Kemal Pir hat jeden Moment seines Lebens der Revolution Kurdistans gegeben

Die Träume von Kemal Pir werden wahr

Cemil Bayık

Nicht nur für die Widerstandsaktionen des 14. Juli1 war unser Genosse Kemal Pir2 von großer Wichtigkeit, sondern für die Entstehung der apoistischen3 Gruppe überhaupt und das Erscheinen der PKK auf der Bühne der Geschichte. Kemal Pir war außergewöhnlich. Er hatte eine konstruktive und einnehmende Persönlichkeit, mit der er sowohl bei der Gründung der PKK als auch beim Gefängniswiderstand großen Einfluss ausübte. In diesem Sinne gedenke ich Kemal Pirs mit Respekt. Ich denke, es ist eine historische Pflicht für uns als PKK, als Genossen von Kemal Pir und als kurdische Gesellschaft, von seiner Persönlichkeit zu berichten.

Die Träume von Kemal Pir werden wahrSelbstverständlich ist er sowohl von seinem historischen Hintergrund als auch von den gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit geprägt worden. Zur Zeit seiner ersten Jahre – in den 1950ern – war der Kapitalismus in der Türkei noch nicht weit entwickelt und die sozialen Zusammenhänge waren noch nicht so sehr zerschlagen. Geboren im Landkreis Torul in der Provinz Gümüşhane, später Schulabschluss in Ordu und Einschreibung an der Fakultät für Sprache, Geschichte und Geographie in Ankara, ist er zweifellos in einer kulturellen Umgebung mit starken sozialen Bezügen aufgewachsen. Moralische Werte wie Recht, Gerechtigkeit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit hatten großes Gewicht. Zur Zeit seiner Jugend kämpften Mahir und Deniz gegen Unrecht, Ungleichheit und Unterdrückung. Kemal Pir ist also von den gesellschaftlichen, kulturellen Werten und dem Widerstand von Mahir, Deniz und Ibrahim4 geprägt worden. Er hat eine widerständige Haltung gegen Unterdrückung entwickelt, ein starkes Verlangen nach Gerechtigkeit, Gleichheit und moralischen Prinzipien.

Der große Revolutionär der 70er Jahre

Kemal Pir ist ein Vertreter der durch die sogenannte 68er-Generation im Allgemeinen und von Deniz und Mahir im Besonderen beeinflussten Jugendgeneration. Wir müssen Kemal Pir als einen der wenigen großen Revolutionäre der Jugendbewegung der 1970er Jahre betrachten. So wie den historisch-gesellschaftlichen Werten war er auch den von Deniz, Mahir und Ibrahim entwickelten revolutionären Werten zutiefst verbunden. Er wollte diese Werte unbedingt vertreten und mit Lebendigkeit füllen. Er war davon überzeugt, dass er sie auf ein höheres Niveau transformieren und ihre Fahnen noch höher wehen lassen könne.

Deshalb müssen Kemal Pir sämtliche positiven Eigenschaften der damaligen revolutionären Anführer zugesprochen werden. Unter den Revolutionären seiner Zeit war er etwas ganz Besonderes. Es gab nur wenige Revolutionäre, die derart begeistert, überzeugt, unruhig und den revolutionären Werten verbunden waren wie er. Er war Träger des revolutionären Geistes, der die Werte, an die er glaubte, sofort und zu jeder Zeit umsetzen wollte. Das hat nichts mit Realitätsferne zu tun. Weil er davon überzeugt war, dass seine Sehnsüchte wert sind, sofort umgesetzt zu werden, wollte er die Revolution in schnellen Schritten und sofort, und dafür wollte er seine Kraft, seine Gefühle und sein ganzes Tun und Handeln stetig weiterentwickeln. Das macht die Auseinandersetzung mit ihm so wichtig.

