Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

In den Sommermonaten wütete weltweit das Feuer, nach Dürreperioden und Hitzewellen sind starke Waldbrände ausgebrochen. Nicht nur im Süden Europas und der Türkei, auch im Amazonasgebiet und im südlichen Zentralafrika standen weite Landstriche in Flammen, und die Brände dominierten eine ganze Weile die internationale Tagesordnung. In diesem Jahr loderten auch in Nord- und in Südkurdistan verheerende Brände, die tausende Hektar Wald und Anbaufläche verschlungen haben. Insbesondere seitdem die türkische Regierung im Jahr 2015 die Friedensges

 Zerbombte Klinik in Şengal

Zerbombte Klinik in Şengal

präche mit der PKK einseitig abbrach, lässt sie die Wälder in den kurdischen Gebieten wieder systematisch niederbrennen. Während die Feuerstürme weltweit vor allem auch als ein Ergebnis des Klimawandels gelten, sind sie in Kurdistan ein Teil der Aufstandsbekämpfung. Die türkische Regierung vernichtet im Rahmen des mittlerweile seit über vierzig Jahren andauernden Krieges systematisch die Umwelt in Kurdistan. Um der Guerilla Rückzugsräume zu nehmen und die Bevölkerung zu vertreiben, werden systematisch Waldgebiete in Brand gesteckt. Die Brandbekämpfungsmaßnahmen der lokalen Bevölkerung werden von staatlicher Seite verhindert, militärische Operationsgebiete regelrecht in Brand geschossen. Die seit dem 24. April andauernde Besetzungsoperation des türkischen Staates in den Regionen Avaşîn, Zap und Metîna in Südkurdistan ist dafür beispielhaft. Seit Beginn dieser Invasion hat die türkische Armee über 84 Brände in Kurdistan gelegt. Diese Taktik beschränkt sich nicht nur auf den Süden. In Amed, Dersim und Şirnex sind bereits riesige Waldgebiete abgebrannt. In Besta, Cûdî, Behdînan, Heftanîn und Metîna finden seit Monaten Rodungen statt. Allein in der Besta-Region werden täglich hunderte Tonnen Holz geschlagen.

Neben diesem Ökozid dauern auch die genozidalen Angriffe des türkischen Staates auf die Kurdinnen und Kurden weiter an. Während die Êzîdinnen und Êzîden der Gefallenen des Genozids von 2014 gedachten, wurde der Monat August auch in diesem Jahr wieder zu einer Zeit des Massakers. Am 16. August wurden der Kommandant der êzîdischen Widerstandseinheiten YBŞ, Seîd Hesen, und der YBŞ-Kämpfer Îsa Xwedêda auf dem alten Markt in Şengal durch einen türkischen Drohnenangriff getötet. Nur einen Tag später kamen bei einem türkischen Luftangriff auf ein Krankenhaus in Şengal acht Menschen ums Leben. Die Attacken auf Krankenhäuser und Zivilbevölkerung stellen Kriegsverbrechen dar und reihen sich als neues Glied in die Kette des Völkermords in Şengal ein.

Angesichts dieser flächendeckenden Angriffe der Türkei ist der einzige Weg für die kurdische Gesellschaft, ihre Existenz gegen die imperialistische und koloniale Politik zu verteidigen, sich zu organisieren. Ohne Selbstermächtigung, Selbstorganisation und Selbstverteidigung wird es nicht möglich sein, ein freies Leben aufzubauen und zu gewährleisten, und der Kriegspolitik in Kurdistan muss gleichzeitig durch internationale Solidarität Einhalt geboten werden.

Eure Redaktion


 Kurdistan Report 217 | September/Oktober 2021