Ein Blick auf die wirtschaftliche Situation in der Türkei

Die Ökonomie als Opfer der politischen Krise

Ehmed Pelda, Wirtschaftswissenschaftler

Die Türkei steckt in jedem Bereich in einer ernsthaften Krise. Diese Krise hat unmittelbaren Einfluss auf die Wirtschaft. Deshalb hat nach Moody’s und Standard & Poor‘s auch Fitch die Kreditwürdigkeit der Türkei auf die niedrigste Stufe herabgesetzt. Da dieser Staat mit allen Staaten, mit denen er gute wirtschaftliche Beziehungen pflegt, gleichzeitig eine politische Krise erlebt. Gleichzeitig hat sich im Innern die politische, kulturelle und gesellschaftliche Krise verschärft. Aufgrund unserer Thematik werden wir analysieren, was sich an der wirtschaftlichen Front ereignet.

»Heißes Geld« und Verbraucherkredite

Aufgrund der globalen Krise von 2008 hatten die USA in ihrem eigenen Interesse angefangen, mehr Dollarnoten zu produzieren und so einen Teil ihrer Schulden zu begleichen. Dies hatte zur Folge, dass die Zinsen in den USA niedrig blieben. Die Dollarbesitzer richteten ihren Fokus zwecks Geldverwertung, Zins- und Börsengeschäften auf neue Märkte. Dieses »heiße Geld« hätte in den Ländern, in denen es Einzug hielt, für Spekulation und Risiken gesorgt. Deshalb akzeptierten die entwickelten Volkswirtschaften wie Brasilien, China, Südafrika und Argentinien dieses Geld unter der Voraussetzung, dass es die realen Investitionen und die Steigerung der Beschäftigtenzahlen fördert. Ansonsten haben sie das Geld, das nur zum Erzielen von Zinsgewinnen investiert wird, mit hohen Steuern belegt und damit die Destabilisierung der realen Wirtschaft und der Märkte verhindert.

Wohingegen die Türkei die Tore für das »heiße Geld« vollkommen geöffnet hat, anstatt Steuern, Zinsen oder reale Investitionen als Hinderungsinstrumente einzusetzen. Solche Kredite gingen sowohl an den Staat als auch den privaten Sektor. Sollte einer von ihnen zur Schuldentilgung gedrängt werden, so haftet der Fiskus. Daher wurde der Zufluss fremden, heißen Geldes, insbesondere von Dollars, in die Türkei beschleunigt. Dieses Geld ist in die Märkte in Form von Verbraucherkrediten über die Banken direkt an die Bevölkerung geflossen. Mithin hatte der Produktionssektor davon keinen Nutzen.

Die Menschen, die relativ einfach an die Verbraucherkredite kamen, empfanden sich plötzlich als reich. Anstatt für langfristige Hypotheken haben sie ihr Einkommen für Essen, Trinken, Kleidung, Haus und Auto ausgegeben. Das sorgte für Auftrieb bei der Baubranche und dem Baugewerbe und hat in der Türkei auch gewisse Arbeitsplätze geschaffen. Allerdings ist vor allem der Import gestiegen, da die aufgrund der Verbraucherkredite nachgefragte weiße Ware, die Autos und Elektronikprodukte fast alle eingeführt werden mussten. Im Gegensatz zu den importierten Produkten konnten lediglich Ersatzteile und landwirtschaftliche Erzeugnisse exportiert werden. Außerdem schickten die im Ausland Tätigen ihr Erspartes. Aber die ganzen Einnahmen deckten nicht die Ausgaben, also der Export deckte nicht die Importe. So entstand im Durchschnitt ein monatliches Außenhandelsdefizit von fast drei bis vier Milliarden Dollar. Insbesondere in der letzten Phase, als zum einen das Außenhandelsdefizit gewachsen war und zum anderen die USA die Zinsen erhöht haben, womit das Land wieder attraktiv geworden ist und damit Devisen ihre Richtung geändert und die Türkei verlassen haben. Die nach diesem Mechanismus verschuldeten Exporthändler, Banken und Verbraucher stehen auf der Risikoskala ganz oben. Die Insolvenzen bei den mittelständischen Firmengruppen, Banken und Betrieben mit Einnahmen in Türkischer Lira, aber Schulden in Devisen haben bereits begonnen.Izmir: Leben am untersten Rande des Existenzminimums. | Foto: ANF