Kemal Pir ist eine Quelle der Revolution und revolutionärer Begeisterung. Es ist mir eine große Ehre und ich verspüre großen Stolz, der Freund eines solchen Menschen gewesen zu sein. Kemal Pir hat sehr viel dazu beigetragen, dass ich Revolutionär, Apoist und PKKler wurde. Gemeinsam haben wir in Ankara an der Fakultät für Sprache, Geschichte und Geographie studiert. Dort sind wir Freunde geworden, dort haben wir uns kennen- und schätzen gelernt. Dort haben wir an uns geglaubt. So war unsere Freundschaft. Wir kämpften Schulter an Schulter und jeder war Teil des anderen in jedem Moment des Kampfes. Wie Blutsbrüder. Wir waren durch sehr starke Werte miteinander verbunden und hatten volles Vertrauen zueinander. Zu der Zeit war ich noch kein Apoist, sondern bewegte mich in der damaligen allgemeinen revolutionären Stimmung, die nach dem Tod von Deniz, Mahir und Ibrahim in Ankara, Istanbul, der Türkei und in Kurdistan entstand. Wir haben an den Sozialismus und die Revolution geglaubt.

An der Fakultät für Sprache, Geschichte und Geographie gab es damals eine starke Tendenz zur MHP [der faschistischen und parlamentarisch vertretenen Partei der Nationalistischen Bewegung] bzw. generell zu faschistischen Strömungen. Im gemeinsamen Kampf gegen die Faschisten an unserer Fakultät haben die Anstrengungen, der Einfluss, die avantgardistische Haltung, die Führungsfähigkeit, die Begeisterung von Kemal Pir eine sehr große Rolle gespielt. Denn er war nicht einfach eine einzelne Person. Er hat begeistert und mobilisiert, die revolutionären Gefühle gestärkt und die Wut gegen den Feind entfacht. Wir haben gemeinsam gegen den Faschismus gekämpft, haben unsere revolutionären Gefühle gegenseitig gestärkt und so gegenseitig unsere Charaktere in der revolutionären Jugend entwickelt. In einer solchen Phase Kemal Pir kennengelernt zu haben, sein Genosse gewesen zu sein, hat wirklich einen großen Einfluss auf unser aller Persönlichkeit, unseren Kampf und unseren Charakter gehabt. Deshalb möchte ich betonen, dass ich ihm sehr viel zu verdanken habe.

Ich danke ihm dafür, mich mit der apoistischen Bewegung bekannt gemacht zu haben

Wir waren revolutionär, kämpften gegen den Faschismus. Er hat die Freunde vor mir kennengelernt, mich mit dem Vorsitzenden Apo, der apoistischen Gruppe bekannt gemacht. Insofern hat Genosse Kemal Pir meinen Werdegang verändert. Auch deshalb bin ich ihm sehr dankbar, mich mit solch einer Bewegung, solch einer revolutionären Organisation bekannt gemacht zu haben. Dieser türkische Genosse kam aus der Schwarzmeerregion, hat mich aber mit der kurdischen Bewegung, der kurdischen Gruppe zusammengebracht. Dass sich Kemal Pir in einer Zeit, in der die Apoisten noch relativ unbekannt waren, mit der Person des Vorsitzenden Apo zusammenschloss und mich als guten Freund für die Bewegung gewann, sagt schon alles über seinen revolutionären Charakter.

Mit dem Kennenlernen des Vorsitzenden Apo wurden wir sofort aktive Mitglieder der apoistischen Gruppe. Apoistische Bewegung bedeutet vom ersten Moment an Tempo, Verbundenheit zur Revolution, intensive revolutionäre Arbeit, alles der Revolution zu geben und nichts als die Revolution im Sinn zu haben. So ist der Vorsitzende. Das sind die grundlegenden Eigenschaften, die der Vorsitzende den Freunden nach dem ersten Kennenlernen mit auf den Weg gab. Als Kemal Pir sich selbst im Vorsitzenden erkannte, machte er sich dessen Merkmale zügig zu eigen und intensivierte seine eigene revolutionäre Energie. Die beiden wichtigsten übereinstimmenden Merkmale von Kemal Pir und dem Vorsitzenden sind die Verbundenheit zur Revolution und die sofortige praktische Umsetzung: jede Sekunde des Lebens für die Revolution geben, mit revolutionärer Begeisterung leben. Wenn der Vorsitzende Apo von seinem eigenen Leben erzählt, so spricht er stets von einem Leben voller Bewegung. Auch Kemal Pir war so. Er war wie Quecksilber, immer im Fluss, stets in Bewegung, stets von dem Wunsch getrieben, etwas zu erschaffen. Deshalb sagte er über den Vorsitzenden: »Ich habe meinen Anführer, meine Organisation, meinen Freund, meinen Genossen, meine Richtung gefunden.« Durch die Bekanntschaft mit dem Vorsitzenden verstärkten sich seine Begeisterung, sein Selbstvertrauen, seine Art und sein Tempo. Und der Vorsitzende hatte mit der Person Kemal Pirs einen Genossen gefunden, der seinem Charakter, seiner Realität, seinem eigenen revolutionären Vertrauen und Tempo entsprach. Deshalb hat er Kemal Pir und Haki Karer5 als seine »geheime Seele« bezeichnet. Sie haben den Vorsitzenden Apo am besten verstanden, theoretisch wie praktisch.

