dies machte die Situation der Ausbeutung von Frauen sichtbar, brachte aber auch die Frage nach der Ausrichtung und der Analyse der Frauenbewegungen und Kämpfe mit sich. Zu dieser Zeit wurde die Verbindung zwischen Sexismus und allgemeiner Klassenausbeutung und Unterdrückung von ArbeiterInnen und LandarbeiterInnen nicht recht verstanden.Jineolojî

Das führte zu einem Fokus auf theoretische Arbeit und feministische Forschung. Im Zuge dessen kamen viele theoretische Fragen auf, die das bestehende System akademischer Arbeit nicht beantworten konnte. Das Hauptproblem, mit dem Frauenforschung heute konfrontiert ist, ist die vorherrschende männliche Sichtweise in praktisch allen Bereichen und im überwiegenden Teil der theoretischen Arbeit der wissenschaftlichen Suche der letzten Jahrhunderte. Dieser Androzentrismus [Sichtweise, die Männer als Zentrum, Maßstab oder Norm versteht; Anm. d. Übers.] war und ist noch immer dabei, sich zu manifestieren, nicht nur weil Universitäten und Forschungseinrichtungen noch immer eine vor allem männliche Domäne sind, subtiler aber noch durch die Auswahl von Forschungsbereichen, Forschungspolicen, theoretischen Konzepten und spezifischer Forschungsmethodik. Feministische Historikerinnen spüren die Unangemessenheit der vorherrschenden Forschungsmethoden zumeist an dem Punkt, an dem sie Frauengeschichte zu rekonstruieren versuchen. Der Beitrag von Frauen zur Geschichte ist nur sehr wenig in Geschichtsbüchern festgehalten. Heute basiert das Verständnis von Wissenschaft einzig auf schriftlichen Aufzeichnungen. Das bedeutet, dass der Beitrag von Frauen in der Geschichtswissenschaft nicht existiert. [Der virtuelle Ausschluss von Frauen, ihres Lebens, ihrer Arbeit und Kämpfe vom Großteil der Forschung versinnbildlicht Brecht in angemessener Weise: »Die im Dunkeln sieht mensch nicht.«] Wenn versucht wird, Licht in dieses Dunkel zu bringen, stoßen Frauen permanent auf spezielle methodologische Probleme, vor allem empirisch und quantitativ.

Ich glaube, das Ziel von Jineolojî und der damit zusammenhängenden Diskussionen einschließlich dieser Konferenz ist es, uns zu befähigen, neue methodische Herangehensweisen zu entwickeln und zu diskutieren, die mit den sozialen, politischen und ökonomischen Zielen nicht nur der Frauenbefreiungsbewegung übereinstimmen, sondern der Befreiung der gesamten Gesellschaft, die verbunden ist mit der Befreiung der Frau. Und natürlich geht es darum, in der Lage zu sein, sich über die Lektionen auszutauschen, die aus der verschiedensten Praxis nach solchen Diskussionen gewonnen wurden.

Lassen Sie uns kurz einen Blick darauf werfen, wann und warum das Bedürfnis aufkam, die dominante quantitative Forschungsmethode der Sozialwissenschaften zu kritisieren. Es begann, bevor es Frauenbewegungen gab.

  • Kritik an der Forschung in den etablierten Sozialwissenschaften kam erstmalig auf in Verbindung mit der Protestbewegung gegen die US-Einmischung in Südamerika und Südostasien. Die Forschung wurde kritisiert als taktisches Mittel der »Aufstandsbekämpfungs- und Kommunismus-Eindämmungs«-Strategie der USA. Politische und ethische Themen standen an vorderster Stelle von Kritik.

  • Ungefähr zur selben Zeit (1967–1972) wurden die positivistische und funktionalistische Gesellschaftstheorie und die quantitative analytische Forschungsmethode grundlegend von der Frankfurter Schule kritisiert. Der Fokus ihrer Kritik an der positivistischen Betrachtungsweise richtete sich auf die Beanspruchung von Wertneutralität und struktureller Trennung zwischen Theorie und Praxis. Diese Kritik erreichte jedoch nur elitäre Kreise und nicht die arbeitenden Massen und reproduzierte, was kritisiert wurde, was wiederum ein Charakteristikum der kapitalistischen Produktionsweise ist.

