Editorial

Liebe Leser:innen,

Kurdistan Report 219 | Januar/Februar 2022 das Jahr 2022 beginnt in Kurdistan im Lichte des Widerstandes. Die türkische Armee hat größte Schwierigkeiten, sich in den Bergen Südkurdistans gegen die Guerillakräfte zu halten. Das Erdoğan-Regime kann mit seiner Kriegspolitik keine »positiven« Schlagzeilen für das nationalistische Klientel im eigenen Land liefern, um von den hausgemachten Problemen im Inland abzulenken. In den letzten Monaten des vergangenen Jahres wurde nochmal heftig die Kriegstrommel in Ankara gewirbelt und eine mögliche weitere Militärintervention der türkischen Armee in Rojava/Nordsyrien stand im Raum. Doch dazu kam es nicht. Die zunehmende außenpolitische Isolation der Türkei, gepaart mit den ökonomischen Schwierigkeiten im Inland, engen den Handlungsspielraum der türkischen Regierung zunehmend ein, so dass das Jahr 2022 das letzte Jahr des AKP-Regimes werden könnte …

Selbstverständlich darf diese Erkenntnis uns nicht zu einer passiven Erwartungshaltung verführen. Die AKP ist angeschlagen, aber das macht sie umso gefährlicher und aggressiver. Der Drohnenterror gegen die Bevölkerung von Rojava und Şengal hat in den letzten Monaten zugenommen. So wurde erst am 7. Dezember der Ko-Vorsitzende des Exekutivausschusses im Autonomierat von Şengal, Merwan Bedel, gezielt in seinem Auto in Xanesor ermordet; zwei seiner Kinder konnten nur durch das schnelle und beherzte Eingreifen von Menschen auf der Straße aus dem brennenden Auto gerettet werden.

Und auch die Repression gegen demokratische Kräfte im Inland reißt nicht ab. Besonders zu erwähnen ist dabei die Situation für die politischen Gefangenen. Folter und Misshandlungen in Polizei- und Militärhaft sowie in den Gefängnissen sind weiterhin alltägliche Praxis und damit weiterhin eines der größten Menschenrechtsprobleme des Landes.

Auch wenn das AKP-Regime taumelt, wird es nicht freiwillig von der Macht abtreten. Zu groß ist die Furcht der Herrschenden, nach ihrem Machtverlust für ihre Verbrechen belangt zu werden. Nur der aktive Widerstand in Kurdi­stan und auf den Straßen der Türkei kann den Niedergang der AKP besiegeln. Und hierfür bedarf es eines starken Bündnisses der demokratischen und anti­faschistischen Kräfte in der Türkei, in Kurdistan und dem Mittleren Osten.

Wie ein starkes Bündnis aussehen kann, zeigen auch die Proteste und Aktionen gegen die Kriminalisierung der PKK in Deutschland, Europa und der Welt. Die Demonstration gegen das PKK-Verbot im vergangenen November in Berlin war der Auftakt für eine ganze Reihe von Aktionen. Aktuell hat die Initiative »Justice for Kurds« den Startschuss einer Kampagne für die Streichung der PKK von der Terrorliste gegeben. Über 1000 Personen des öffentlichen Lebens aus der gesamten Welt haben den Aufruf der Kampagne unterzeichnet. »Im Interesse von Frieden, Freiheit, Demokratie, Stabilität und Menschenrechten fordern wir die sofortige Streichung der PKK von der Liste«, heißt es darin. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Lasst uns deshalb diese Kampagne, die uns durch das Jahr 2022 begleiten wird, gemeinsam tragen und groß machen.

Wir wünschen Euch einen guten Start in ein widerständiges Jahr 2022!

Eure Redaktion


 Kurdistan Report 219 | Januar/Februar 2022