Es besteht weiterhin akute Gefahr für Rojava

Nur auf die eigene Kraft, die Einheit und die Solidarität ist Verlass

Nûjiyan Adar und Mustafa Çoban, Qamişlo


Der türkische Staat hat von Anfang an versucht, die Revolution von Rojava zu vernichten. Die akute Gefahr für die Region besteht weiter fort und ist gerade vor den Wahlen in der Türkei größer denn je.
Bei diesem Text handelt es sich um ein mehrteiliges Dossier, das auf ANF News vom 30.1. bis 4.2.2023 veröffentlicht wurde; wir haben es leicht gekürzt und überarbeitet.

Der türkische Staat ist einer der entscheidenden Faktoren dafür gewesen, dass sich der Aufstand gegen das Assad-Regime in Syrien zu einem Massaker und einem blutigen Krieg entwickelte. Während der türkische Staat seine neoosmanischen Interessen in Syrien verfolgte, machte vor allem die Revolution von Rojava vom 19. Juli 2012 einen Strich durch seine Rechnung. Seitdem setzt der türkische Staat alles ein, um diese Revolution zu vernichten. Als ersten Schritt wurden Gruppen wie al-Qaida in Syrien – Jabhat al Nusra – und andere Dschihadistenbanden zusammen mit kurdischen Kollaborateuren aus der Türkei nach Rojava geschleust, um die Revolution zu ersticken. Doch der Widerstand in Serêkaniyê (Ras al-Ain) war zu groß. Daraufhin begann der türkische Staat, den Islamischen Staat (IS) zu stärken und gleichzeitig ein Söldnerbündnis, die sogenannte »Syrische Nationalarmee« (SNA), ins Leben zu rufen. Bei der SNA handelte es sich um ein Konglomerat aus rechtsextremen und dschihadistischen Gruppen wie Ahrar al-Sham, Faylaq al-Sham und anderen Al-Qaida-Ablegern, Proxys der Muslimbruderschaft oder der Grauen Wölfe. Als dies auch keinen Erfolg hatte, griff die türkische Armee am 24. August 2016 selbst ein.

Der Angriff begann mit al-Nusra

Der erste Angriff von al-Nusra richtete sich gegen die selbstverwalteten Stadtviertel Şêxmeqsûd und Eşrefîye in Aleppo. Vom 25. bis 26. Oktober 2012 wurden mindestens 30 Kurd:innen ermordet. Zwischen dem 27. und dem 30. Oktober begannen Angriffe auf Dörfer bei Efrîn. Eine Woche später startete ein Angriff auf Serêkaniyê. Dabei drangen die Al-Nusra-Dschihadisten am 8. November 2012 über die türkische Grenze in Kaniya Xezalan (tr. Ceylanpınar) nach Serêkaniyê vor. Die türkische Armee hatte ihnen und kurdischen Kollaborateuren aus dem Umfeld der südkurdischen PDK [»Demokratische Partei Kurdistans«; geführt vom dem Barzanî-Clan] die Grenze geöffnet. Das Konglomerat aus dschihadistischen Terrorgruppen und türkeitreuen Kollaborateuren verkündete eine Allianz gegen das Regime und versuchte so, die arabische Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen. Gleichzeitig wurde in den besetzten Gebieten in Serêkaniyê ein Schreckensregime nach IS-Manier errichtet. Am 19. November folgte ein Angriff auf die kurdischen Stadtteile. Dabei wurde der Vorsitzende des Volksrats von Serêkaniyê, Ebid Xelîl, in einem Hinterhalt ermordet. Eine kleine Einheit von Kämpfer:innen der YPG [Volksbefreiungseinheiten] befreite im Januar 2013 Schritt für Schritt die von Verstärkung abgeschnittene Stadt. In den Verwaltungsgebäuden der Dschihadisten wurden Dokumente sichergestellt, welche die Zusammenarbeit mit der Türkei und ISIS belegten. Al-Nusra wurde international als Terrororganisation eingestuft und benannte sich am 28. Juli 2016 in »Jabhat Fatah al-Sham« und später dann in Hayat Tahrir al-Sham (HTS) um, um sich ein neues Image zu geben.

Der Angriff des IS

Als al-Nusra nicht erfolgreich war, trat 2014 der IS auf den Plan. Nach der Besetzung von Mossul und dem Massaker von Şengal richtete der hochgerüstete selbsternannte »Islamische Staat« seine ganze Energie auf die selbstverwalteten Gebiete in Nord- und Ostsyrien. So sollten die Selbstverwaltung und das alternative Gesellschaftsmodell vernichtet und ein direkter Korridor zum IS-Hauptunterstützer Türkei geschaffen werden. Dem IS gelang es, weite Gebiete bis zur türkischen Grenze zu erobern. Über die türkische Grenze konnte der IS Öl verkaufen, Dschihadisten zur Behandlung in türkische Krankenhäuser schicken und Söldner aus der ganzen Welt in Empfang nehmen. Ein kontinuierlicher Strom an Waffen und Söldnern aus der Türkei über Städte wie Girê Spî (Tall Abyad) und Minbic stellte die Lebensader des IS dar. Nach der Eroberung von Raqqa und Tabqa startete der IS in der Nacht vom 14. auf den 15. September einen Großangriff auf Kobanê. Die Verteidigungskräfte von Rojava und die Menschen in der Region stellten sich dem brutalen Angriff mit leichten Waffen und größter Opferbereitschaft entgegen und konnten die Islamisten mithilfe einer Welle von internationaler Solidarität zurückschlagen und die erste Niederlage des IS einleiten. Hatten USA und EU Kobanê bereits abgeschrieben, so waren sie aufgrund der internationalen Aufmerksamkeit zum Eingreifen gezwungen. Die Hauptlast der Kämpfe trugen jedoch weiterhin die Verteidigungskräfte, und sie setzten ihren Kampf von Minbic über Tabqa und Raqqa bis nach al-Bagouz zur vollständigen Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS fort.

Der türkische Staat hält bis heute am IS fest, um seine Interessen in der Region durchzusetzen. Enge türkische Verbindungen zeigten sich beim Anschlag am 27. Juli 2016 auf das Xerbî-Viertel in Qamişlo, bei dem 62 Menschen ermordet und 176 verletzt wurden, als ein mit Sprengstoff beladener LKW explodierte.

Die türkische Armee greift selbst ein

Als der türkische Staat erkannte, dass er seine Ziele nicht durch Söldnergruppen erreichen konnte, setzte er seine eigene Armee ein. Unter dem Namen »Operation Euphrat-Schild« drang sie am 24. August 2016 in die syrischen Städte Azaz, Bab und Cerablus ein. Azaz und Cerablus wurden kampflos vom IS an die türkische Armee übergeben. So sollte einer Befreiung der Region zuvorgekommen werden. Im Jahr 2017 startete der türkische Staat einen Invasionsangriff auf Idlib und errichtete dort ein Protektorat unter der Herrschaft von Hayat Tahrir al-Sham (HTS).

