Auch legale politische Aktivitäten können für Menschen ohne deutschen Pass zu gravierenden Nachteilen führen

Ausländerrecht als Mittel zur Repression

Heike Geisweid, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied im Rechtshilfeverein AZADÎ e.V.

Repression gegen politisch aktive Migrant*innen zeigt sich nicht nur in strafrechtlicher Verfolgung und Observation, sondern auch in ausländerrechtlichen Maßnahmen, wie der Beendigung des Aufenthalts, in der Versagung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder in der Verweigerung von Einbürgerungen.
Politisches Engagement in der BRD kann strafrechtlich sanktioniert werden, wenn den Betroffenen die Mitgliedschaft in einer Organisation vorgeworfen wird, die als terroristische Organisation gilt, oder ihnen vorgehalten wird, mit ihren Aktivitäten solche Organisationen zu unterstützen. Hiervon betroffen sind in der BRD seit den 80er Jahren zahlreiche Kurd*innen, denen Mitgliedschaft in oder Unterstützung der PKK vorgeworfen wird. Die strafrechtlichen Möglichkeiten wurden mit dem Vereinsverbot der PKK 1993, der Listung der PKK auf der EU-Terrorliste seit 2004 und der Anwendung von §129b StGB auf die PKK seit 2011 zunehmend ausgeweitet. Galt die PKK anfangs noch als inländische terroristische Vereinigung, wurde sie im Laufe der Jahre zur inländischen kriminellen Vereinigung und mittlerweile ebenfalls (und damit strafrechtlich deutlich einfacher abzuurteilen) zur ausländischen terroristischen Vereinigung erklärt.
Welche politischen Tätigkeiten Mitgliedschaft in, welche Unterstützung der PKK sind, interpretieren und definieren die Strafverfolgungsbehörden, Kriminalämter der Länder und des Bundes, die Ausländerbehörden und die Gerichte. Dabei wird prokurdisches Engagement immer wieder mit Tätigkeiten für die PKK gleichgesetzt. Migrationsrecht wird wie kein anderes Recht von der jeweiligen politischen Agenda beeinflusst und geprägt.
Mit der seit fast 30 Jahren quasi einzementierten Einstufung der PKK als Terrororganisation kann sodann jedes prokurdische Engagement sanktioniert werden, wenn dies gleichgesetzt wird mit Tätigkeiten für die PKK. Tatsächlich ist in der BRD aber nicht nur die PKK aktiv. Es gibt eine Vielzahl prokurdischer Organisationen und Vereine, die allenfalls Überschneidungen in ihrer politischen Analyse und ihren Forderungen mit der PKK haben.
Der politische Organisationsgrad der kurdischen Community in Deutschland ist – bedingt durch die jahrzehntelange rassistische und repressive Politik der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung und die engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der BRD und der Türkei – in beiden Ländern hoch. Zum einen ist in der Türkei die PKK seit 1978 aktiv, zum anderen existieren ebenso lange prokurdische Organisationen und Parteien, die zivilgesellschaftlich in der Türkei arbeiten. Das Spektrum politischer Organisationen spiegelt sich in den Ländern der Diaspora wider, da zahlreiche Aktivist*innen in den letzten Jahrzehnten aus der Türkei – freiwillig oder gezwungenermaßen – in die BRD migriert sind und hier weiter politisch tätig sind.
Betroffen von ausländerrechtlichen Regelungen sind all diejenigen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Dies ist innerhalb der kurdischen Community in der BRD noch der größte Teil. Kurd*innen kamen und kommen als politische Flüchtlinge, als Arbeitnehmer*innen oder im Familiennachzug nach Deutschland und leben hier mit entsprechenden Aufenthaltserlaubnissen.
