AZADÎ und das Kurdische Gesellschaftszentrum München laden zur Tagung nach München

Die Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden am Beispiel von Bayern

Interview mit Monika Morres, Mitarbeiterin des Rechtshilfefonds AZADÎ e.V.

Am 23. November 2019 wird im EineWeltHaus in München eine vom Rechtshilfefonds AZADÎ e. V. und dem Kurdischen Gesellschaftszentrum München e. V. organisierte Tagung unter dem Titel »Die Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden – Abbau demokratischer Grundrechte am Beispiel von Bayern« stattfinden.

Zum Inhalt und Ziel der Tagung sprachen wir mit Monika Morres, Mitarbeiterin des Rechtshilfefonds AZADÎ e. V.

Ihr macht zusammen mit dem Kurdischen Gesellschaftszentrum München e.V. am 23. November in der bayerischen Metropole eine Tagung unter dem Titel »Die Kriminalisierung von Kurdinnen und  Kurden – Abbau demokratischer Grundrechte am Beispiel von Bayern«. Worum geht es dabei?

Die Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden am Beispiel von BayernWir haben uns schon vor längerer Zeit vorgenommen, solche Veranstaltungen gemeinsam mit kurdischen Vereinen und örtlichen Organisationen/Gruppen im Süden, Westen, Norden und Osten Deutschlands durchzuführen. Beginnen werden wir also am 23. November in München. Es geht uns darum, auf die Thematik der Kriminalisierung von Kurd*innen in Deutschland aufmerksam zu machen, aber auch darzulegen, wie tiefgreifend der Abbau demokratischer Grundrechte voranschreitet. Deshalb treten die Rote Hilfe München, das Bündnis »noPAG – NEIN! Zum Polizeiaufgabengesetz Bayern« sowie der Bayerische Flüchtlingsrat als Mitveranstalter*innen auf. Es geht uns um Aufklärung, Information, Diskussion, konkretes Handeln und Solidarität.

Seit das Bundesinnenministerium im März 2017 und Januar 2018 das Verbot von Symbolen kurdischer Organisationen ausgeweitet hat, auch auf die Kennzeichen der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Einheit PYD sowie der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ, hagelt es bundesweit Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. In der Intensität strafrechtlicher Verfolgung von Kurd*innen und von Menschen, die sich ihnen verbunden fühlen, haben sich die bayerischen Behörden an die Spitze katapultiert.

Auch das war ein Grund, die erste Tagung dieser Art in Bayern durchzuführen.


Wer nimmt an dieser Tagung als Referent*in teil ?

Wir beginnen mit einem historischen Rückblick. Am 24. Oktober 1989 begann das erste Großverfahren gegen rund 20 kurdische Aktivist*innen, das in die Geschichte als  »Düsseldorfer PKK-Prozess« eingegangen ist. Der damalige Generalbundesanwalt bezeichnete ihn als den größten Terrorismusprozess in der deutschen Justizgeschichte. In diesem Beitrag wird der politische Hintergrund beleuchtet, warum es in Deutschland zu diesem Prozess gekommen ist.

Daran wird Rechtsanwalt Heydenreich erinnern. Er gehörte damals zu dem Verteidiger*innen-Kreis.

Von der Historie geht es mit dem Münchner Rechtsanwalt Mathes Breuer in die Gegenwart. Er verteidigt zahlreiche Menschen in Verfahren wegen des Vorwurfs, angeblich verbotene Symbole gezeigt, Parolen gerufen oder im Internet Beiträge mit der Abbildung inkriminierter Kennzeichen geliket zu haben.

Warum die kurdische Bewegung hier einem umfassenden Betätigungsverbot unterliegt und welche ökonomischen, geostrategischen und politischen Interessen Deutschlands mit der Türkei dem zugrunde liegen, beleuchtet Elmar Millich in seinem Beitrag.

Der Nachmittag ist dann mehr von der Praxis geprägt. Betroffene wie der langjährige Friedensaktivist Claus Schreer oder die Filmemacherin Uli Bez sind von der Kriminalisierung betroffen und werden über ihre Erfahrungen berichten.

Es folgen Beiträge des Rechtshilfefonds AZADÎ und der ROTEN HILFE. Die beiden Organisationen stellen ihre praktische Antirepressions- und Solidaritätsarbeit vor.