Am 20. Januar 2018 begann dann mit der »Operation Olivenzweig« die Eroberung und Besetzung von Efrîn. Der türkische Staat griff mit 72 Kampfflugzeugen an und verübte schwerste Massaker an der Zivilbevölkerung. Infolge dieser Angriffe, bei denen unzählige Menschen massakriert wurden, wurde Efrîn am 18. März 2018 fast vollständig besetzt, und mehr als 300 000 Einwohner:innen mussten vor dem Terror von Armee und Söldnern in umliegende Regionen fliehen. Seitdem herrscht in Efrîn ein Regime der Vertreibung und des Besatzungsterrorismus.

Am 9. Oktober 2019 fiel die türkische Armee in Serêkaniyê und Girê Spî ein und besetzte die Regionen. Bei der Besetzung wurden unter anderem auch Phosphorbomben gegen Zivilist:innen eingesetzt. Seitdem herrscht dort ein ähnliches Terrorregime wie in Efrîn. Efrîn, Idlib, Serêkaniyê und Girê Spî sind zu Rückzugsorten für den IS geworden.

»Feuerpause« als Komplott gegen Rojava

Während die Invasionsangriffe auf Serêkaniyê und Girê Spî weitergingen, wurde die Region mit einem »Waffenstillstandsabkommen« zwischen den USA und der Türkei am 17. Oktober 2019 und zwischen Russland und der Türkei am 22. Oktober 2019 den Söldnern überlassen. Der türkische Staat setzte unter dem Vorwand von angeblichen Verletzungen der Waffenruhe durch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) seine Angriffe unter dem Credo der »Grenzsicherung« fort. Seitdem hageln zehntausende Granaten aus den besetzten Gebieten auf die Städte und Dörfer im Umfeld. Dabei wurden viele Zivilist:innen getötet. Doch Russland und die USA betreiben seit fast vier Jahren eine Politik des Wegschauens und ermutigen damit die Türkei zu immer massiveren Angriffen.

Neue Invasionsdrohungen

Die AKP/MHP-Regierung droht permanent, den ganzen Norden Syriens anzugreifen und zu besetzen. So hat sie am 1. Juni 2022 Kobanê, Minbic und Til Rifat ins Visier genommen. Der türkische Regimechef Erdoğan erklärte: »Wir treten in die neue Phase unseres Planes ein, eine 30 Kilometer tiefe Sicherheitszone entlang unserer Südgrenzen zu schaffen. Wir befreien Til Rifat und Minbic von Terroristen.«

Mazlum Abdi, Generalkommandant der QSD, erklärte in seiner ersten Stellungnahme zu den neuen Invasionsdrohungen und Angriffsplänen des türkischen Staates: »Seit zwei Jahren will Erdoğan seine innenpolitische Zwickmühle aufbrechen, indem er die Region angreift. Wenn er die verschiedenen Kräfte überzeugen und die Infrastruktur für die Angriffe schaffen kann, wird die Türkei angreifen. Wir haben uns seit langem auf diesen Krieg und die Selbstverteidigung vorbereitet. Nach den Ereignissen in Serêkaniyê und Girê Spî bereiten wir uns auf Widerstand vor. Die Menschen werden mit uns Widerstand leisten. Es wird ein harter Krieg werden. Ich glaube nicht, dass die Türkei gewinnen wird. Wir sind dafür, alle Probleme im Dialog zu lösen, aber wenn es zu einem Angriff kommt, werden wir uns wehren.«

Der Demokratische Syrienrat (MSD), die QSD und die Selbstverwaltung hielten am 11. Juni 2022 angesichts der Invasionsdrohungen eine außerordentliche Sitzung ab und bekräftigten, dass man aus den Erfahrungen von Efrîn, Girê Spî und Serêkaniyê gelernt habe und entsprechend Widerstand leisten werde.

Die bedrohten Gebiete

Aktuell sind primär Kobanê, Minbic und Til Rifat von einer Invasion bedroht. Diese Gebiete sollen die Brückenköpfe für weitere Attacken bilden.

Kobanê: Die Einwohnerzahl der Stadt, die 30 Kilometer westlich des Euphrat und 150 Kilometer von Aleppo entfernt liegt, beträgt 300 000. Kobanê hat eine Fläche von 3.003 Quadratkilometern und besteht aus der Stadt, den fünf Kreisstädten Sirîn, Qinê, Şêran und Çelebî sowie 366 Dörfern. In der Stadt, die zu 90 Prozent von Kurd:innen bewohnt wird, leben auch Armenier:innen und Araber:innen. Die Stadt, deren Sicherheit vom Militärrat und den Kräften der inneren Sicherheit gewährleistet wird, ist ein wichtiges Zentrum für die Organisation der Selbstverwaltung der Euphrat-Region. Die Einwohner:innen von Kobanê sind angesichts des Widerstands, der gegen die IS-Invasion geleistet wurde, nicht bereit, die Stadt aufzugeben. Neben den militärischen Organisationen nimmt die Bevölkerung auch ihre eigenen Verteidigungsaufgaben im Rahmen der Gesellschaftlichen Verteidigungskräfte (HPC) wahr. Die HPC stehen unter der Kontrolle der Basisräte. An den Grenzen von Kobanê sind auch syrische Regimesoldaten stationiert, von denen im Falle einer Invasion jedoch wenig zu erwarten ist.

Minbic: Die Stadt liegt an der syrischen Ost-West-Achse M4, 25 Kilometer vom Euphrat und 75 Kilometer von Aleppo entfernt. Es ist eine Region, in der Araber:innen, Tscherkess:innen, Turkmen:innen und Kurd:innen zusammenleben. Minbic wurde am 15. August 2016 aus den Händen des IS befreit. Damit wurde die Route nach Efrîn freigemacht. Die Stadt gilt als Tor zum selbstverwalteten Kanton Şehba und ist von entscheidender politischer und strategischer Bedeutung. Der Militärrat und die Kräfte der inneren Sicherheit sorgen für die Sicherheit in der Stadt. Minbic ist eine der Regionen, in denen das Modell der pluralistischen demokratischen Nation am klarsten sichtbar wird. So hatte die Türkei immer wieder vergebens versucht, turkmenische Bevölkerungsgruppen gegen die Selbstverwaltung aufzuhetzen. Auch Russland und die Regierung von Damaskus unterhalten Militärstützpunkte in der Stadt.

Til Rifat: Til Rifat grenzt an Aleppo und bildet gewissermaßen die Verteidigungslinie vor Aleppo. Diese kleine Region, die aus etwa 80 Dörfern und Weilern besteht, 65 Kilometer lang und 10 bis 15 Kilometer breit ist, ist für Aleppo von strategischer Bedeutung. Die von mit dem türkischen Staat verbundenen Söldnern besetzte Region wurde am 16. Februar 2016 unter der Führung der QSD-Mitgliedsgruppe Jabhat al-Akrad befreit. In der Region befinden sich viele Binnenflüchtlinge aus Efrîn. Russland, Iran und Damaskus unterhalten dort Militärstützpunkte.