Die geheime Seele des Vorsitzenden Apo

So wie wir mit Kemal Pir in unseren ersten revolutionären Jugendjahren in Ankara Seite an Seite gelernt und gekämpft und unsere Freundschaft entwickelt haben, so arbeiteten wir auch von 1975 an in Kurdistan in Dîlok (Antep) und Riha (Urfa). Dort hatte sich ja der apoistische Widerstand nach 1975 am weitesten entwickelt.

Diese waren im Hinblick auf die Entwicklung der apoistischen Gruppe wie eine Basis für die Orte in der Umgebung wie Semsûr (Adıyaman) und Gurgum (Maraş). Kemal Pir war generell für die Formung der apoistischen Bewegung maßgeblich, nicht nur in Dîlok und Riha. Seine Persönlichkeit war nicht nur die eines apoistischen Militanten oder PKKlers: So wie der Vorsitzende Apo eine entscheidende Rolle für die Schaffung der Ideologie, der Theorie, des politischen Verständnisses, der Organisations- und Widerstandspersönlichkeit dieser Bewegung innehat, war Kemal Pir der Genosse, der den größten Beitrag dazu leistete, die Linie und den Charakter des Vorsitzenden Apo in organisierte Bahnen zu lenken und den Militanten und der Jugend näherbringen zu können. Der Vorsitzende Apo hat sicherlich die apoistische Persönlichkeit hervorgebracht, aber Kemal Pir ist derjenige, der dies mit Geist und Dynamik vorantrieb. Deshalb hat der Vorsitzende ihn und Haki Karer als seine »geheime Seele« bezeichnet.

Wer ihn nicht verstanden hat, hat die PKK nicht verstanden. Deshalb hat der Vorsitzende in der Phase, in der die Partei Gefahr lief, zerstört zu werden, von Kemal Pir gesprochen, um den Kadern ein Beispiel zu geben, wie sie sich der Gefahr entgegenstellen können. Das war sehr, sehr wichtig.

Der Grundbaustein des Apoismus

Insbesondere die Militanz und Praxisfreudigkeit der Apoisten, ihre dynamische Widerstandskraft sind bekannt. Wenn von den Apoisten die Rede ist, ist von einer kämpfenden Gruppe die Rede, die Aktionen macht, dem Faschismus, dem Staat, den Kollaborateuren Angst einflößt. Genau dafür hat Kemal Pir eine überaus wichtige Rolle gespielt. Er war die bedeutendste Kraft für die Umsetzung der Parteilinie. Er war entscheidend für den intensiven Beitritt der Jugend zur apoistischen Gruppe. Hätte es keinen Kader wie Kemal Pir gegeben, dann hätte sich die apoistische Bewegung nicht so schnell entwickelt. Die Aktionslinie wäre nicht so wirksam geworden. Er ist der Grundstein, der die Apoisten zu Apoisten macht, der die PKK zur PKK macht. Er hat dieser Bewegung Geist, Persönlichkeit und Charakter verliehen. In dieser Hinsicht sind die Persönlichkeiten Kemal Pirs und Haki Karers von sehr großer Bedeutung für die Entstehung der PKK, und insbesondere für die Entwicklung ihres militanten Geistes. Sie waren türkische Freunde aus der Schwarzmeerregion. Aber sie waren große Revolutionäre, die zur Revolution Kurdistans mehr als jeder Kurde beigetragen haben.