Bereits die strafrechtliche Einordnung politischer Tätigkeiten ist oft schwer nachzuvollziehen – in welchem Zusammenhang ist das Schwenken einer Fahne der YPG [Volksverteidigungseinheiten; bewaffnete Kräfte in Rojava, Teil der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) in der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien] oder einer Fahne mit einem Bild von Abdullah Öcalan strafbar, wann von der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gedeckt? –, nicht weniger schwierig wird es im Bereich des Aufenthaltsrechts, denn hier wird mit Begrifflichkeiten, wie der öffentlichen Sicherheit, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) und den Interessen der BRD, die vor künftigen Beeinträchtigungen geschützt werden sollen, jongliert.
Ausweisung
Die Ausweisung (§§ 53 ff. AufenthG), die i.d.R. zur Beendigung des Aufenthalts in der BRD und einem (zeitlich begrenzten) Verbot der Wiedereinreise führt, ist das schärfste Mittel der Ausländerbehörde. Sie greift tief in die persönlichen und sozialen Lebensverhältnisse von Migrant*innen ein und wirkt für die Betroffenen oft schlimmer als eine strafrechtliche Sanktion. Dabei soll die Ausweisung gesetzessystematisch keine Sanktion für früheres Fehlverhalten sein, sondern ausschließlich künftigen Beeinträchtigungen erheblicher öffentlicher Interessen vorbeugen, es handelt sich um eine sogenannte ordnungsrechtliche Präventivmaßnahme.
Mit der Einführung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 9. Januar 2002 als Reaktion auf den 11.09.2001 und seinen ausländerrechtlichen Regelungen u. a. im Ausweisungsrecht wurde das Ausländerrecht im Bereich der Terrorismusbekämpfung zunehmend »verpolizeilicht«. Eingriffsmöglichkeiten wurden in das Vorfeld einer Gefahr verlagert. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind unscharf und das Gesetz entfernt sich seitdem mehr und mehr von einer möglichst zweifelsfreien individuellen Zurechenbarkeit. Der bei alledem tatbestandlich zugrunde gelegte Terrorismusbegriff ist vom Gesetzgeber nicht weiter definiert worden und es bleibt daher dem behördlichen Ermessensspielraum überlassen, Bestrebungen von Personen oder Organisationen als terroristisch zu qualifizieren oder nicht. Kritische Stimmen nach Einführung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes sprachen zu Recht von bedenklichen Tendenzen des ausländerrechtlichen Regelungsgehaltes des Gesetzes, die das Ausländerrecht mehr und mehr in polizeirechtlichen Kategorien denken lässt.
Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung wird nach § 53 Abs. 1 AufenthG eine Person, deren Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die Einzelfallprüfung der Abwägung des Ausreiseinteresses (§ 54 AufenthG) mit dem Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Das Bleibeinteresse besteht aufgrund des aktuellen Aufenthaltsstatus – anerkannte Flüchtlinge haben z. B. ein stärkeres Bleibeinteresse als Arbeitsmigrant*innen – und der Dauer des Aufenthalts oder der familiären Beziehungen zu Deutschen. Es wird differenziert zwischen einem besonders schwerwiegenden und einem schwerwiegenden Interesse. Im Ausweisungsinteresse wird ebenfalls differenziert zwischen besonders schwerwiegenden und schwerwiegenden Gründen. Hier geht es vor allem um strafrechtliche Verurteilungen, die je nach Tat und Höhe der Verurteilung das Ausweisungsinteresse begründen, allerdings auch um Tätigkeiten im Zusammenhang mit Gewalttätigkeiten mit politischen oder religiösen Zielen, falschen Angaben bei Sicherheitsbefragungen und – und dies betrifft vor allem politisch aktive Mitglieder der kurdischen Community – Gefahren für die fdGO oder die Sicherheit der BRD. Hiernach wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass die betroffene Person einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet oder vorbereitet hat.
