Frauenkonferenz:

Unsere Revolution: Das Leben befreien

2. Konferenz, 5.‒6. November 2022, Berlin, organisiert von: Network Woman Weaving the Future


Frauenkonferenz: Unsere Revolution: Das Leben befreienDie letzten Jahre haben uns wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, im Kampf und im Widerstand gegen die Systeme zu sein, welche uns Ausbeutung, Elend und Tod auferlegen. Wie wir während der Covid-19-Pandemie gesehen haben, vertieft das patriarchale und kapitalistische System mit Hilfe des Staates seine Methoden, um beispielsweise FLINTA*s, Arbeiter*innen, indigenen Communities und marginalisierten Menschen ihr Recht auf Leben zu nehmen.

Heute sind wir weltweit mit Krieg, Besatzung, Gewalt, mit Feminiziden, Genoziden und Ökoziden konfrontiert. Obwohl das kapitalistische Patriarchat behauptet, dass es ,,keine Alternative” zu dieser Welt der Ausbeutung und Ungerechtigkeit gibt, verliert dieses System an Legitimität. Das zeigen uns feministische Kämpfe weltweit. Auch die feministische Revolution im Iran kämpft mit der Parole des neuen Zeitalters: JIN JIYAN AZADÎ – FRAUEN LEBEN FREIHEIT! Diese Parole ist der Schlüssel zur Entschlossenheit, frei leben zu wollen. Sie ist ein Ausdruck dafür, eine neue Verbindung zwischen der Frau, der Gesellschaft und dem Leben herzustellen.

Wir müssen Wege, Methoden und Perspektiven schaffen, die den Bedingungen, Qualitäten und Bedürfnissen unserer Zeit gerecht werden. Gegen die ständigen Angriffe des patriarchalen Systems müssen wir ein dauerhaftes Netzwerk des Widerstands knüpfen und aktive Subjekte der dringlichen Kämpfe unserer Zeit werden.

Im Oktober 2018 auf der Internationalen Frauenkonferenz haben wir das erste Mal unsere Idee eines demokratischen Weltfrauenkonföderalismus vorgeschlagen: die Vereinigung der globalen Frauenkämpfe. Nur durch dauerhafte Organisierung können wir unseren Kampf gegen antidemokratische und herrschaftliche Systeme in eine Freiheit umwandeln. Wir müssen lernen, gemeinsame Ziele und Einstellungen zu erarbeiten, Trennungen zu überwinden und gemeinsame Kampfstrategien festzulegen, um unsere Proteste in organisierte und langfristige Kämpfe umzuwandeln.

Mit unserer zweiten Konferenz wollen wir die Richtung voranschreiten, die diesen Weg ebnet. Vom Inhalt bis zur Tagesordnung, von den technischen Aspekten bis hin zu den Teilnehmerinnen, wollen wir, dass alle Vorbereitungen für unsere zweite Konferenz im Geiste der Frauenkollektivität und -solidarität stattfinden.

Programm

TAG 1

Eröffnung

Session I: Der Dritte Weltkrieg, die Zerschlagung der Immunität der Staaten und der männlichen Dominanz

Was sind die Folgen des Dritten Weltkriegs, der Gewalt der Nationalstaaten über Grenzen hinweg und der vielen Kriege, Besetzungen, ökologischen Krisen und Pandemien im Zeitalter der Frauenrevolution? Zwei gegensätzliche Fronten sind entstanden: der Krieg des patriarchalischen Systems gegen Frauen und der antisystemische Widerstand der Frauen. Das dominante System setzt seine physischen Angriffe fort, während es neue Methoden und Strategien entwickelt, um die Widerstandsfront der Frauen zu untergraben. Es zielt darauf ab, den Hauptwiderspruch des 21. Jahrhunderts unsichtbar zu machen. Was kann in Zeiten von Krisen und Kriegen an der Frauenfront getan werden?

Staatliche Gewalt gegenüber Gesellschaft und Frauen – seine Peitsche, der dominante Mann