Welche Ziele werden darüber hinaus verfolgt?

Die drei Zielregionen bilden Brückenköpfe. Hinzu kommt, dass vermutlich auch von den bereits besetzten Gebieten aus weitere Eroberungen folgen sollen. So befinden sich die Gebiete um Ain Issa und Girê Spî, Til Temir, Zirgan und Dirbêsiyê schon lange im türkischen Fokus. Es wird auch prognostiziert, dass das Gebiet von Tirbêspiyê bei Qamişlo bis zur Stadt Dêrik an der Grenze zu Süd- und Nordkurdistan ebenfalls Ziel möglicher Invasionsangriffe sein könnte.

Taksim-Anschlag als Trigger-Szenario

Der Taksim-Anschlag am 13. November 2022 scheint Teil der Angriffsstrategie gewesen zu sein und sollte eine Invasion in der Region legitimieren. Es wurde sofort die absurde Behauptung gestreut, YPG und YPJ (Frauenverteidigungseinheiten) seien dafür verantwortlich und der Anschlag sei in Kobanê geplant worden. Solche Provokationen sind nicht unüblich. So hatte der Geheimdienstchef Hakan Fidan schon 2014 in einem Gespräch in Regierungskreisen zu einem Vorwand eines Angriffs auf Rojava erklärt: »Schauen Sie, General, ich schicke vier Männer auf die andere Seite und lasse sie acht Stück (gemeint sind Granaten oder Raketen) auf ein leeres Feld schießen. Das ist kein Problem. Ein Vorwand lässt sich konstruieren.« Und solche Provokationen wurden immer wieder versucht. Offenbar war der Taksim-Anschlag jedoch ein derartig durchsichtiges Manöver, dass die türkische Regierung damit auch bei ihren Verbündeten nicht vollständig durchkam.

Die Angriffe am 19. und 20. November

Der türkische Staat bombardierte als vermeintliche Vergeltung für den Anschlag am Taksim-Platz in der Nacht vom 19. auf den 20. November die Regionen Şehba, Kobanê, Zirgan und Dêrik im Norden Syriens durch Kampfflugzeuge und bewaffnete Drohnen. Dabei wurden vor allem zivile Strukturen wie ein COVID19-Krankenhaus, Schulen, Wohngebiete, Infrastruktur und Dienstleistungseinrichtungen getroffen. Der zehntägige Angriff, bei dem 13 Zivilist:innen getötet und 14 Zivilist:innen, darunter drei Kinder, verletzt wurden, wurde groß als »Zeit der Abrechnung« propagiert. Für die angekündigte Bodenoperation fehlt dem türkischen Staat bis heute das grüne Licht. Diese Situation kann sich jedoch im Angesicht der internationalen Verwerfungen jederzeit ändern und es besteht weiterhin akute Gefahr.

Das revolutionäre Rojava und die Autonomie­region Nordostsyrien sind ­Gegenstand ständiger Angriffe der Türkei und Verhandlungen internationaler ­Mächte. Dass es der Türkei nicht um Grenz­sicherheit geht, ist hinreichend belegt.

Die Kurd:innen und andere Völker in Rojava haben sich nach der Revolution vom 19. Juli 2012 als Ergebnis der Suche nach einer volksnahen und demokratischen Regierung, die sich auf ihre eigene Kraft stützt, mit dem Projekt der Demokratischen Nation neu organisiert,. Diese Organisationsform, die als Föderation von Nordsyrien begann, wurde mit zunehmender Erfahrung immer stärker. Die Autonomieverwaltung in Form von Kantonen wurde am 20. Januar 2014 in Cizîrê, am 27. Januar in Kobanê und am 29. Januar in Efrîn ausgerufen. Mit der Befreiung der vom IS besetzten Gebiete wurde am 6. September 2018 die Autonomieverwaltung Nordostsyrien deklariert. Die autonome Region umfasst die Regionen Cizîrê, Euphrat und Efrîn sowie die lokalen Verwaltungen von Raqqa, Tabqa, Minbic und Deir ez-Zor.

Ein neues Verwaltungsmodell

Die Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES), das derzeitige Modell der Regierungsführung in Nordostsyrien, ist ein demokratisches System, das die Rechte aller in der Region lebenden Menschen verteidigt und durch einen Gesellschaftsvertrag geregelt wird. Der Architekt dieses Projekts, das ein neues Regierungsmodell für den Nahen Osten und sogar für die Welt darstellt, ist Abdullah Öcalan. Seine Ansichten über demokratische Autonomie gehen auf das Jahr 1994 zurück. Anfang der 2000er Jahre verwies Öcalan auf dieses Modell als Lösung für die bestehenden Probleme. Er definierte das Modell, das eine demokratische, politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung auf tiefster und höchster Ebene bewirken sollte, wie folgt: »Wenn die demokratische Nation die Seele ist, ist die demokratische Autonomie der Körper. Die demokratische Autonomie ist die Verkörperung des Aufbaus der demokratischen Nation. Sie ist seine konkret verkörperte Form.«

Unterschiedslose Gleichberechtigung

Die dezentralisierte Verwaltung in Nordostsyrien macht keinen Unterschied zwischen ethnischen Strukturen und Glaubensrichtungen und verfügt über einen gemeinsamen Mechanismus, der von kurdischen, arabischen, assyrischen, armenischen, tscherkessischen und turkmenischen Vertreter:innen getragen wird. Während Frauen unter dem syrischen Regime in keiner Weise beteiligt waren, sind sie heute im Rahmen des Projekts der genderparitätischen Doppelspitze in allen Gremien der Verwaltung gleichberechtigt vertreten.

Organisierung in Ausschüssen

Die Selbstverwaltung organisiert sich in Fachausschüssen für Wirtschaft und Agrarökonomie, Bildung, Inneres, Soziales, Lokales, Finanzen, Kultur und Kunst, Gesundheit, Frauen und Diplomatie. Das Projekt der demokratischen Nation und die Doppelspitze gelten auch für die Ausschüsse.

Büros in vielen Ländern

Die AANES ist zu einem wichtigen Beispiel für den Nahen Osten und die ganze Welt geworden und gibt Hoffnung für die Zukunft Syriens. Mitglieder revolutionärer Organisationen und Bewegungen aus verschiedenen Teilen der Welt kommen immer wieder in die Region, um sich dieses Modell aus der Nähe anzusehen. Die Autonomieverwaltung unterhält offizielle Vertretungen in der Schweiz, in Belgien, Deutschland, Frankreich und der Kurdistan-Region Irak (KRI) sowie Büros in vielen anderen Ländern. Darüber hinaus sind regionale Organisationen wie der Demokratische Syrienrat (MSD), die [Partei der Demokratischen Einheit] PYD und der Frauenverband Kongra Star in vielen Ländern aktiv, um eine Anerkennung der autonomen Verwaltung zu erreichen.