Die Begründung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung einer politisch, z. B. innerhalb eines kurdischen Vereins, tätigen Person läuft seit Jahren nach immer demselben Schema ab:
Die Ausländerbehörde, im Laufe des Verfahrens bestätigt durch die Gerichte, stellt fest, dass die PKK eine terroristische Organisation sei, da sie auf der EU- und US-Terrorliste stehe, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen habe und die von ihr ausgerufenen Waffenruhen stets wieder beendet worden seien. Zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele verübe sie weiterhin Gewalttaten gegen Amtsträger sowie die Zivilbevölkerung und schrecke zwecks Finanzierung ihrer Aktivitäten auch nicht vor der Entführung von Kindern zurück. Damit sei sie eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung. Wer dieser angehört (hat) oder diese unterstützt (hat), gefährde damit die fdGO oder die Sicherheit der BRD (so die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, zuletzt mit Urteil vom 27.07.2017 – BVerwG 1 C 28.16).
Dass die PKK nicht zwangsläufig als terroristische Organisation bewertet werden muss, zeigt die Entscheidung des Brüsseler Berufungsgerichtshofs vom 08.03.2019 – 2019/939 –, der feststellt, dass es sich bei der PKK um eine bewaffnete Kraft in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt in der Türkei handele. Insbesondere seien Dauer und Intensität des Konflikts sowie der Organisationsgrad der Konfliktparteien derart, dass die PKK als Streitkraft anerkannt werden müsse.
Die PKK sei eine stark organisierte Vereinigung mit einer großen Anzahl Mitglieder, die über eigene zentrale und lokale Kommunikationsstrukturen und sogar über eine als militärische Einheit strukturierte Abteilung verfüge und auch militärische Zielsetzungen verfolge, weshalb es ernsthafte Hinweise darauf gebe, dass die PKK/HPG [Volksverteidigungskräfte; Guerilla der PKK] Handlungen ausgeführt habe, die unter die Definition der terroristischen Straftaten fallen könnten. Da aber nahezu jede Handlung einer Streitkraft während eines bewaffneten Konflikts die materiellen Elemente einer terroristischen Straftat enthalte, käme eine Anwendung der Terrorismusgesetzgebung in Fällen, die das internationale humanitäre Recht regele, gerade nicht in Betracht. Aufgrund dessen könne die PKK/HPG für diese Taten nicht als terroristische Gruppierung verfolgt werden. Dasselbe gelte deshalb auch für das Ausführen jeglicher Aktivität oder das Ausüben irgendeiner Führungsfunktion innerhalb dieser Gruppierung, auch wenn diese Aktivitäten von belgischem Hoheitsgebiet aus begangen worden sein sollten.
Zurück zur bundesdeutschen Rechtspraxis. Nach der Feststellung der PKK als terroristische Organisation werden Verbindungen des kurdischen Vereins zur PKK dargelegt wie die, der fragliche kurdische Verein habe eine PKK-Nähe, was schon aus der Mitgliedschaft dieses Vereins in der »Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.« (YEK-KOM, 2014 umbenannt in NAV-DEM), dem Dachverband PKK-naher örtlicher Vereine, folge.
Die weiteren Erkenntnisse stammen dann zumeist aus Sicherheitsanfragen bei den Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten. Mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2002 wurden zugleich Speicherung und Abfrage personenbezogener und nachrichtendienstlicher Erkenntnisse sowie die Möglichkeit deren Anfrage durch die Ausländerbehörden im Rahmen sogenannter Sicherheitsanfragen (§ 73 Abs. 2 und 3 AufenthG) eingeführt. Neben Verurteilungen – die den Ausländerbehörden i.d.R. aber bereits unmittelbar von den Staatsanwaltschaften übermittelt werden – geht es vor allem um Verfassungsschutzerkenntnisse über politische Aktivitäten einer Person. Die Qualität derartiger gesammelter Informationen und von deren Interpretation der Nachrichtendienste ist jedenfalls im Zusammenhang mit unterstellten PKK-Aktivitäten zumeist bedenklich. Aus Teilnahmen an legalen Demonstrationen werden PKK-Versammlungen gemacht, Vorstandssitzungen und organisatorische Versammlungen in kurdischen Vereinen werden zu Kadertreffen der PKK etc.