Die Politik des patriarchalischen Systems zielt darauf ab, den Kampf der Frauen in den systemischen Reformismus einzubeziehen (z. B. durch Fokussierung auf den Zugang zu gesetzlichen Rechten). Wie können wir eine alternative Kampflinie dagegen weben? Wie wirkte sich die Pandemie, die das patriarchalische System nutzte, um eine Politik des Gesellschaftsmords umzusetzen, auf den Kampf der Frauen aus? Dieser Prozess vertiefte nicht nur bestehende Kontroll- und Machtmechanismen, sondern ebnete auch den Weg für mehr Gewalt gegen Frauen. Inwieweit hat dieser Prozess die jüngsten Errungenschaften beeinflusst? Wie kann der Frauenkampf, der das 21. Jahrhundert prägen wird, aus dieser Krise herauskommen? Wie in Afghanistan, der Ukraine-Russland, Libyen, Aserbaidschan-Armenien und den Kriegen in Kurdistan und weltweit zu sehen ist, hält der Wunsch der imperialistischen Mächte nach Macht an, auch durch »heiße« Kriege und Besetzungen. Wie wirken sich diese Kriege auf Frauen aus? Wie wirken sich Migration und demografischer Wandel auf die kulturelle, soziale und wirtschaftliche Existenz von Frauen aus? Können Frauen einen dritten Weg gegen die Kriegspolitik bauen? Können das Streben nach Frieden und Antikriegskämpfe das Kalkül des Staatssystems untergraben?

Ökozid: Die Unterordnung und Kolonisierung der Natur sowie die rücksichtslose Aneignung und Ausbeutung von Ressourcen

Kämpfe gegen die ökologische Zerstörung des patriarchalisch-kapitalistischen Systems bestimmen den Charakter unserer heutigen Zeit. Die ökologische Krise ist als drängendste globale Krise auf die Agenda der Menschheit getreten. Diese Krise, die direkt mit dem Kapitalismus zusammenhängt, produziert ständig Gewalt gegen Frauen. Die Befreiung der Frau und die Erholung unseres Planeten aus diesem katastrophalen Zustand sind verflochtene Kämpfe. Wie kann man auf die Idee aufmerksam machen, dass der Kampf gegen die ökologische Krise ein grundlegendes Prinzip des Kampfes gegen das patriarchalische System sein sollte? Wie widerstehen Frauen den lebensbedrohlichen Praktiken multinationaler Konzerne und neuen Formen des Kolonialismus in verschiedenen Regionen der Welt?

Sichtbarmachung unsichtbarer Arbeit: Das Überleben des Systems basiert auf unbezahlter und niedrigbezahlter Frauenarbeit

Die staatliche, klassenbasierte Zivilisation, die erste Ausbeutung der Arbeitskraft, wurde auf den Körpern und Schöpfungen der Frauen aufgebaut. Im kapitalistischen Stadium dieser Zivilisation wird die Arbeit der Frauen noch tiefer ausgebeutet und noch unsichtbarer gemacht. Aus diesem Grund ist der Klassenkampf ein weiterer Bereich, der ebenso wichtig ist wie die politischen Kämpfe der Frauen gegen Rassismus, Krieg und Kolonialismus. Wie können wir eine Kampfperspektive schaffen, die es schafft, diese Realität der Frauen zu überwinden, deren Arbeit auf dem »kapitalistischen Markt« auf das niedrigste Niveau reduziert wird, die dazu verdammt sind, unter den schlimmsten Bedingungen zu arbeiten, die die ersten sind, die entlassen werden und dessen Hausarbeit unsichtbar gemacht wird? Ist es möglich, den Klassenkampf auf der Achse der Frauenbefreiung zu führen, um die Grundlage der kapitalistischen Ausbeutung zu beseitigen? Was sind unsere ideologischen Grundlagen für diese Perspektive? Inwieweit hat die Präsenz von Frauen in Klassenkämpfen diese Perspektive entwickelt?

Session II: Workshops

Wir brauchen eine Widerstandsfront gegen erzwungene Migration und für das Recht der Menschen, dort zu leben, wo sie wollen – eine, die den Schutz und die Befreiung des eigenen Landes fördert, anstatt sich nur auf die Probleme der Frauen zu konzentrieren, die sich aus der Migration ergeben. Wie können wir einen Widerstand organisieren, der die notwendige Solidarität zeigt, um den auftretenden Bedürfnissen gerecht zu werden?

Wie können wir sicherstellen, dass bestehende politische, kulturelle und wirtschaftliche Bewegungen, Organisationen und Institutionen (sowohl staatlich orientierte als auch außerhalb des staatlichen Systems) Inhalte haben, die sich auf die Freiheit der Frau konzentrieren?
Was können wir im Gesundheitsbereich tun? Die Gesundheit ist einer der Bereiche, in denen das Patriarchat dominiert, indem es die Kreationen der Frauen beschlagnahmt, ignoriert oder aneignet. Wie können wir ein alternatives Verständnis und eine alternative Medizin entwickeln, die nicht dem kapitalistischen Profitstreben dient, sondern gesellschaftlich bedarfsgerecht organisiert werden kann?