Praktische Anerkennung reicht nicht aus

Das Parlament von Südkurdistan hat die Autonome Verwaltung von Nordostsyrien 2014 anerkannt, Katalonien folgte 2021. Eine offizielle Anerkennung der AANES durch Staaten ist trotz des erfolgreichen Kampfes gegen den IS bis heute nicht gegeben. Obwohl sie de facto von allen anerkannt wird, ermutigt die offizielle Nichtanerkennung auch die Angriffe des türkischen Staates auf die Region.

Vorwand der Grenzsicherheit

Das revolutionäre Rojava und die Autonomieregion Nordostsyrien sind Gegenstand ständiger Angriffe der Türkei und Verhandlungen internationaler Mächte. Da es sich um ein demokratisch-libertäres Modell handelt, wird es von den Hegemonialmächten abgelehnt. Weil der türkische Staat das weiß, kann er bei internationalen Verhandlungen leicht Drohungen aussprechen. Die türkische Regierung führt bei ihren Angriffen und Drohungen gegen die Region stets den Vorwand der »Grenzsicherheit« an.

Im Rahmen des »Grenzsicherheitsabkommens«, das am 7. August 2019 zwischen den USA, den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und der Türkei geschlossen wurde, haben sich die YPG/YPJ von der Grenzlinie zurückgezogen und ihre Stellungen am 24. August den lokalen Militärräten übergeben. Der türkische Staat beharrte weiter auf seiner Besatzung und startete am 9. Oktober 2019 einen Invasionsangriff unter dem Namen »Friedensfrühling« mit Schwerpunkt in Serêkaniyê und Girê Spî. Bei den Luftangriffen am 19. und 20. November 2022 wurden unter anderem die siebzig Kilometer von der türkisch-syrischen Grenze gelegene Region Mekmen in Deir ez-Zor und Camp Hol in achtzig Kilometer Entfernung bombardiert. All das hat gezeigt, dass das eigentliche Problem nicht die »Grenzsicherheit« ist.

Schon ein Blick auf die Rechtsverletzungen in den vom türkischen Staat und seinen Proxys besetzten Regionen Idlib, Azaz, Cerablus, Bab, Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî zeigt, welche Auswirkungen die Besetzung weiterer Gebiete in Nordsyrien haben würde.

In diesem Teil unseres Dossiers befassen wir uns mit dem demografischen Wandel, der Folter, den Übergriffen auf Frauen und Kinder, der Zerstörung der Natur und der düsteren Zukunft, die die Besatzung für die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien verspricht.

Was geschieht in den besetzten Gebieten?

Kanton Efrîn: Seit fünf Jahren werden in dem vom türkischen Staat und den von ihm gesteuerten Banden besetzten Efrîn zahlreiche Verbrechen begangen, die von Massakern, Vergewaltigungen, Folter bis hin zum Organhandel reichen. In fünf Jahren wurden 663 Menschen zu Tode gefoltert, 8644 Menschen entführt, die kurdischen Namen von Dörfern und anderen Siedlungen sowie von Dutzenden geplünderten historischen Stätten geändert und die Natur der Region zerstört. Seit 2018 wurden zwölf Hektar Gärten und Wälder von den Besatzern niedergebrannt. 367 000 Bäume wurden gefällt. Über 13 500 Bäume wurden verbrannt. In den Siedlungen von mehr als 300 000 Einwohner:innen, die aufgrund der Politik des demografischen Wandels zur Abwanderung gezwungen waren, wurden Bandenmitglieder verschiedener Nationalitäten und ihre Familien aus vielen Regionen bis hin nach Turkmenistan angesiedelt. Die Region Efrîn, die einst als die sicherste Region in Syrien bezeichnet wurde und in der vor den Gräueltaten in Idlib und aus anderen Gebieten geflohene Menschen lebten, wird nun vom türkischen Staat als Pilotgebiet für die Ausbreitung von Terrorismus genutzt. Die türkische Armee hat mehr als 50 Besatzungsstützpunkte in den Bezirken Cindirês, Şiyê, Raco, Mabeta, Şera und Şêrawa im Kanton Efrîn und im Stadtzentrum errichtet. Von diesen Stützpunkten aus werden ständig Gebiete bombardiert, die nicht besetzt sind und von Geflüchteten bewohnt werden.

Serêkaniyê und Girê Spî: In der seit 2019 besetzten Region um Serêkaniyê und Girê Spî sieht es nicht anders aus. Mehr als 400 000 Menschen mussten nach Beginn der Invasion am 9. Oktober 2019 emigrieren. Diese Zahl stieg sogar noch weiter an, als die Verbrechen des türkischen Staates und seiner Banden zunahmen. In einer Erklärung des Migrationskomitees von Serêkaniyê vom 8. Oktober 2022 heißt es: »185 Menschen wurden entführt. 325 Menschen wurden gefoltert. Mindestens fünf Menschen wurden unter Folter ermordet. 92 Gefangene, von denen 48 zu Haftstrafen zwischen 13 Jahren und lebenslänglich verurteilt worden waren, wurden in die Türkei überstellt. Elf Menschen wurden hingerichtet, 56 weitere Menschen ermordet.«

In Serêkaniyê kam es seit der Besetzung zu über siebzig Explosionen, bei denen 145 Zivilist:innen, darunter auch Kinder, ihr Leben verloren. Mehr als 300 Menschen wurden verletzt.

Andere Regionen: Auch in den besetzten Regionen Idlib, Azaz, Bab und Cerablus kommt es zu schweren Rechtsverletzungen. Die Besatzungszonen werden vom türkischen Staat als Ausbildungs- und Aufmarschgebiete für Gruppen wie IS und al-Qaida genutzt und dienen als Rekrutierungsbecken für Söldner, die von der Türkei im Mittleren Osten und in Nordafrika eingesetzt werden. Im Jahr 2020 wurden in den Medien zahlreiche Dokumente über die nach Berg-Karabach und ­Libyen entsandten Söldnergruppen veröffentlicht.

Verstöße gegen Frauen und Kinder

In den besetzten Gebieten werden zahlreiche Verbrechen wie Folter, Zwangsrekrutierung und Vergewaltigung von Frauen und Kindern begangen. Viele internationale Organisationen haben Berichte über die in der Region verübten Verbrechen veröffentlicht. Die ägyptische Rechtsorganisation Mait berichtete über Verbrechen gegen Kinder im März 2021, dass 1316 Minderjährige von der Türkei als Söldner rekrutiert wurden.