Darüber, welche Gefahren für die Demokratie von immer rasanter fortschreitenden autoritären Entwicklungen ausgehen, z. B. durch das Polizeiaufgabengesetz, wird Johannes König vom Bündnis »noPAG – NEIN! Zum Polizeiaufgabengesetz Bayern« referieren.

Zum Abschluss der Tagung wollen wir gemeinsam diskutieren, wie wir uns gemeinsam gegen diese Entwicklungen organisieren können. Das gilt insbesondere jetzt, da die Kurdinnen und Kurden in Nordsyrien einem völkerrechtswidrigen Krieg des NATO-Landes Türkei ausgesetzt sind.

Wen wollt ihr mit eurer Tagung erreichen?

Das möchte ich kurz beantworten: all jene, die davon überzeugt sind, dass die Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden endlich beendet werden muss und sie ihre politischen und kulturellen Anliegen artikulieren und ihr Leben repressionsfrei hier führen können. Und jene, die Neugier und Interesse haben, sich den Kurd*innen und ihren politischen Vorstellungen anzunähern. Ich denke, hier können wir alle sehr viel von ihnen lernen.

Was ist das Ziel dieser Veranstaltung?

Eigentlich gilt auch hier das Gleiche.


Programm

Eröffnung
(10.00–10.15 Uhr)

Sitzung 1: Politisch-rechtliche Einordnung und Hintergründe der Kriminalisierung
(10.20–13.00 Uhr)

1.1 Kurzer historischer Abriss der Repression gegen Kurd*innen in der BRD
Rechtsanwalt Carl W. Heydenreich, Bonn
Die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung hat die Justiz in der BRD mitgeprägt. Vom »Düsseldorfer Prozess« und dem »Kurden-Käfig« 1988 über das PKK-Betätigungsverbot 1993 bis hin zu den »Terrorismus-Paragraphen« §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs.

1.2 Aktuelle Verfolgung der kurdischen Bewegung in Bayern
Rechtsanwalt Mathes Breuer, München
Bayern hat sich in der Vergangenheit besonders mit der Verfolgung linker Bewegungen hervorgetan. Insbesondere seit 2017 haben die Strafverfolgungsbehörden zahlreiche Verfahren wegen des Zeigens vermeintlich verbotener Symbole eingeleitet.

1.3 Deutsch-türkische Beziehungen und ihre Auswirkungen auf kurdische Exil- und Solidaritätsstrukturen
AZADÎ-Vorstandsmitglied Dr. Elmar Millich, Berlin
Welche gemeinsamen politischen Interessen Deutschlands und der Türkei drücken sich in der juristischen Verfolgung der kurdischen Bewegung in Deutschland aus?

Diskussion
(11.50–13.00 Uhr)

Mittagspause
(13.00–14.00 Uhr)

Sitzung 2: »Repression trifft Einzelne, gemeint sind wir alle!«
(14.00–15.15 Uhr)

Die Repression zielt zwar auf Bewegungen und Organisationen ab, trifft aber immer Einzelne. Was macht das mit einem? Wie kann sich dagegen gewehrt werden?
Im persönlichen Gespräch mit von Repression Betroffenen sollen die Erfahrungen und Folgen geteilt werden.
Sitzung 3: Antirepressionsarbeit und Solidarität sind unsere Antworten
(15.30–17.00 Uhr)

3.1 Konkrete Antirepressionsarbeit und Ansätze internationalistischer Solidarität in Bayern
Monika Morres, AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln
ROTE HILFE e.V., Ortsgruppe München

3.2. Autoritäre Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Polizeiaufgabengesetz (PAG) und anderen Gesetzesverschärfungen
Johannes König, Bündnis »noPAG – NEIN! Zum Polizeiaufgabengesetz Bayern«

Diskussion und Abschluss
(17.00–18.00 Uhr)

Veranstalter:

Kurdisches Gesellschaftszentrum München e.V. und AZADÎ – Rechtshilfefonds für Kurd*innen in Deutschland e.V.
Mitveranstalter*innen: Bayerischer Flüchtlingsrat, ROTE HILFE München, Bündnis »noPAG – NEIN! Zum Polizeiaufgabengesetz Bayern«


 Kurdistan Report 206 | November/Dezember 2019