Was braucht es für ein alternatives Wirtschaftsverständnis, das die exzessive Profitgier des Kapitalismus eindämmen kann? Wir haben in kleinem Maßstab weltweit und außerhalb des kapitalistischen Marktes alternative Wirtschaftserfahrungen entwickelt. Welchen Weg sollten wir gehen, um sie zu organisieren?

Wie sollte die Perspektive der Frauen sein, wenn sie sich dem ökologischen Kampf nähern? Wie können wir einen ökologischen Kampf entwickeln, der die Freiheit der Gesellschaft und der Geschlechter einschließt?

Frauen spielen häufig die Rolle von Kultur- und Sprachträgerinnen. Sie bewahren das Gedächtnis der Menschheit. Was kann gegen die Hegemonie bestimmter Sprachen im Kapitalismus getan werden, um lokale Sprachen wiederzubeleben, die die Spuren moralischer und politischer Gemeinschaftswerte tragen?

Frauen im Kampf gegen Rassismus, Nationalismus und Faschismus; die Notwendigkeit einer antifaschistischen Frauenfront.

Bildung. Um den Kampf der Frauen zu führen, muss man xwebun sein, eine Lebensphilosophie und Selbsterkenntnis. Sie zielt auf die radikale Ablehnung aller Normen und Kodizes, die Frauen auferlegt werden. Eines der wichtigsten Instrumente, um dies zu erreichen, besteht darin, dass Frauen ihre eigenen Selbstbildungssysteme aufbauen. Wie haben die Experimente, Methoden und alternativen Pädagogiken, die von Frauen in verschiedenen Teilen der Welt entwickelt wurden, zum Kampf der Frauen beigetragen?

Abend: Konzert

TAG 2

Session III: Werden: Das Leben, von dem wir träumen, wird nicht durch Wunder, sondern durch Revolution erreicht

Der Kampf gegen die Kolonialisierung der Frau ist der Schlüssel zur Bestimmung des Charakters unserer Zeit. Diese Perspektive ist ideologisch zentral für unseren Kampf. Die praktischen Ergebnisse zeigen, dass wir nur mit einem starken ideologischen und intellektuellen Kampf das facettenreiche und vielfältige Abschlachten von Frauen durch das patriarchalische System stoppen können.

Die Überwindung der durch patriarchalische Mentalität geschaffenen Fragmentierung: Klasse, Nationalismus, Fundamentalismus

Was bedeutet es, geistige Kraft unabhängig von den Denkstrukturen des männerdominierten Systems zu schaffen, um das System im mentalen Bereich zu besiegen? Haben die intellektuellen und theoretischen Kritiken und Ablehnungen, die von Frauen gegen das patriarchalische System entwickelt wurden, es geschafft, das System nicht zu reproduzieren? Warum ist es wichtig, ein alternatives Paradigma zu entwickeln? Welche Rolle spielt die Ideologie in den Kämpfen der Frauen? Eine Opposition ohne ideologische Grundlage läuft Gefahr, den Kämpfen der Frauen ihre Essenz zu entziehen und sie in das System zu integrieren. Ist es für Frauen möglich, eine integrative und ganzheitliche ideologische Perspektive zu schaffen, im Gegensatz zu den verflochtenen Strategien und ideologischen Angriffen der männlichen Vorherrschaft?

Feminismus – Die Rebellion der ältesten Kolonie und darüber hinaus

Welchen Platz und welchen Beitrag hat der Feminismus zum Kampf der Frauen in Vergangenheit und Gegenwart? Was sind die Ursachen für die Hemmnisse des Feminismus? Wie kann Feminismus eine antisystemische Haltung einnehmen?

Soziologie der Freiheit und Jineolojî

Der Aufbau einer starken Verbindung zwischen revolutionärer Organisierung und den Sozialwissenschaften ist ein Schlüsselaspekt des Kampfes von Frauen gegen Verzerrung, Manipulation und ideologische Angriffe. Eine intellektuelle Suche auf der Grundlage eines alternativen Paradigmas kann die von der Frauenwiderstandsfront angehäuften Werte in die Grundlage der Revolution verwandeln. Welche Rolle wird Jineolojî bei der Transformation der Werte, Erfahrungen und Kenntnisse spielen, die sich von der weiblichen in die soziale Kultur ausbreiten? Was sind die Ergebnisse philosophischer Erkundungen, die ein freies Leben und eine freie Identität im Existenzkampf der Frauen hervorbringen werden? Wie trägt die Philosophie von Hevjiyana Azad (kurd. für freies Zusammenleben) zur Bildung dieser Identitäten bei?