EU-Beitrittsverhandlungen und Unterstützung aus den Fonds

Die erste Regierungsperiode der AKP unter Tayyip Erdoğan war geprägt von EU-Reformen und -Konformität. Das beeinflusste die Wirtschaft positiv. Gemäß den verhandelten Punkten der Vereinbarung musste die Türkei ihre Wirtschaft strukturell anpassen, sie hat dadurch Unterstützung aus den Fonds erhalten und Investitionsmöglichkeiten für ausländisches Kapital geschaffen. In diesem Zusammenhang konnten in einigen Branchen positive Entwicklungen beobachtet werden. Die gegenseitige Beeinflussung im produzierenden Gewerbe hatte eine Multiplikatorfunktion und das Wirtschaftswachstum wurde dadurch beschleunigt. Im landwirtschaftlichen Sektor beispielsweise wurde Produktionsvielfalt und eine Steigerung der Beschäftigtenzahl und des Exports erreicht. Die klassische Landwirtschaft wurde durch moderne Produktion und Methoden ersetzt, viele unberührte Gebiete wurden für die Landwirtschaft freigegeben. Der Tourismus ist jedes Jahr gewachsen, das Import- und Export-Volumen und die wirtschaftliche Kapazität ebenso.

Das hat aber nicht lange angehalten. Dass die AKP unter Tayyip Erdoğan sich wieder einer autoritären Politik zuwandte, sich im Innern nicht einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage annäherte, sich an den Kämpfen im Nahen Osten beteiligte, die Reformen beendete, das hat die Beziehungen zur EU belastet. Die Verhandlungen stockten. Neue Kapitel und Themen wurden nicht eröffnet. Das hat die politischen Spannungen verstärkt und ökonomisch zur Einschränkung der Zuflüsse aus den Fonds und der Reformarbeiten sowie in vielen Bereichen zu einer Kürzung und Beschränkung geführt.

Zunehmende politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Südkurdistan

Anstatt vielfältige Beziehungen aufzubauen, sich um Integration in die globale Wirtschaft zu bemühen, herrscht in der Mentalität der türkischen Gesellschaft und Politik immer eine Ost-West-Gegnerschaft vor. Wird eine Entscheidung in eine Richtung getroffen, muss das andere abgelehnt werden. Als sich die Türkei nach Osten wandte und sich nach einer Alternative zum Wirtschaftsraum der EU und der USA, dem West-Block, umschaute, fand sie Südkurdistan und die arabischen Staaten vor.

Aufgrund ihrer Verleugnung der Kurden verwendete sie zunächst die Bezeichnung Nordirak und dann Regionalverwaltung, um Geschäftsbeziehungen mit Südkurdistan anzubahnen. Von da an konnte man sich günstiges Erdöl und -gas besorgen. Außerdem sah man Kurdistan als einen Markt für die aufgrund ihrer niedrigen Qualität auf dem europäischen und dem russischen Markt nicht absetzbaren Waren. Im Ergebnis wurden die Beziehungen vertieft. Im Jahr beträgt das Handelsvolumen mittlerweile acht bis zehn Milliarden Dollar, zwischendurch waren es sogar zwölf Milliarden. Das hat die türkische Wirtschaft relativ beruhigt. Neben der Möglichkeit, günstig an Energie zu gelangen, einen einfachen und konkurrenzlosen Markt zu erreichen sowie umfangreiche Gelegenheiten für die Investition »heißen Geldes« zu finden, konnte man politisch und gesellschaftlich in den Markt eindringen, womit auch die Chance geboten wurde, im eigenen Interesse gegen die Kurden in den anderen Gebieten politisch aktiv zu werden. Die Intensivierung der Kämpfe im Nahen Osten und die Parteinahme für die Radikalislamisten, vor allem für den Islamischen Staat (IS), hat die wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt, da die Türkei damit gerechnet hatte, dass der IS und die anderen Gruppierungen in Şengal (Sindschar), auch in Südkurdistan und Rojava eindringen würden. Deshalb hätte die Türkei die Kurden nicht benötigt und damit in das ganze Gebiet eindringen können, somit ignorierte sie die Notrufe aus Südkurdistan. In Nordkurdistan hat sie sich zur Aufgabe gemacht, die kurdische Freiheitsbewegung zu attackieren und in Dolmabahçe wurde der Tisch der Friedensverhandlungen umgestoßen. In Cizîr (Cizre), Sûr, Nisêbîn (Nusaybin) und Hezex (İdil), in den grenznahen Gebieten, beging der Staat offen Massaker.