Efrîn: In Efrîn wurden innerhalb von fünf Jahren 96 Frauen zu Tode gefoltert. Hunderte von Frauen wurden von Banden entführt, vergewaltigt und gefoltert. Kinder werden in extremistischer islamischer Ideologie ausgebildet und zwangsrekrutiert.
Serêkaniyê und Girê Spî: In der Erklärung des Migrationskomitees von Serêkaniyê vom 8. Oktober 2022 heißt es, dass seit der Besetzung 511 Menschen, darunter 68 Frauen und 42 Kinder, verhaftet und elf Frauen ermordet wurden. Zudem liegen Dokumente über die Kriegsausbildung von Kindern unter 18 Jahren durch die türkische Armee in Schulen in Serêkaniyê und Girê Spî vor. Die militärische Ausbildung dient dem vorgeschobenen Zweck der angeblichen Minenräumung.
Andere Regionen: In den Medien wurden Dokumente veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die dem türkischen Staat angeschlossenen Banden Kinder in anderen besetzten Regionen Syriens zwangsrekrutiert haben. Das Efrîn Activists Network stellte Dokumente zur Verfügung, aus denen hervorgeht, dass die Miliz Jabhat al-Shami Minderjährige rekrutiert hat.

Demografischer Wandel

Efrîn: Während der fünfjährigen Besatzungszeit gehörte die Politik des forcierten demografischen Wandels in Efrîn zu den am häufigsten begangenen Verbrechen. Söldner und ihre Familien wurden in Orten angesiedelt, aus denen die Einwohner:innen von Efrîn vertrieben wurden. Die Namen von Städten, Dörfern, Ortschaften und Stadtteilen wurden geändert. Bildung und die Amtssprache wurden auf Türkisch umgestellt. Überall wurden türkische Flaggen aufgehängt und viele Gebäude wurden in profitable Institutionen des türkischen Staates verwandelt.

Der Azadî-Platz im Stadtzentrum von Efrîn wurde in Atatürk-Platz umbenannt. Der Name des Avrîn-Krankenhauses, der auf Arabisch und Kurdisch geschrieben war, wurde in Türkisch geändert. Darüber hinaus werden Schilder an Geschäften und Straßen nur in türkischer Sprache beschriftet. Den Bewohner:innen der Region wurden türkische Personalausweise ausgestellt, und die Währung wurde auf Türkische Lira umgestellt. Die Schulen sind dem türkischen Bildungsministerium unterstellt.

Im Kanton Efrîn wurden historische Stätten zerstört und historische Artefakte gestohlen und in die Türkei gebracht. Nach Angaben der Direktion für historische Stätten in Efrîn wurden 59 historische Stätten zerstört und Artefakte gestohlen. Mit Unterstützung und Finanzierung der Muslimbruderschaft wurden in Efrîn mehr als 20 Kolonialhäuser gebaut und über 500 000 Angehörige von Söldnerbanden angesiedelt.

Serêkaniyê und Girê Spî: In der Erklärung des Migrationskomitees von Serêkaniyê von vergangenem Oktober heißt es: »Mehr als 85 Prozent der Einwohner:innen von Serêkaniyê konnten nicht in ihre Häuser zurückkehren, und 2500 Migrantenfamilien wurden anstelle der ursprünglichen Einwohner:innen angesiedelt. Auch 55 irakische IS-Familien wurden in beschlagnahmten Häusern in Serêkaniyê untergebracht. Nach der Besetzung wurden in den beiden besetzten Regionen mehr als 5500 Häuser und mehr als 1200 Geschäfte beschlagnahmt. Aus 55 Dörfern wurden die ursprünglichen Bewohner:innen vertrieben.«

Das Zentrum der zerstörten historischen Stätten in Serêkaniyê war Til Xelef, das auf 6000 v.u.Z. zurückgeht. Es gibt auch Hinweise darauf, dass in Serêkaniyê Ausgrabungen an Glaubensstätten wie Kirchen usw. durchgeführt wurden.
Bei Ausgrabungen mit Baggern auf dem Dehliz-Hügel im Siluk-Bezirk von Girê Spî und an weiteren Orten wurden zahlreiche historische Artefakte gestohlen.

Welche Auswirkungen würde eine weitere Invasion haben?

Am 24. August 2016 marschierte der türkische Staat unter der Bezeichnung »Operation Euphrat-Schild« in Cerablus, Bab und Azaz ein, am 20. Januar 2018 in Efrîn unter der Bezeichnung »Operation Olivenzweig« und am 9. Oktober 2019 in Serêkaniyê und Girê Spî unter der Bezeichnung »Operation Friedensfrühling«. Der von neoosmanischen Träumen beseelte türkische Staat will durch die Zerstörung des stabilen, friedlichen und sicheren Umfelds in Nord- und Ostsyrien einen terroristischen Staat schaffen, der seinen eigenen Interessen entspricht. Die obige Darstellung zeigt nur einen Bruchteil der Rechtsverletzungen in den besetzten Gebieten.

Seit dem 1. Juni droht die Türkei mit der Annexion Nord- und Ostsyriens, und wenn der türkische Staat eine weitere Region besetzt, bedeutet dies neue schwere Rechtsverletzungen. Der türkische Staat wurde für die von ihm begangenen Verbrechen bisher nicht zur Rechenschaft gezogen. Diese Ignoranz öffnet die Tür für neue Verbrechen. Die Völker Nordsyriens und Ostsyriens, die sich dessen bewusst sind, entwickeln einen Verteidigungsmechanismus, der sich auf ihre eigene Kraft stützt, um zu verhindern, dass die Ereignisse in den besetzten Gebieten auf die selbstverwalteten Regionen übergreifen.

Im ANF-Interview erläutern YPG-Sprecher Nuri Mehmud und YPJ-Sprecherin Rûksen Mihemed die Strategie gegen eine bevorstehende türkische Invasion und betonen die Bedeutung des revolutionären Volkskriegs. […] Sie äußern sich zu den aktuellen Kriegsentwicklungen und der Bedrohungslage.

Es geht nicht nur um Kobanê

Nuri Mehmud: Das faschistische AKP/MHP-Regime hat keine andere Wahl als den Krieg. Es kann keine gesunde Wirtschaft, Diplomatie und Politik für die Menschen in der Türkei entwickeln. Zu diesem Zweck terrorisiert es den Nahen Osten und europäische Länder. Die Völker in Nord- und Ostsyrien haben diesen Terror demaskiert. Kobanê ist nicht das einzige Ziel. Das Ziel ist Rojava und Nord- und Ostsyrien im Allgemeinen. Die Regimekräfte haben es auf die Völker abgesehen, die an Demokratie und ein freies Leben in Würde glauben. Wir können nicht zwischen dieser und jener Region unterscheiden. Erdoğan will vor allem Menschen, die an Freiheit glauben, vom Angesicht der Erde tilgen. Er sieht diese Menschen als eine Bedrohung für seine Regierung und sein Regime. Aus diesem Grund haben die Bedrohungen nie nachgelassen. Das AKP/MHP-Regime hat nicht aufgehört, sich sämtlicher Mittel zu bedienen, um die Völker und demokratische Institutionen und Organisationen der Türkei anzugreifen. Ein neuer Angriff wird vorbereitet. Die Angriffe haben ohnehin nie aufgehört. Flugzeuge fliegen täglich rund um die Uhr über Rojava und Nordostsyrien. Darüber hinaus zielt die Artillerie auf Kinder, verletzt und tötet sie. Das Angriffsziel ist die Zivilbevölkerung.