Ihre Persönlichkeiten haben den internationalistischen Charakter der PKK und die Linie der Geschwisterlichkeit der Völker hervorgebracht. Heute sind der Vorsitzende Apo und unsere Bewegung dieser Linie verbunden. Sie haben eine Bewegung geschaffen. Kann man das ignorieren und irgendeine andere ideologische, theoretische und politische Linie verfolgen? Welcher Liquidationsversuch kann der revolutionären und militanten Persönlichkeit Kemal Pirs standhalten? Ein altes Sprichwort besagt, dass in das Haus, in das die Sonne nicht scheint, die Krankheit kommt. Da, wo Kemal Pirs Geist weht, kann es keine Schwäche, keine Widerstandslosigkeit geben, können die Ziele des Kampfes nicht verraten werden. Wenn die Linie des Vorsitzenden heute nicht besiegt werden kann und überall erfolgreich ist, dann wegen der voranschreitenden Kader, die sich für diese Linie entschieden einsetzen. Dabei hat Kemal Pir die größte Rolle gespielt. Das kann von niemandem geleugnet werden. Und wir gedenken ihrer deshalb immer mit Respekt. Kemal Pir und Haki Karer werden wir als die geheime Seele der Führung niemals vergessen. Weder von unserer Gesellschaft noch von den Gesellschaften des Mittleren Ostens werden sie vergessen werden.

Er war begeistert angesichts des kurdischen Heldentums

Kemal Pir ist auch ein revolutionärer Charakter, der das historisch gewachsene kurdische Heldentum wiedererweckt hat. Er hat der kurdischen Aufopferungsbereitschaft großen Wert beigemessen und sich sehr für ihre Weiterentwicklung eingesetzt, um sowohl Kurdistan als auch den Mittleren Osten und die Türkei zu befreien. In den kurdischen Menschen hat er diese Energie erkannt und ihren Wert für die Gesellschaften des ganzen Mittleren Ostens begriffen. In diesem Sinne ist er als führender Kader und Militanter, der zum Freiheitskampf der kurdischen Gesellschaft am meisten beisteuerte, in die Geschichte eingegangen. Die Freunde aus den Gefängnissen erzählen Folgendes: Es soll einen Aufseher namens Laz Ali gegeben haben. Er war einer der Folterer im Gefängnis von Amed (Diyarbakır). Doch er begegnete Kemal Pir wie jeder andere auch mit Respekt, weil er auch aus der Schwarzmeerregion kam. Er soll innerlich stolz gewesen sein, dass ein Mensch wie Kemal Pir aus derselben Region kam wie er. Als dieser Aufseher eines Tages zu ihm gesagt haben soll: »Kemal Pir, warum bist du den Kurden ein Anführer geworden, warum kämpfst du für die Kurden, warum opferst du dich für sie? Sie sind es nicht wert. Wenn du nach Karadeniz kommen und die Lasen anführen würdest, würden wir dir folgen!«, soll Kemal Pir entgegnet haben: »Du sprichst so, weil du die Kurden nicht kennst. Würdest du sie kennen, würdest du ihnen so viel Wert beimessen, wie ich es tue. Sie sind nicht so, wie du behauptest.« Kemal Pir war wirklich eine einflussreiche Persönlichkeit. Er hat nicht nur seine Freunde, sondern selbst den Feind beeinflusst. Niemand konnte sich seiner Begeisterung, seinem Gerechtigkeits- und Gleichheitsgefühl, seiner Werteverbundenheit, seiner revolutionären Persönlichkeit, seinem demokratischen Charakter, seinen moralischen und gewissenhaften Seiten entziehen!