  • Mitte der 1970er Jahre versuchten BefürworterInnen von Aktionsforschung diese Brücke zu schlagen, zunächst entwickelt von Lewin (1953).

  • In den 1970er Jahren herrschte eine systematische Missachtung von Frauen. Daher wurde die vierte Kritikwelle von Frauen wie Maria Mies getragen, die als eine der wenigen in den späten 1970er und 1980er Jahren Gedanken über Methoden für Frauenstudien formulierten. Sie bezogen sich dabei auf Debatten aus diesen drei Kritikwellen gegen den Positivismus als dominante Theorie der Sozialwissenschaften und die damit einhergehenden Methoden.

  • Die Diskussionen gingen 1994 und 1995 weiter mit der Beschreibung einer Restrukturierung von Sozialwissenschaften durch die Gulbenkian-Kommission Wallersteins und anderer. Aber auch dieser Ansatz wurde kritisiert dafür, dass er nicht in der Lage war zu beantworten, für wen dieses Wissen produziert wird und wofür, und es auch nicht geschafft hat, durch Vorschläge für effektive Alternativen materiell zu werden.

  • Heute trägt auch Abdullah Öcalan zur Kritik an der kapitalistischen Moderne bei und hat die Kämpfe und Leben derjenigen, die vom bestehenden System marginalisiert werden, wie die Frauen, die Völker, die Kulturen, die HandwerkerInnen und andere Gruppen, als Demokratische Moderne benannt. Er nennt die Sozialwissenschaften, die eine libertäre Perspektive entwickeln sollen, »Soziologie der Freiheit« und das soziale System, das es zu entwickeln gilt, Demokratischer Konföderalismus und Demokratische Autonomie, was keine Alternative zu Staaten oder Nationalstaaten darstellt.

Es reicht eigentlich nicht aus, sich auf eine Definition von Sozialwissenschaften zu einigen, aber was für eine Einheit sollte die Basis sein für die Evaluation der Gesellschaft? Verschiedenste Modelle in Zusammenhang mit dem sozialen Bereich wurden entwickelt. Die bekannteste Einheit ist der Staat, genauer gesagt der Nationalstaat. Das ist die bürgerliche Sichtweise. Dieses Modell untersucht Geschichte und Gesellschaft anhand der Frage des Aufbaus, des Zerfalls und der Teilung von Staaten. Ihr wahres Ziel ist es, eine Rolle zu spielen bei der Legitimierung der staatlichen Ideologie. Anstatt dem Erhellen der komplizierten Probleme der Geschichte und der Gesellschaft dient sie der Verschleierung.

Die marxistische Sichtweise wählte sich Klasse und Ökonomie zum Ausgangspunkt für ihre Analyse und wollte sich selbst als alternatives Modell schaffen gegen eine staatlich basierte Anschauung. Arbeiterklasse und kapitalistische Wirtschaft als Ausgangspunkt zu wählen, hat dazu beigetragen, Geschichte und Gesellschaft im Hinblick auf ihre Ökonomie und Klassenstruktur zu erklären. Aber diese Annäherungsweise hat auch mehrere grundlegende Mängel, insbesondere bei ihrer Definition von Arbeit.

Die kurdische Frauenbewegung und Abdullah Öcalan stützen ihre Analysen wegen des Zusammenhangs von Freiheit und Moral und Freiheit und Politik auf eine »moralische und politische Gesellschaft«. Um Strukturen zu entwickeln, um den Bereich von Freiheit zu erweitern, wird Moral definiert als kollektives Bewusstsein der Gesellschaft und Politik als kollektive Weisheit. Daher müssen wir Moral und Politik auf die Beine stellen und absichern, dass sie funktionieren.

Die drei Hauptaufgaben für die Rekonstruktion können als intellektuelle, moralische und politische zusammengefasst werden. Intellektualität war vor allem auf Universitäten begrenzt, während Moral ersetzt wurde durch ein positivistisches Gesetz. Politik andererseits wurde fast im Keim erstickt durch die Verwaltung einer nationalstaatlichen Bürokratie unter dem Deckmantel des Parlamentarismus.