Im Rahmen der Ausweisung werden z. B. kontinuierliche Tätigkeiten des Vereins für die PKK in Form von Demonstrationen und Treffen zwecks der Verehrung Öcalans, des Gedenkens an Märtyrer sowie der Begehung von PKK-Jahrestagen festgestellt, die die Voraussetzungen von den Terrorismus unterstützenden Handlungen im Sinne des Ausweisungsinteresses erfüllten. Nachweise seien u. a. betriebene Sympathiewerbung (Personenkult um Abdullah Öcalan, PKK-Symbole als Wanddekoration in den Räumlichkeiten des Vereins).
Die von der Ausweisung betroffenen Personen unterstützen sodann individuell die PKK in rechtserheblicher Weise, wenn sie im Vorstand des Vereins aktiv waren oder sind oder aktive Mitglieder eines solchen kurdischen Vereins waren oder sind und z. B. regelmäßig an Vereinsveranstaltungen teilnehmen würden, bei denen Lob und psychische Unterstützung für das Handeln der PKK einen wesentlichen Teil des Zwecks ausmachten, oder in Kommissionen des Vereins aktiv seien. Dies seien rechtserhebliche Unterstützungshandlungen.
Dass der Verein und die Veranstaltungen nicht verboten gewesen seien, sei unerheblich. Vielmehr erfasse die Vorschrift schon die Vorfeldunterstützung des Terrorismus, ohne dass diese bereits mit einer solchen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verbunden sein muss, die ein versammlungs- bzw. vereinsrechtliches Einschreiten rechtfertigt. Es sei auch nicht erforderlich, dass von den Unterstützungshandlungen eine konkrete aktuelle Gefährdung der inneren Sicherheit ausgehen müsse. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützerbegriffs reiche vielmehr die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos aus, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten ausgeht.
Damit werden fortbestehende Mitgliedschaften in dem so als PKK-nahe definierten Verein mit regelmäßigen Besuchen der Vereinsräumlichkeiten zu Unterstützungshandlungen, weil sie die potenzielle Gefährlichkeit des die PKK unterstützenden Vereins festigten und deren Gefährdungspotenzial stärkten, indem Mitglieder durch Zahlung ihrer Vereinsbeiträge und ihre regelmäßige Anwesenheit das Zusammengehörigkeitsgefühl der Organisation stärken würden.
Die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, erfasse alle Verhaltensweisen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirken. Darunter könne die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen könne eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet sei, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch den Ausweisungstatbestand Gefährdung der fdGO oder der Sicherheit der BRD missbilligten Ziele zu entfalten.
Für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung gelte ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasse und keine von der Person ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordere. Der Unterstützerbegriff sei weit auszulegen und anzuwenden, um damit auch der völkerrechtlich begründeten Zwecksetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Maßgeblich sei, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beitrage und deshalb selbst potenziell als gefährlich erscheine.
Nur Handlungen, die auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende – etwa humanitäre oder politische – Ziele der Vereinigung gerichtet seien, würden im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht erfüllen.
Eine Unterstützung sei auch gewollt und zurechenbar, d. h. erfülle den subjektiven Unterstützertatbestand, wenn für den Ausländer das Bestreben oder die bezweckende Zielrichtung des Vereins erkennbar gewesen sei. Auf eine über diese Erkennbarkeit hinausgehende innere Einstellung des Ausländers komme es nicht an. Ein Ausweisungsinteresse besteht nur dann nicht mehr, wenn »der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt«.
Damit könnte jedes engagierte politische prokurdische Handeln in – jedenfalls NAV-DEM angehörenden – kurdischen Vereinen zur Ausweisung führen. Tatsächlich tut es dies nicht, da eine Ausweisung auf Initiative der zuständigen Ausländerbehörde verfügt wird und nicht jede Ausländerbehörde entsprechend gegen Aktivist*innen vorgeht. Ausländerbehörden wiederum handeln entsprechend der jeweiligen politischen Agenda von Bund, Land oder Kommune.