Kemal Pir hat immer seine Gefühle gezeigt. Sie waren in seiner Art und Weise, seinen Bewegungen, seinem Gesicht, an allem zu erkennen. Er war sehr konsequent. So wie seine Gefühle war auch seine Praxis. So wie sein Denken waren auch seine Beziehungen. Er war ein sehr authentischer Mensch. Bei Kemal Pir gab es kein bisschen Täuschung, Opportunismus und Inkonsequenz. Was andere in einem Jahr schufen, gelang ihm in einem Tag. Deshalb hat ihn innerhalb eines Tages jeder gekannt. Innerhalb einer Stunde oder sogar einer Minute kannte ihn jeder oder war von seiner revolutionären Persönlichkeit beeinflusst. Dies wissen alle Kader, die in der Anfangsphase der apoistischen Gruppe in Dîlok dabei waren. Alle Kader in Riha wissen das, alle Kader in ganz Kurdistan. Wenn von der apoistischen Gruppe die Rede war, war Kemal Pir der Erste, der den Menschen in den Sinn kam. Denn er konnte nicht stillsitzen. Er beeinflusste und mobilisierte jeden. Er vermittelte den Jugendlichen die revolutionäre Persönlichkeit des Vorsitzenden Apo. Seine Militanz und seine Haltung wurden zur Messlatte. Seine Militanz, seine Persönlichkeit, seine Haltung erzeugten sofort Respekt, Liebe und Verbundenheit. Die apoistische Bewegung ist in vielerlei Hinsicht mit der Verbundenheit mit Kemal Pirs Charakter vorangeschritten. Insbesondere bei der Bildung der Jugend hat Kemal Pir eine wesentliche Rolle gespielt. Die Militanz der PKK hat mit dem Charakter von Kemal Pir an Leben gewonnen. Der Vorsitzende Apo hat nicht umsonst von der Persönlichkeit Kemal Pirs gesprochen. Er hat die PKK-Militanz als Kemal Pirs Militanz definiert.

Organisierung und Aktion waren für ihn eins

Kemal Pir war ein Revolutionär, dem es unangenehm war, auch nur einen Tag, eine Stunde oder Sekunde nicht für die Revolution zu verwenden. Deshalb war ihm das Gefängnis zu eng und er wollte sofort raus. So hat er sofort nach seiner ersten Festnahme in Ankara versucht auszubrechen, was ihm auch gelang. Ein paar Monate nach seiner Festnahme 1977 in Ankara gelang ihm die Flucht aus dem Gefängnis in Ordu-Ulubey. Später wurde er in Gurgum festgenommen, zuerst ins Gefängnis von Adana, dann in das von Riha gesperrt, aus dem er dann auch floh. Bei seinem Ausbruch in Riha sind die zivilen Angeklagten mit ihm zusammen geflohen. In allen Gefängnissen hat er enge Beziehungen mit den anderen Insassen aufgebaut. Kemal Pir hat nicht nur draußen, sondern auch im Gefängnisleben alle beeinflusst, an sich gebunden, eine Freundschaftsgruppe aufgebaut und organisiert.

Kemal Pir war nicht aufzuhalten. Draußen brachte er Bildung, Organisierung und Aktion zusammen. Jeder Moment war Bildung. Er bildete die Jugend und die Menschen an seiner Seite. Er brachte die Menschen dazu zuzuhören. Deshalb gewann Kemal Pir jemanden nach kürzester Zeit für die Organisation. Das war auch in den Gefängnissen der Fall. In Kızılcahamam, Ulubey, Adana, Riha und Amed.

Wo Kemal Pir war, war die Revolution

Wenn der Faschismus des 12. September6 im Gefängnis von Amed durch revolutionären Geist und widerständige Haltung besiegt wurde, war dafür Kemal Pirs Persönlichkeit sehr wichtig. Überall, wo Kemal Pir ist, entstehen revolutionäre Aktivitäten und Widerstand. Jede Sekunde, jede Stunde, jeder Tag ohne Kampf ist für Kemal Pir Folter. So war der Geist von Kemal Pir für diesen großen Widerstand gegen die Unterdrückung im Gefängnis von Amed sehr bedeutend. Ohne Zweifel waren die Führungspersönlichkeit von Hayri und die militanten Persönlichkeiten von Akif und Ali, die ihre Körper gegen die Unterdrückung in Fackeln verwandelten, und ihre Verbundenheit sehr wichtig für das Wachsen des großen Widerstands im Gefängnis von Amed. Doch Kemal Pirs Platz ist ein ganz anderer. Er ist ein charismatischer Anführer. Er sammelt die Menschen um sich, organisiert und mobilisiert sie. In diesem Sinne hat er dem Widerstand vom 14. Juli seinen eigenen Charakter und Geist verliehen.