Das hat auch die Wirtschaft getroffen. Das Handelsvolumen mit Südkurdistan ist auf zwei bis drei Milliarden jährlich gesunken. Auf beiden Seiten haben sich die wirtschaftliche Krise und die politische Instabilität verstärkt.

Günstiges Öl vom IS und der Warenverkauf

Wie oben bereits erwähnt hatte die Türkei große Hoffnungen in den Aufstieg des IS und der anderen Radikalislamisten gesetzt. Parallel zur Entwicklung dieser Gruppen hat sie ihre Allianzen als auch ihre wirtschaftlichen Beziehungen geändert. Beispielsweise hat sie das Erdöl vom IS aus Mûsil (Mossul) gekauft. Als der noch die Herrschaft in Syrien hatte, wurde aus vielen Gebieten, vor allem über Al-Shaddadah, Öl an die Türkei verkauft. Pro Barrel vier Dollar, also zwischen 1/14 oder 1/15 des Weltmarktpreises.

Aus diesem Grund begann die Türkei, die Südkurden nicht mehr zu berücksichtigen. Die Gebiete der Radikalislamisten waren genauso ein Markt für sie. Trotz eines offiziellen Embargos gegen die Kurden in Rojava wurde der Handel über türkeinahe Kanäle fortgesetzt.

Darum waren türkische Waren in Mûsil, Ramadi, Falludscha, Al-Shaddadah, Hol, Heseke, Raqqa, Halep (Aleppo), Hezex und ähnlichen Gebieten zu finden. Die Höhe der Umsätze wird nicht veröffentlicht, weil es kein offizieller Handel ist. Dass er aber die türkische Wirtschaft belebt, ist unbestritten.

In Rojava haben vor allem Kurden und ihre Verbündeten ihre Einflussgebiete ausgeweitet, das hatte hier den Rückzug des IS zur Folge und damit verlor die Türkei diesen Markt. Zumindest ist er instabiler und unkontrollierbarer geworden. Im Endeffekt gibt es Einschränkungen sowohl beim billigen Erdöl als auch auf dem Markt. Damit erzielt die Türkei nicht mehr die erhofften Einnahmen aus diesem Bereich.

Einfluss arabischen Kapitals auf die Türkei

Eine der Absichten der Türkei war es gewesen, aus ihrer sunnitisch-islamischen Politik wirtschaftliches Kapital zu schlagen. Das »heiße Geld« der Araber, ihre große Bevölkerungszahl, ihre Konsumwünsche und Energiereserven haben den Appetit der Türkei geweckt. Bei der Privatisierung von Staatsbetrieben wurde arabisches Kapital gegenüber europäischem bevorzugt. Bei manchen privaten Firmen ist man besonders bemüht gewesen, arabische Teilhaber zu installieren. Bei Firmenverkäufen wurde der Verkauf an arabische Interessenten gefördert, ebenso bei Investitionen im Bau- und Immobilienwesen. Auch die touristischen Anlagen und Konsumgüter wurden entsprechend angepasst. Die gegenseitigen Besuche auf kultureller, religiöser, politischer und militärischer Ebene wurden ausgeweitet. Natürlich hat das die Wirtschaft positiv beeinflusst. In den Tourismus, das Baugewerbe und den Immobiliensektor in der Türkei floss bedeutendes arabisches Kapital. Nach manchen Behauptungen wurde sogar ein Teil der arabischen Dollars, die früher auf privaten Konten in der Schweiz und Großbritannien landeten, in die Türkei umgeleitet.