»Angriffsziel ist das Modell der Demokratischen Nation«

Der türkische Staat verstärkt täglich Angriffe auf die Region. Worauf zielen die Angriffe ab?

Rûksen Mihemed: Mit der täglichen Bombardierung der Region, dem gezielten Beschuss der Zivilbevölkerung und den Praktiken der psychologischen Spezialkriegsführung sollen die Einheit und die Solidarität, welche die Völker im Projekt der Demokratischen Nation geschaffen haben, beseitigt werden. Diese Kriegspolitik ist mit den täglichen Angriffen auf die Region stets präsent. Bewaffnete Drohnen greifen Zivilist:innen und führende Kommandant:innen des Kampfes gegen den IS an. Durch die Angriffe auf Kurd:innen werden alle Menschen in Nord- und Ostsyrien und ihr gemeinsamer Wille und das autonome System, das die ganze Welt inspiriert, ins Visier genommen. Die intensiven Luftangriffe auf die Region am 19. und 20. November 2022 machten erneut die Invasionsabsichten deutlich. Man will nicht nur die Region, sondern ganz Syrien zerstückeln. Die Türkei will sich bis in die arabischen Regionen ausdehnen, indem sie die Bevölkerung Syriens angreift. Die Pläne und Ziele des türkischen Staates sind weit gefasst. Mit seinen Angriffen auf die Region versucht er, seine neoosmanischen Träume zu verwirklichen. Mit der Besetzung Syriens will er auch die arabischen Regionen besetzen.

»Angriffe auf Vorreiterinnen der Frauenbewegung«

Die herrschende Mentalität, die sich an der starken Stellung der Frauen im politischen, sozialen und militärischen Bereich in Nord- und Ostsyrien und ihrer Führungsrolle in der Revolution stört, greift Frauen in der Absicht an, dadurch die Gesellschaft zu zerstören. Frauen werden angegriffen, weil sie eine wichtige Rolle bei der Bewusstwerdung und Bildung der Gesellschaft spielen. Diese Angriffe finden nicht nur in Nord- und Ostsyrien statt, sondern überall. Das Attentat auf Evîn Goyî zeigt deutlich, dass die Vorreiterinnen der Gesellschaft und diejenigen, die für eine freie Gesellschaft kämpfen, ins Visier genommen werden. Hevrîn, Hebûn, Zehra, Sosin, Jiyan und Roj und viele weitere Freundinnen, die eine führende Rolle in der Gesellschaft spielten, wurden ermordet. Das Ziel hinter diesen Angriffen war es, den Willen der Völker zu brechen, indem man ihre Führung eliminiert. Die Angriffe auf die Frauenrevolution sind ein Angriff auf die menschlichen Werte. Es ist notwendig, die Organisation, den Kampf und die Aufopferung der Frauen, die es in der Vergangenheit gab, weiterzuentwickeln und auszuweiten. Als Gesellschaft, insbesondere als Frauen, haben wir keine andere Möglichkeit als Widerstand. Wenn wir den Kampf gegen diese Politik verstärken, werden wir die Ziele des Feindes vereiteln.

»Die Gesellschaft kämpft gegen die Projekte des Faschismus in der Region«

Nuri Mehmud: Derzeit gibt es drei Projekte in Syrien. Das erste Projekt ist die Einheit der Völker, eine demokratische Organisierung, in der sich alle Identitäten ausdrücken können. Das zweite ist das Regime in Damaskus, das Russland und der Iran am Leben erhalten wollen. Das dritte Projekt ist Erdoğans Misak-ı Milli [osmanischer Nationalpakt], der osmanische Traum, der durch die Mentalität von IS, al-Qaida und Muslimbruderschaft verkörpert wird. Folglich zielen die beiden letzteren Projekte darauf ab, eigene Interessen durchzusetzen und den Krieg zu vertiefen. Das Projekt, das in Nord- und Ostsyrien durchgeführt wird, ist jedoch ein System, das auf dem Volk beruht und in dem sich die Bevölkerung selbst regiert. Das Projekt in Nord- und Ostsyrien stellt ein großes Hindernis für die beiden anderen Projekte dar.

Die QSD, YPG und YPJ sind Kräfte, die auf Wunsch der Gesellschaft und für den Aufbau von Demokratie, Freiheit und einem Leben in Würde gegründet wurden. Sie sind Kräfte, die die Gesellschaft und ihre Ziele verteidigen. Wenn wir an die QSD, YPG und YPJ denken, dann denken wir nicht nur an eine Kraft, sondern an die Gesellschaft. Sie sind die gesamte Gesellschaft in Nord- und Ostsyrien. Die Revolution wurde zu einem Projekt und zog die Aufmerksamkeit der Welt auf sich. Denn sie hat die Welt vor der Gefahr durch den IS bewahrt und ein neues Projekt für Syrien geschaffen. Die Regionalstaaten sind der Meinung, dass die Schaffung einer demokratischen Grundlage in Syrien Auswirkungen auf ihre eigenen Länder haben wird. Deshalb befindet sich unser Projekt im Visier und die YPG, die YPJ und die QSD werden angegriffen. Die Einheit der Identitäten, der gemeinsame Wille, die Demokratie und der Freiheitskampf in der Region sollen zerstört werden. Denn die YPG, die YPJ und die QSD sind die Verteidiger:innen dieser Politik.

»Stärkere Einheit und Solidarität sind nötig«

Wie werden Sie Ihre bisherigen Erfahrungen in die Verteidigung der Region einbringen?

Rûksen Mihemed: Die Luftangriffe am 19. und 20. November zielten auf Dienstleistungs- und Infrastruktureinrichtungen, mit denen die Gesellschaft sich versorgte. So sollten die Menschen zur Flucht gezwungen werden. Ähnlich ist es auch schon in Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî geschehen. Der Widerstand, der Wille und die Haltung der Gesellschaft haben gezeigt, dass die Menschen nicht bereit sind wegzugehen. Das System der Selbstverteidigung wurde auf der Grundlage der Erfahrungen der Vergangenheit gestärkt. Wir müssen für jeden Krieg bereit sein. Erdoğan sagt, dass Kobanê, Minbic und Til Rifat Ziele seien. Kobanê war der Anfang vom Ende des IS. Kobanê gab dem von den YPJ angeführten Kampf eine Stimme, die die ganze Welt erreichte. Der türkische Staat wollte die Stadt als globales Symbol angreifen. Mit dem Angriff auf Kobanê sollen die Errungenschaften, die Einheit und die Solidarität beseitigt werden. Der Geist des Widerstands, der sich 2014 und 2015 in der ganzen Welt verbreitete, muss sich heute noch stärker und organisierter gegen die Angriffe stellen. Der Schutz von Kobanê und seinen Errungenschaften ist heute notwendiger denn je. Während Erdoğan sagte, dass Kobanê fallen wird, hat das IS-»Kalifat« dort sein Ende gefunden. Der Widerstand dort hat Erdoğans Träume platzen lassen. Wir müssen heute eine stärkere Haltung gegenüber möglichen Invasionsangriffen einnehmen. Wir brauchen mehr Einigkeit und Solidarität, um die Errungenschaften, die wir in Nord- und Ostsyrien erreicht haben, unser Modell der Selbstverwaltung, gegen den türkischen Staat zu verteidigen.