Die generelle Führung des Gefängniswiderstands hatte natürlich Hayri. Deshalb soll Kemal Pir im Gefängnis auf die Frage nach seinen Ideen gesagt haben: »Was der Doktor sagt, soll geschehen.« Auch er hatte großes Vertrauen in die Führungskraft, die Analysefähigkeit und das Verantwortungsgefühl von Hayri. Aber für das Entstehen des Widerstands vom 14. Juli und dessen großen Erfolg hat Kemal Pir ohne Zweifel eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Ohne ihn ist der 14. Juli, der Gefängniswiderstand nicht vorstellbar. Es ist sehr bedauerlich, dass Kemal Pir ins Gefängnis kam. Mit ihm draußen hätte sich unser Kampf ganz anders entwickelt. Insbesondere die Armeewerdung der Guerilla hätte einen anderen Charakter gewinnen können. Sehr große Erfolge und Siege hätten erzielt werden können. Denn Kemal Pir hätte eine Person wie ein ganzes Bataillon kämpfen lassen, ein Bataillon wie eine Armee. Ein Bataillon unter dem Kommando Kemal Pirs hätte den Feind überrumpelt. Vielleicht hat unserem Guerillakampf die Persönlichkeit und Führung von Kemal Pir am meisten gefehlt. Mit seinem revolutionären Elan, seiner militanten Haltung und seinem Kommando wäre die Freiheitsbewegung unter Führung des Vorsitzenden von Erfolg zu Erfolg geschritten. Manche Fähigkeiten lassen sich nicht durch Lesen aneignen, können nicht von jedem entwickelt werden. Manche haben historische Bedeutung‚ Kemal Pir war solch ein Mensch.

Die Widerständigkeit Kemal Pirs bedeutete Kampf und absoluten Erfolg. Nichts machte er halb. Deshalb hat es ihn sehr gequält, dass das erste Todesfasten von 19817 am 45. Tag ohne positive Entwicklung abgebrochen wurde. Die Phase, in der sich Kemal Pir am schwersten tat, war die im Gefängnis von Amed ohne Widerstand. Die 12–13 Monate ohne Widerstand waren die schwerste Phase der Folter für ihn. Kemal Pir wurde nicht von den Foltermethoden im Gefängnis beeinflusst. Eine Zeit lang nicht zu kämpfen, war für ihn die größte Folter. Der Widerstand vom 14. Juli war überhaupt realisiert worden, um sich von der Folter zu befreien, um der Geschichte, dem Volk, der Partei, der Führung und der revolutionären Persönlichkeit gerecht zu werden sowie um die Verantwortung gegenüber dem Volk zu erfüllen. Deshalb sprechen wir beim Todesfasten des 14. Juli vom »großen Todesfasten«. Denn der Widerstand von Kemal Pir war groß. Er hat den Gefängniswiderstand in einen großen Widerstand verwandelt. Er hat gewährleistet, dass dieser Widerstand eine große historische Bedeutung bekam.

Der Geist des 14. Juli

Während des Todesfastens hat Kemal Pir gesagt: »Wir lieben das Leben so sehr, dass wir bereit sind, dafür zu sterben ... Wir haben zu sechst angefangen, sind 16 geworden, morgen werden wir Millionen sein.« Er hat schon vor dem Todesfasten 1982 und danach daran geglaubt, dass der Vorsitzende Apo den Kampf entwickeln und große Erfolge erzielen werde. Bis zum letzten Atemzug hat er an dieser revolutionären Begeisterung festgehalten, an seiner Verbundenheit mit dem Vorsitzenden Apo und der PKK; er war davon überzeugt, dass sein Tod den Vorsitzenden zur Intensivierung des Kampfes motivieren werde. Als der Vorsitzende Apo Kemal Pir zu seiner »geheimen Seele« erklärt hatte, hat Kemal Pir den Geist und Charakter des Vorsitzenden zu einem Teil seiner eigenen Persönlichkeit gemacht. Deshalb konnte er, obwohl er von der Außenwelt abgeschnitten war und nichts von der Partei hörte, davon überzeugt sein, dass der Vorsitzende diesen Kampf entwickeln und zum Erfolg bringen werde. Den Widerstand des 14. Juli hat er in dieser Überzeugung begonnen und bis zum letzten Atemzug mit der großen Moral dieser Überzeugung fortgesetzt.