Allerdings hat der Krieg in Syrien und Irak den Handel mit der Türkei auf dem Landweg beeinträchtigt. Der Konsumgüterexport hat die anfänglichen Hoffnungen nicht erfüllt und ist auch begrenzt geblieben. Der eingeschränkte Handel über den Seeweg ist unzureichend.

Aufgrund der Haltung der Türkei in den letzten zwei Jahren im sunnitischen Block vertrauen ihr die Araber nicht mehr. Wegen ihrer Gegnerschaft zu den Kurden hat sie die mit den Arabern gegründeten Organisationen ohne Weiteres verlassen oder sie gegeneinander ausgespielt bzw. sie im eigenen Interesse ausgenutzt, sie hat sogar den gesamten sunnitischen Block für ihre Feindschaft gegen die Kurden einzuspannen versucht, dabei ist sie auch in großen Teilen erfolgreich gewesen und das hat den Prozess und die Beziehungen verhindert. Aktuell zeigen Saudi-Arabien, Qatar und Kuwait nicht mehr ihr altes Interesse.

Das fordert auch seinen Preis. Die Araber kommen nicht mehr wie früher in den großen Basar von Istanbul. Der Immobilienkauf hat sich auch reduziert. Die Reisen der arabischen Prinzen mit ihren Frauen, Familien und Bediensteten in die touristischen Gebiete der Türkei, wo sie komplette Hotels und ihre Zu- und Abgänge sperren ließen, finden mittlerweile nicht mehr statt. Für den Konsum von Luxusgütern bevorzugen sie Europa.

Somit hat die Türkei ihre Erwartungen zwar zurückgeschraubt, aber auch das vorhandene Potenzial verloren. Wenn die Situation anhält, dann wird die Türkei diesen Ländern möglicherweise gegenüberstehen und der komplette Markt wäre dann dort verloren.

Der russische Markt

Für die türkischen Wirtschaftsbeziehungen war Russland wertvoll. Von dort wurde Erdgas bezogen, es gab wichtige Wirtschaftsvereinbarungen. Schließlich kamen aus Russland jedes Jahr eine bedeutende Menge Touristen, die viel Geld im Land ließen. Gleichzeitig wurde ein wesentlicher Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse nach Russland verkauft. Trotzdem hatte die Türkei gegenüber Russland immer ein Handelsdefizit, da Erdgas teuer war und viel verbraucht wurde. Die Türkei benutzt Erdgas nicht nur zum Heizen, sondern auch industriell.

Mit dem Abschuss des russischen Kampfflugzeuges durch die Türkei an der türkisch-syrischen Grenze wurden die Beziehungen für eine lange Weile abgebrochen. Russland unterband jeden Verkehr in die Türkei und damit den gesamten Feier- und Koffer-Tourismus, der enorme Einnahmen beschert hatte. Das bedeutete Milliardenverluste. Russland stoppte den Kauf türkischer Agrarprodukte, um die Handelsaktivitäten türkischer Unternehmen in Russland zu beenden. Das Erdgas wurde als Druckmittel benutzt.

Auch wenn Erdoğan sich bei Putin entschuldigt hat und dies für die politischen Beziehungen vorteilhaft war – wirtschaftlich hat sich das noch nicht ausgewirkt. Russland importiert weiterhin keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus der Türkei mit der Begründung, es bestünden »alternative Vereinbarungen« . Das Tourismusgeschäft läuft nicht, weil keine Saison ist und wegen der Bombenexplosionen in den großen Städten.

Offensichtlich wird diese wirtschaftliche Front Opfer der politischen Probleme.

Aufschwung und Absturz der Binnenwirtschaft

Seit Jahren gibt der »TIT« der türkischen Wirtschaft ihre Form. Für die Kurden ist TIT ein angstbesetzter Begriff. Bekannt insbesondere aus den 1990er Jahren ist TIT die zum Staat gehörende Organisation »Türkische Rachebrigade« (Türk İntikam Tugayı). Sie hat in Kurdistan Zivilisten massakriert. Für den Rest der Türkei ist TIT aber bekannt als der Zusammenschluss der Branchen Tourismus, Bau und Textil (»Turizm, İnşaat ve Tekstil Sektörü«). Diese drei Branchen sind im Grunde der Motor der türkischen Wirtschaft. Neben der Tatsache, dass keine fortschrittlichen Technologien und Investitionen dafür benötigt werden, werden mit günstiger Arbeitskraft und geringen Ausgaben hohe Gewinne gewährleistet.