Alle müssen das freie, demokratische Leben auf der Grundlage der Prinzipien des revolutionären Volkskriegs verteidigen. So wie der Mensch Wasser, Nahrung und Sauerstoff zum Überleben braucht, so braucht er auch die Selbstverteidigung. Es besteht dringender Bedarf. Die Selbstorganisierung wird durch Selbstverteidigung nachhaltig realisiert. Wir haben aus den Unzulänglichkeiten des Widerstands von Efrîn und im Kampf um Serêkaniyê und Girê Spî unsere Lehren gezogen und wichtige Erfahrungen gemacht. Wir haben wichtige Erfahrungen aus der Analyse der Organisierung und des Prozesses insgesamt gezogen. Es geht darum, die Gesellschaft stärker zu sensibilisieren. Der revolutionäre Volkskrieg ist die Aufgabe aller. Jedes Mitglied der Gesellschaft, insbesondere die Frauen, muss im Geiste dieser Verantwortung handeln. In den Stadtvierteln Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo haben die Menschen und die Kämpfer:innen gemeinsam so gehandelt. Wir müssen uns verteidigen, um ein freies Leben zu führen. Wo auch immer man sein mag, im Dorf, im Viertel oder in der Stadt, die Menschen brauchen Selbstverteidigung. Es ist notwendig, den Geist des revolutionären Volkskriegs in der Gesellschaft weiter zu stärken. Der Krieg wird nicht nur von militärischen Kräften geführt. Heute führen wir diesen Krieg zusammen mit unserem Volk. Wenn dieser Geist der Einheit und Solidarität stärker wird, hat der Feind keine Chance. Der Sieg wird unser sein. Nur wenn die Menschen ihre Errungenschaften schützen und für die Gefallenen eintreten, können die hier entstandene Einheit und Solidarität verstetigt werden.

Nuri Mehmud: Nach dem Sieg über den IS hat der türkische Staat sofort gehandelt. Denn das AKP/MHP-Regime ist die Quelle des IS-Terrors. Die Vernichtung des IS bedeutete das Versiegen von Erdoğans Einfluss in der Region. Aus diesem Grund ist der türkische Staat ganz offen unter eigenem Namen in Syrien eingedrungen und hat Efrîn angegriffen. Eigentlich hatten wir uns das anders vorgestellt. Unser Volk hat die Welt vor der Bedrohung durch den IS geschützt und die internationalen Mächte in der Region hätten eine solche Invasion nicht zulassen dürfen. Aber es ging um politische Interessen. Unser revolutionärer Volkskrieg und unser legitimer Verteidigungskampf waren damals nicht so stark.

Bis dahin hatten wir gegen den IS gekämpft, aber in Efrîn kämpften wir gegen eine Armee. Wir haben gegen eine mit NATO-Technologie hochgerüstete Armee gekämpft, die die Zivilbevölkerung ins Visier nahm. Wir waren mit einem Angriff konfrontiert, der sich gegen die gesamte Infrastruktur richtete, von Schulen über Krankenhäuser bis hin zu Wohnhäusern. Aus diesem Grund war unsere legitime Selbstverteidigung nicht in der Lage, gegen eine ganze Armee zu kämpfen. Andererseits waren wir überzeugt, dass internationales Recht, Moral und Gewissen unsere Revolution schützen würden. Aber die bestehenden Regierungen unterstützten Erdoğan und verfolgten ihre eigenen Interessen. Aufgrund des Bündnisses mit Erdoğan wurden Efrîn, Girê Spî und Serêkaniyê einfach fallen gelassen. Nachdem die Völker Nord- und Ostsyriens und unsere Kräfte diese Haltung der internationalen Mächte begriffen hatten, wurde klar, dass die Menschen und die Verteidigungskräfte auf eigenen Füßen stehen müssen und dass sie, solange sie sich nicht selbst organisieren, der Interessenpolitik der internationalen Staatengemeinschaft ausgesetzt sein würden.

»Wir werden die Errungenschaften verteidigen«

Wie werden Sie sich im Falle eines Angriffs verteidigen? Was sind Ihre Vorbereitungen?

Rûksen Mihemed: Wir wollen keinen Krieg, wir lieben den Krieg nicht. Aber wenn es einen Angriff auf die Existenz und die Errungenschaften unseres Volkes gibt, werden wir uns verteidigen. Als YPJ treffen wir in jeder Hinsicht Vorbereitungen. Um man selbst sein zu können, muss man sich selbst verteidigen können. Die YPJ führen gemeinsam mit den Menschen der Region, insbesondere mit den Frauen, einen ununterbrochenen Kampf. Die Grundlage dafür ist geschaffen worden. Sowohl im Kampf gegen den IS als auch im Krieg in Efrîn, Serêkaniyê und Girê Spî haben Frauen die Führung übernommen. Die Opferbereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein haben das Verständnis der Notwendigkeit der Verteidigung der Region weiter gestärkt. Die YPJ-Kämpferinnen haben sich durch militärische Ausbildung professionalisiert und befinden sich in jedem Bereich, ob militärisch oder technisch, ideologisch oder taktisch in der Weiterentwicklung und bereiten sich auf alle Eventualitäten vor.

»Etwas von anderen zu erwarten, bedeutet den Tod«

Heute werden die Vorbereitungen auf höchstem Niveau getroffen. Es wurden Erfahrungen aus dem Krieg gesammelt. So wurde eine solide Grundlage geschaffen. Wenn man die Angriffe des türkischen Staates, seine Abkommen und die Entwicklungen politisch, militärisch und ideologisch betrachtet, dann ist es notwendig, auf jeden Krieg vorbereitet zu sein. Der Wille, die Stärke und die Beharrlichkeit aller Kämpfer:innen der YPJ, der YPG und der QSD, ihr Land zu verteidigen, werden unseren Erfolg in diesem Krieg sicherstellen. Jede und jeder Einzelne in der Gesellschaft sollte in diesem Bewusstsein handeln. Um die Errungenschaften in Nord- und Ostsyrien zu schützen, werden wir den Geist der kurdischen Solidarität und Einheit fördern und verteidigen. So wird jeder Angriff zunichte gemacht. Es gibt keinen anderen Weg als Widerstand und Sieg. Die Verteidigung ist notwendig für die Existenz. Deshalb erwarten wir von niemandem und keiner Macht etwas. Wir beziehen uns nur auf unsere eigene Kraft und die Kraft unseres Volkes. Etwas von anderen zu erwarten, bedeutet den Tod. Wir werden unser Land mit unserem eigenen Widerstand und unserer eigenen Haltung verteidigen. Niemand kann unseren Willen brechen. Niemand kann uns zwingen, unser Land noch einmal zu verlassen.