Um der Kapital- und Machtakkumulation Einhalt zu gebieten wie auch der Reproduktion von Hierarchie, ist es notwendig, Strukturen zu schaffen für eine demokratische, ökologische und geschlechterbefreite Gesellschaft. Um dies zu erreichen, braucht es:

Intellektuelle Aufgaben und Bildung

Zunächst muss die Geschichte der Kolonialisierung der Frau aufgedeckt und im Zuge dessen auch ihre ökonomische, soziale, politische und intellektuelle Kolonialisierung entlarvt werden. Das würde die Enthüllung der Geschichte der Menschheit, der gesamten Gesellschaft bedeuten. Abdullah Öcalan evaluiert die Geschichte der Menschheit im Hinblick auf die Kolonialisierung der Frauen. Werfen Sie einen Blick in die Broschüre »Die Revolution der Frau«. Eigentlich können Sie sich mal alle seine Bücher ansehen auf www.ocalan-books.com.

Je mehr Wissenschaft und Wissen an das Kapital und das Monopol von Macht gebunden wurden, umso mehr wurden die Moral und die politische Gesellschaft ins Visier genommen. Die Zivilisation schuf ein Monopol auf Wissenschaft und Wissen, die von der Gesellschaft und insbesondere von Frauen streng getrennt waren. Das wiederum bedeutete ihre Trennung vom Leben und der Umwelt.

Wissenschaft, Wissen und Intellektuelle sollten nicht auf offizielle Institutionen beschränkt sein, weil sie ihre Fähigkeit verlieren werden, frei zu sein. Es gibt den Bedarf an einer Restrukturierung dieser Institutionen. Die geeignetsten Strukturen wären Frauenakademien wie auch Akademien für demokratische Politik und Kultur. Intellektuelle und wissenschaftliche Unterstützung, die für eine Rekonstruktion sozialer Institutionen notwendig ist, kann an solchen Akademien entwickelt werden. Hier sollten LehrerInnen und SchülerInnen freiwillig und ohne Weiteres den Übergang zwischen ihren Rollen schaffen. Alle sollten ermutigt werden, an solchen Akademien teilzunehmen, unabhängig von ihrem Bildungsstand. Wissensmonopole sollten beseitigt werden. Um dem Motto gerecht zu werden, dass Praxis die wichtigste Kraft der Veränderung ist, sollten alle ermuntert werden, an der Umsetzung teilzuhaben. Solche Akademien sollten aufgebaut werden, wo immer und wann immer sie gebraucht werden, unabhängig von praktischen Anforderungen und Voraussetzungen. Mehr zur Praxis der Frauenakademien können Sie in dem Buch »Demokratische Autonomie in Nordkurdistan« von der Kampagne TATORT Kurdistan nachlesen.

Männerbildung

Abdullah Öcalan hat in seinen Büchern viel darüber geschrieben, den dominanten Mann [in sich selbst] zu eliminieren. Eines seiner Bücher trägt sogar den Titel »Den Mann töten«. Während es auf der einen Seite für Frauen wichtig ist, einen Kampf gegen die in ihnen selbst steckende hierarchische und dominante Mentalität zu führen, ist es auch überaus wichtig, die gleiche Geisteshaltung bei Männern zu bekämpfen, indem sie an Frauenakademien ausgebildet werden. Das ist ein Muss, wenn wir eine demokratische Gesellschaft aufbauen. Über die Versklavung von Frauen wird viel gesprochen, aber die paradoxe Situation von männlicher Dominanz wie auch Versklavung wird nicht breit diskutiert. Frauen sollten Männer bilden und die Last der ausbeuterischen Beziehung zwischen den Geschlechtern aufdecken. Eine solche Praxis gibt es bei der Frauenbefreiungsbewegung und bei UTAMARA (Frauenbegegnungsstätte in der Nähe von Köln). Ich glaube, mit überraschend positiven Ergebnissen. Die Bildung von Kindern sollte auch Teil dieser Arbeit sein. Das ist der einzige Weg, um Sexismus zu überwinden und Geschlechterbefreiung zu erreichen.

Ökonomie, Industrialisierung und Ökologie

Die Ökonomie ist nach Ideologie und Gewalt der dritte Faktor, der Frauen und in der Folge auch die gesamte Gesellschaft betrifft und der sie zwingt, ihre Abhängigkeit zu akzeptieren. Ökonomie bedeutet wörtlich »haushalten«. Aber in Bezug auf Frauen war die Akkumulation weder für den Handel noch für die Märkte vorgesehen, sondern für die Familie. Daher ist es ein wirkliches Bedürfnis, sie in das zu verwandeln, was sie sein sollte.