Die meisten Arbeiter in diesen Branchen sind Kurden. Sie haben keine unbefristeten oder langfristigen Verträge. Ihre Sozialbeiträge werden nicht eingezahlt. Ihre Verdienste liegen unter dem Mindestlohn. Sie arbeiten temporär. Sie werden nach den Wünschen der Betreiber der Betriebe eingestellt oder entlassen.

Zuletzt kamen die syrischen und arabischen Flüchtlinge hinzu. Die meisten von ihnen kommen nicht in Lagern unter und erhalten keinerlei staatliche Unterstützung. Deshalb sind sie gezwungen zu arbeiten. Sie nehmen daher an jedem Ort jede Art der Arbeit zu jedem Lohn an. Manchmal werden sie nach ihrer Arbeit nicht entlohnt, aber mit Tritten und Schlägen rausgeworfen. Zudem können sie keine juristischen Rechte geltend machen.

Außerdem hat der Bausektor in der Türkei eine Sättigung erreicht. Viele Firmen können ihre Bauobjekte nicht verkaufen. Es gibt mehr Häuser als Nachfrage. Oft werden Häuser gekauft, nicht um sie zu bewohnen oder zu mieten, vielmehr wird mit ihnen spekuliert. Allerdings können Familien, die wie oben erwähnt Verbraucherkredite in Hypotheken investiert haben, sie nicht bedienen. Da in naher Zukunft viele Raten nicht beglichen werden können, werden diese Immobilien beschlagnahmt oder gehen in die Insolvenz. Deshalb ist eine Hypothekenkrise wie in den USA nicht ausgeschlossen, sie könnte alles aus dem Gleichgewicht bringen.

In der Tourismusbranche herrscht eine ähnliche Situation. Zahlreiche Betriebe haben mit Förderung und Krediten Hotels und Ferienresidenzen gebaut. Da die Touristen ausbleiben, stecken sie in einer Krise. Die Kapazitäten sind um 60–70 % eingebrochen. Auch für das neue Jahr wecken die Reservierungszahlen keine Hoffnung.

Der Durchbruch von Indien und Bangladesch in der Textilbranche hat die Türkei im globalen Wettbewerb benachteiligt. Denn die Produktionskosten für Baumwolle und Stoffe sowie die Kosten für das Nähen sind in der Türkei mittlerweile sehr hoch und die Profitspanne ist dementsprechend gering. Wer es schafft, versucht den Betrieb zu übergeben, die Mitarbeiter zu entlassen, und sucht nach Alternativen.

Fazit

Wie oben dargestellt ist die Krise der türkischen Wirtschaft gleichzeitig eine politische. Die Krise in den Beziehungen zu den Kurden manövriert die Türkei in eine Sackgasse. Die Kurden zurückzudrängen liegt aktuell außerhalb der Grenzen ihrer Macht, weshalb sie andere Verbündete sucht sowie alternative Maßnahmen. Die Interessen der aktuell relevanten Mächte sind aber anders gelagert, darum akzeptieren sie die Türkei nicht wirklich. Sie erwarten im Gegenteil, dass der Staat seine Sturheit aufgibt. Wenn er das schafft und andere, nachhaltige Bündnisse schließt, wird sich eine Chance für die Stabilität im Nahen Osten und für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen in der Türkei entwickeln. Allerdings hat sie noch keine Entscheidung in diesem Sinne getroffen und solange sie mit der Entscheidung wartet, wird sich vor allem die wirtschaftliche sowie die gesellschaftliche, politische, kulturelle Erosion verstärken und die Krise wird weiter vertieft.

Im Endeffekt haben Standard & Poor‘s, Moody‘s und später Fitch die Kreditwürdigkeit der Türkei herabgesetzt und somit das Land zum Investitionsrisiko erklärt. Als Gründe wurden weniger ökonomische Faktoren genannt, vielmehr die erwähnten unzuverlässigen und unbeständigen politischen Mechanismen, die gesellschaftliche Spaltung und der beginnende wirtschaftliche Zusammenbruch.