Sind die Betroffenen als Asylberechtigte oder Flüchtlinge anerkannt, können sie zwar ausgewiesen, aber nicht abgeschoben werden. Aber auch hier bietet das Aufenthaltsgesetz hinreichend Maßnahmen, denen in der BRD jedenfalls wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung Verurteilte unterworfen werden. Sie können und werden i.d.R. mit verschiedenen Überwachungsmaßnahmen (§§ 56 ff. AufenthG) überzogen, wie z. B. Meldeauflagen, Beschränkungen des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde, Verpflichtungen zur Wohnsitznahme an bestimmten Orten, Verboten der Kontaktaufnahme zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe oder elektronischer Aufenthaltsüberwachung.
Nichterteilung und Nichtverlängerung des Aufenthaltstitels
Auch der Antrag auf Erneuerung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels kann zur Prüfung von Sicherheitsbedenken und zur Feststellung von Versagungsgründen führen.
Wieder greifen Ausländerbehörden auf Sicherheitsanfragen zurück, die in der Regel vor Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG erfolgen, also wenn es um eine Aufenthaltsverfestigung geht. Ein Aufenthaltstitel wird dann nicht erteilt bzw. verlängert, wenn ein Ausweisungsinteresse wegen Gefährdung der fdGO oder der Sicherheit der BRD besteht (oder eine Abschiebungsanordnung aus ebendiesen Gründen erlassen wurde).
Verweigerung der Einbürgerung
Die Einbürgerung ist (nach § 11 StAG) ausgeschlossen, wenn »tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind ... es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat oder ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse besteht«. Auch hier beruhen die Erkenntnisse der Einbürgerungsbehörde zumeist auf den bereits mehrfach erwähnten Sicherheitsanfragen.
Die Subsumtion ähnelt der bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Ausweisung. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen verfolgen nach Ansicht der Gerichte Bestrebungen im vorgenannten Sinne. Wenn nun tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass gegen die Sicherheit des Bundes gerichtete und durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange Deutschlands gefährdende Bestrebungen unterstützt wurden, scheidet eine Einbürgerung aus.
Unterstützen ist nach ständiger Rechtsprechung jede Handlung des Ausländers/der Ausländerin, die für Bestrebungen gegen die fdGO oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes objektiv vorteilhaft ist, d. h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer/die Ausländerin erkennbar sein. Er/sie muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen. Dazu zählen etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von derartigen Bestrebungen, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele.
Wie im Aufenthaltsgesetz führt der Ausschlussgrund der Unterstützung von derartigen Bestrebungen zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes. Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht.
Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Damit soll – so der Gesetzgeber in BT-Drs 14/533 S. 18 f. und für die Rechtsprechung exemplarisch Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2.12.2009 – 5 C 24/08 – nach dem Willen des Gesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können. Auch passive Teilnahmen an PKK-Veranstaltungen können geeignet sein, eine dauerhafte Identifikation des Einbürgerungsbewerbers mit den Bestrebungen i.S.d. genannten Ausschlussgrundes zu indizieren, wenn diese Teilnahmen regelmäßig stattgefunden haben.
Solange die derzeitige Rechtslage, Behördenpraxis und Rechtsprechung aber so sind, wie sie sind, schwebt über politisch aktiven Kurd*innen ohne deutschen Pass sowohl die Gefahr der Nichtverlängerung des Aufenthalts, der Ausweisung als auch die Verweigerung der Einbürgerung – ein Damoklesschwert. Umso mehr gilt es, die Einordnung der PKK als Terrororganisation und die Gleichsetzung jeglichen prokurdischen Engagements als PKK-Unterstützung politisch und juristisch zu bekämpfen.


 Kurdistan Report 216 | Juli/August 2021