Doch für kapitalistische Ökonomen ist nur das wichtig, was gemessen in Geld produktiv und sichtbar ist. Daher wurde die Verbindung zwischen unsichtbarer Arbeit von Frauen und kapitalistischer Akkumulation entdeckt, als die Rolle, die Hausarbeit im Kapitalismus spielt, ins Blickfeld geriet. Diejenigen, die an Hausarbeit als Arbeitsverhältnis ohne Lohn interessiert sind, müssen dies mit struktureller und direkter Gewalt durchsetzen. Tatsächlich charakterisiert diese strukturelle und direkte Gewalt alle ausbeuterischen substanziellen Beziehungen: zwischen Menschen und Natur, LandarbeiterInnen und Industrie, Metropolen und Kolonien. Das ist einer der Gründe, warum beide, Maria Mies und Abdullah Öcalan, die Beziehung zwischen Mann und Frau für zutiefst kolonialistisch und daher die Frauen für die erste Kolonie halten. Rosa Luxemburg hat bereits in »Die Akkumulation des Kapitals« (1913) nachgewiesen, dass es, um die Akkumulation von Kapital auszuweiten, nicht ausreicht, das klassische Proletariat auszubeuten, sondern mehr und mehr auch die »nichtkapitalistischen Milieus« einbezogen werden müssten. Sie argumentierte, dass es sich dabei um LandarbeiterInnen, mittelständische HandwerkerInnen, TagelöhnerInnen und auch ArbeiterInnen in den Kolonien handele, wozu natürlich auch Hausarbeit gehört.

Hier müssen wir zunächst eine andere als die uns vom Kapitalismus vorgegebene Vision eines guten Lebens entwickeln. Wir sollten nicht länger dem Wunsch nach unbegrenzter Warenvielfalt und Geldvermehrung nachhängen und alles am Wert von Geld messen. Stattdessen sollten wir für eine unmittelbare Produktion eines Lebens im Zentrum aller sozialen und ökonomischen Aktivitäten sorgen.

Subsistenz als ökonomische Perspektive bedeutet die Verbannung all dieser kolonialisierten Beziehungen. Diese Haltung bedarf eines anderen Verständnisses von Natur als in dem dominanzbasierten Modus, den wir kennen.

Daher Kooperativen, Kollektive und die Produktion für deine eigenen Bedürfnisse wie auch das Entscheiden darüber, welche die Bedürfnisse sind, denen auf lokaler Ebene begegnet werden sollte. Diese Annäherungsweise lehnt Industrialisierung ab, aber nicht die Existenz notwendiger Industrie und Technologie.

Familie, Beziehungen zwischen Männern und Frauen

Kritik an der Familie ist zentral. Überbleibsel aus vergangenen patriarchalen und staatlichen Gesellschaften und Muster moderner westlicher Zivilisationen haben keine Synthese gebildet, sondern in eine Sackgasse geführt. Das wichtigste Problem für Freiheit im sozialen Kontext stellen daher Familie und Heirat dar. Frauen absolut zu besitzen bedeutet, sie von allen politischen, intellektuellen, sozialen und ökonomischen Bereichen fernzuhalten. Daher ist es notwendig, Familie und Heirat von Grund auf zu hinterfragen und neue Leitlinien zu entwickeln mit dem Ziel Demokratie, Freiheit und Geschlechtergleichheit. Eine entsprechende Diskussion über freie Beziehungen zwischen Männern und Frauen wird in der kurdischen Frauenbewegung geführt, hier sollen Frauen die Leitlinien dafür festlegen. Für freiheitliche Geschlechterbeziehungen ist es den Männern genauso ein Bedürfnis, freie Männer zu werden, wie es den Frauen ein Bedürfnis ist, freie Frauen zu werden. Daher bedeutet dies eine radikale Transformation von Familie und dieser Beziehung. Patriarchat und kapitalistisches Patriarchat sollten nicht länger auf dem Familiengefüge gründen. Hier sollten die Leitlinien weit darüber hinausgehen und alle von Frauen selbst bestimmt werden.