Session IV: Unsere Vision: Ein befreites Leben

Wie man lebt, was man tut und wo man anfängt

Was sind unsere Antworten auf diese Fragen: Wie sollen wir leben? Was sollen wir machen? Wo sollen wir anfangen? Den dominanten Mann töten und gemeinsam ein freies Leben aufbauen: Was meinen wir damit, Männer aus dem Griff des Patriarchats zu befreien? Was meinen wir damit, Machtverhältnisse auf der Grundlage von Geschlecht zu befreien und Frauen und Männer durch die Transzendierung von Geschlecht zu definieren? Was sind die Bausteine, die eine Lebensphilosophie und die sozialen Beziehungen verändern und transformieren wird?

Organisieren!

Autonome Organisationen sind das wichtigste Instrument, um die Energie, den Kampf und den Widerstand von Frauen gegen das Patriarchat zu verteidigen. Wie kann ein Frauenorganisationsstil entwickelt werden, der alle gesellschaftlichen Sektoren und Unterscheidungen umfasst, einschließlich ethnischer, kultureller, religiöser und Klassenwidersprüche?

Das Leben verteidigen: Nein zum Krieg, Ja zur Selbstverteidigung

In nationalen und Klassenbefreiungskämpfen, im Widerstand gegen Faschismus und Rassismus, im Alltag von Frauen ist Selbstverteidigung eines der wichtigsten Werkzeuge zum Sturz des von Männern dominierten Systems. Was unterscheidet Selbstverteidigung von Militarismus? Was ist der soziale Ausdruck der Selbstverteidigung, der durch die Ethik und Ästhetik der Frau entwickelt wurde? Wie sollten wir vorgehen, um ein intellektuelles und praktisch ganzheitliches Selbstverteidigungsmodell zu realisieren?

Session V: Unseren Weg finden

Jin Jiyan Azadî: Wieso eine transnationale Frauenorganisierung? Was ist der Vorschlag, für einen demokratischen Weltfrauenkonföderalismus?

Was muss getan werden, um das Bewusstsein der Frauen für die ideologischen Angriffe des Systems zu schärfen? Ist die Debatte über Ideologien, die Frauen spalten und ihre Sichtbarkeit behindern, ein Hindernis für unseren praktischen Fortschritt? Wie kann eine Einheit von Prinzipien formuliert werden, die alle Arten von Frauenkämpfen ermutigt, sich auf das Hauptziel zu konzentrieren: nämlich die Zerstörung der facettenreichen, maskierten und miteinander verflochtenen Politik, Praktiken und Angriffe des Patriarchats?
Inwiefern wirken sich unterschiedliche ideologische Perspektiven auf Frauenbündnisse aus? Was wird unser wichtigster Ausgangspunkt bei der Festlegung gemeinsamer Grundsätze sein? Welcher Weg sollte beschritten werden, um Strukturen aufzubauen, die nicht hierarchisch, etatistisch oder zentralisiert sind, und nachhaltige Partnerschaften schaffen?

In diesem Abschnitt werden wir die Fragen stellen: Wie können sich alle Kämpfe für die Befreiung der Frau um grundlegende Ziele vereinen? Wie sollen sie aufgebaut sein? Wie können sie sich so entwickeln, dass sie einen Frauenkonföderalismus etablieren, der nicht auf der Hegemonie oder Dominanz einer Gruppe basiert? Hier wollen wir konkretisieren, wie wir uns gemeinsam den weltdemokratischen Konföderalismus der Frauen vorstellen. In dieser Sitzung können alle Teilnehmerinnen der Konferenz ihre Gedanken und Perspektiven zu diesem Thema austauschen.

Praktische Informationen

Datum: 5.‒6. November 2022 (Registrierung am 4. Nachmittags)

Beginn: 9:00 Uhr

Ort: Technische Universität Berlin, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin

Simultanübersetzung in folgende Sprachen: Kurdisch, Englisch, Deutsch, Türkisch, Arabisch, Italienisch, Spanisch und Französisch.

Unterkunft: Die Unterbringung erfolgt bei solidarischen kurdischen Familien und Freundinnen für maximal drei Nächte. Außerdem haben wir in günstigen Hotels Zimmer vorreserviert.

Anmeldung: Bitte meldet euch bis zum 10. Oktober 2022 unter der Mail-Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. an. Teilt uns dabei mit, von wo ihr anreisen werdet, wann ihr ankommt, ob und für wie viele Nächte ihr Unterkunft und ob ihr Kinderbetreuung braucht.
Weitere und aktuelle Informationen zu Programm und ­Organisatorischem findet ihr auf der Homepage http://womenweavingfuture.org

 


 Kurdistan Report 224 | November/Dezember 2022