Wenn wir heute die kurdische Freiheitsbewegung mit dem Paradigma des Vorsitzenden zum Erfolg führen wollen, müssen wir Kemal Pir richtig verstehen. Die Revolution in Kurdistan können wir nur auf die Art und Weise Kemal Pirs zum Sieg führen. Deshalb hat der Vorsitzende den Geist des 14. Juli als Wesen der PKK definiert, als Art und Weise der Revolution Kurdistans. Ohne auch unter den schwierigsten Bedingungen zu kämpfen, kann der Freiheitskampf in Kurdistan nicht zum Sieg geführt werden.

Die Träume von Kemal Pir werden wahr

Die Revolution in Kurdistan kann nicht ohne die Revolution in der Türkei und im Mittleren Osten realisiert werden. Im Dritten Weltkrieg weitet sich die Revolution Kurdistans auf die Türkei aus. Weil Kemal Pir in der Revolution Kurdi­stans die Demokratisierung und Freiheit der Türkei sah, ist er Genosse des Vorsitzenden geworden und war der Erste, der nach Kurdistan eilte, um den revolutionären Kampf zu entwickeln. Heute werden die Träume von Kemal Pir wahr. Die Revolution Kurdistans wird zur Revolution in der Türkei und dem Mittleren Osten. Doch um diesen Revolutionen zum Sieg zu verhelfen, braucht es unbedingt die Militanz von Kemal Pir, seine Gefühle und Gedanken. So wie er müssen wir den Werten, dem Vorsitzenden und der Bewegung gegenüber treu bleiben, so wie er voller Überzeugung und Gewissenhaftigkeit sein, ohne eine Sekunde zu verschwenden, und jeden Moment des Lebens der Revolution Kurdistans geben.

Kemal Pir hat als Türke jeden Moment seines Lebens der Revolution Kurdistans gegeben. Ohne auch nur ein bisschen zu zögern, hat er bis zum letzten Atemzug für den Erfolg der Revolution den Kampf mit voller Intensität geführt. In diesem Sinne müssen wir als Kurden, als kurdische Gesellschaft, als PKK, als Schüler des Vorsitzenden, als Militante und Genossen den Spuren Kemal Pirs folgen. Wir müssen Kemal Pir verstehen und sein Verständnis des Kampfes praktizieren. Dann ist unser Sieg gewiss. So wird der Sieg den Völkern Kurdistans, der Türkei und des Mittleren Ostens gehören.


 Fußnoten:

1 Am 14. Juli 1982 beginnt im Gefängnis von Amed (»Hölle Nr. 5«) der Hungerstreik (»das große Todesfasten«) gegen die Haftbedingungen unter der Militärdiktatur, in dessen Verlauf Kemal Pir, Mehmet Hayri Durmuş, Akif Yılmaz und Ali Çiçek sterben.

2 Kemal Pir (1952–1982), Mitbegründer der PKK, türkischer Internationalist in der kurdischen Revolution.

3 Apoismus, Apoist, apoistisch – benannt nach Apo, dem Spitznamen Abdullah Öcalans, des Gründers der PKK und der Führungsfigur der kurdischen Freiheitsbewegung.

4 Mahir Çayan, Deniz Gezmiş, İbrahim Kaypakkaya – türkische Revolutionäre der 68er-Bewegung, die alle 1972/73 als Märtyrer ums Leben kommen und in der Folgezeit, bis heute, Identifikationsfiguren für einen großen Teil der türkischen revolutionären Linken darstellen.

5 Haki Karer (1950–1977), türkischer Revolutionär bei der kurdischen Revolution vor Gründung der PKK, neben Kemal Pir wichtige Identifikationsfigur und Märtyrer.

6 Militärputsch in der Türkei am 12.09.1980 mit nachfolgender extremer Repression; wesentliche Inhalte der 1982 von der Militärjunta initiierten »Putsch-Verfassung« sind bis heute gültig.

7 Am 14.03.1981 wird im Militärgefängnis in Amed von 14 PKK-Gefangenen der erste Hungerstreik nach dem Militärputsch von 1980 gegen die Haftbedingungen und die Folter begonnen und später von weiteren Gefangenen aufgegriffen.