Selbstverteidigung

Diese sollte nicht ausschließlich als physische Selbstverteidigung verstanden werden, die sie allerdings auch beinhaltet. Der Staat beansprucht das Macht- und Gewaltmonopol über alle und Männer beanspruchen es über Frauen. Feminizid, Gewalt und Vergewaltigung werden in der Welt weiterhin unter verschiedenen Deckmänteln gegen Frauen praktiziert, sogar in Ländern, die als weiter entwickelt gelten. Daher sollten sich Frauen intellektuell, psychisch und physisch organisieren, um sich selbst und ihre Strukturen zu verteidigen.

Im Allgemeinen wendet sich die kurdische Frauenbewegung gegen alle Ismen. Einschließlich Industrialisierung und Militarismus. Das heißt nicht, wie gerade beschrieben, dass Industrie und Technologie etwas Schlechtes seien, sondern es bedeutet, dass alles, was nicht den Interessen einer moralischen und politischen Gesellschaft dient, nicht akzeptiert werden kann. Professionelle Armee- und Polizeiverbände können sich jederzeit für die Interessen von Staat und Kapital gegen die Menschen richten. Daher sollten alle diese Kräfte nicht professionalisiert sein. Jede Kraft sollte von Einheimischen gestellt werden, auf der Basis von Selbstverteidigung und auch gegen Angriffe von außen. Daher sollten auch Frauen über ihre eigenen Frauenselbstverteidigungseinheiten verfügen. Das ist zurzeit in Rojava und ganz allgemein in der kurdischen Frauenbewegung der Fall.

Dieses Verständnis von Selbstverteidigung beinhaltet auch, dass Gerichte von Frauen betrieben werden sollen, um Ungerechtigkeiten aufzudecken und zu beseitigen.

Kultur, Ästhetik und Schönheit

Das wird alles definiert in Übereinstimmung mit dem Konstrukt der Frauen als Sexualobjekt und schwächeres Geschlecht. Daher ist es eine weitere Aufgabe der Akademien, Kultur, Ästhetik und Schönheit für Frauen zu rekonstruieren und neu zu definieren. Darauf sollte ein Schwerpunkt gelegt werden, weil es heute keinen Teil des Körpers mehr gibt, der verschont blieb und nicht zu einem sexualisierten Objekt gemacht wurde.

Um das zu überwinden, muss auch das Bild der Frauen, wie es in den Medien und in Filmen dargestellt wird, von neuem geschaffen werden. Das stellt zugleich einen wichtigen Bereich dar, in dem Frauen überlegen müssen, wie sie sich selbst definieren wollen.

Macht und Hierarchie demontieren

Das Gesellschaftssystem der Demokratischen Moderne sind der Demokratische Konföderalismus und die Demokratische Autonomie. Dieses System ist keine alternative Formation eines Staates, aber eine Alternative zum Staat. Unsere heutigen Demokratien entwickelten sich entsprechend der römischen Demokratie repräsentativ statt partizipativ. Somit werden unter dem Deckmantel, dass die Mehrheit zählt/entscheidet, in den essentiellen Themen die Entscheidungen durch eine elitäre Struktur getroffen. Demokratische Autonomie auf der anderen Seite ist eine radikale Demokratie mit einer über allem stehenden organisierten Teilhabe von Frauen an Entscheidungen. Aber auch alle anderen Bereiche der Gesellschaft sind so organisiert, dass die Teilhabe an der Entscheidungsfindung bei direkt und indirekt betreffenden Themen direkt stattfinden kann.

Dies wird innerhalb der kurdischen Frauenbewegung bereits praktiziert. Frauen sind von der lokalen Ebene ausgehend in allen Strukturen der Entscheidungsbildung organisiert. Sie fällen alle sie betreffenden Entscheidungen selbst und sind bei die ganze Gesellschaft betreffenden Entscheidungen auf allen Ebenen vertreten. Andere Bereiche der Gesellschaft wie die Jugend, Alte, Fachbereiche, Religion, HandwerkerInnen sind auch organisiert, so dass Formen und Strukturen von Macht und Hierarchie sich nicht ewig reproduzieren und jegliche diesbezüglichen Versuche durch solche Mechanismen gestoppt werden können.