Nuri Mehmud: In Rojava und Nordostsyrien sind nicht die militärischen Einheiten die wichtigste Widerstandskraft, sondern das Volk. Die Selbstverteidigung findet auf der Grundlage der gesellschaftlichen Moral und Ethik statt. Die Söhne und Töchter dieses Volkes verteidigen dieses Land. Auch in der Frage der Stellungen für den Krieg wird das Volk konsultiert und dessen Position berücksichtigt. Dementsprechend werden die Stellungen errichtet. Es ist das Volk, das Widerstand leistet. Insbesondere die QSD, die YPG, die YPJ, die sich im Rahmen der legitimen Verteidigung organisieren, haben Vorbereitungen auf höchstem Niveau getroffen.

In Nord- und Ostsyrien haben nicht nur die Verteidigungskräfte, sondern auch die Kommunen und Institutionen in der Region ein System und eine Art der Kriegsführung, die auf ihrer eigenen Kraft beruhen, entwickelt. So wie unser Volk den revolutionären Volkskrieg in Til Koçer, Til Zîro, Serêkaniyê und Şêxmeqsûd geführt und Erfolge erzielt hat, wird es auch bei den bevorstehenden Angriffen erfolgreich sein. Nach dem Erfolg des revolutionären Volkskriegs in der Schlacht um Kobanê beteiligten sich regionale und internationale Mächte am Krieg. Niemand außer dem Volk und unseren Verteidigungskräften hatte gegen den IS gekämpft und Erfolge erzielt. Aus diesem Grund herrschte nach dem Kobanê-Krieg der Eindruck, dass internationale Kräfte in die Region kamen und es keinen Grund mehr gäbe, zu kämpfen. Doch dann wurde klar, dass die internationalen Mächte, wenn es um die Türkei und das AKP/MHP-Regime geht, ihre eigenen Interessen ins Spiel bringen. In Anbetracht dieser Situation bestand das Volk auf dem revolutionären Volkskrieg. Denn die internationale Gemeinschaft hat keine Verantwortung für Rojava und Nordostsyrien übernommen. Deshalb müssen wir unsere eigenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten erfüllen. Bei der Besetzung von Efrîn hat sich keine internationale Macht und keine Institution oder Organisation in die Region begeben. Im Vergleich dazu wird in der Ukraine von der internationalen Gemeinschaft in jeder Hinsicht Unterstützung geleistet und sogar die militärische Ausrüstung zur Verfügung gestellt. Der revolutionäre Volkskrieg erfordert eine organisierte Beteiligung und keine große Anzahl von Kämpfer:innen. Was wir brauchen, ist Organisierung. Wir haben Taktiken und Strategien entwickelt, wie wir gegen hochentwickelte Technik vorgehen können. Wenn es zu einem Bodenangriff kommt, dann verfügen wir über eine neue Art der Kriegsführung. In Nord- und Ostsyrien sollte es keine unorganisierte Bevölkerung geben. Es muss eine soziale Organisation geben, und die Menschen müssen bereits wissen, was ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind. Von der Wirtschaft bis zur Gesundheit, von der Bildung bis zur Kommune sollten alle wissen, was sie für eine Rolle zu spielen haben.

Die christlichen Bevölkerungsgruppen in Nordostsyrien unterhalten eigene Militärverbände, um sich gegen den drohenden Völkermord im Zuge einer türkischen Invasion zu verteidigen.
Auch die Suryoye und die armenische Bevölkerung in der Autonomen Föderation Nord- und Ostsyrien verfügen über eigene Militärverbände. Nach der Revolution von Rojava wurden unter dem Dach der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) der Militärrat der Suryoye (MFS), die assyrischen Chabur-Wachen und das armenische Bataillon Nubar Ozanyan gegründet.

Strategische Feindschaft

Monte Melkonyan vom armenischen Bataillon Nubar Ozanyan weist auf die Ziele der türkischen Angriffe hin und sagt: »Die Feindschaft, der Krieg und die Ausrottungspolitik des türkischen Staates gegen Armenier:innen und Kurd:innen ist strategisch. Vom Komitee für Einheit und Fortschritt [Ittihad ve Terakki, treibende Kraft bei dem Völkermord an den Armenier:innen] über die Zeit der kemalistischen Regierung bis zum heutigen Tag besteht eine nicht enden wollende Feindschaft, die mit jedem Tag heftiger wird. Wir leben in einer Zeit, in der der türkische Staat seit dem 1. Juni 2022 seine Angriffe intensiviert hat. Diese Angriffe sind nicht auf Nordostsyrien beschränkt. Auch Armenier:innen und Kurd:innen im Nahen Osten und im Kaukasus sind von Ausrottungs- und Vernichtungsangriffen betroffen. Der Traum von der erzwungenen Türkisierung eines riesigen Gebietes geht weiter. Sie wollen heute den Völkermord vollenden, den sie in der Vergangenheit nicht abschließen konnten, sie wollen das ›turanische Ideal‹ verwirklichen. Die Strategie des Komitees für Einheit und Fortschritt wird heute fortgesetzt. Es soll eine homogene Türkei entstehen, indem die Armenier:innen und Kurd:innen ausgelöscht und vernichtet werden.«

Die zu erwartende Verwüstung

Melkonyan betont, dass in den von der Besatzung bedrohten Regionen Frieden und Stabilität herrschen: »Die Menschen leben und arbeiten weiterhin in Sicherheit und Frieden. Sie halten ihre Bildung, Sprache und Kultur lebendig, entwickeln sich weiter und wachsen. Wie können Völker in Frieden und Sicherheit leben, wenn sie von Haubitzen- und Mörserangriffen und intensiver Aufklärung bedroht sind? Wenn die Angriffe des türkischen Staates andauern, werden die Armenier:innen das Land, in dem sie seit Jahrhunderten leben, die Häuser, Kirchen und Schulen, die sie in mühevoller Arbeit und unter großen Entbehrungen gebaut haben, verlassen und ins Landesinnere ziehen müssen, wo es keine Angriffe gibt. Schulen und Kirchen sind die üblichen Orte, an denen sich das armenische Volk trifft. Die Menschen werden ihre Orte des Glaubens und der Bildung, die sie mit Tausenden von Arbeitsstunden und Mühen geschaffen haben, zurücklassen und in das Landesinnere abwandern müssen. Nach dem Völkermord von 1915 sollen sie aus dem freien Land im Nordosten Syriens gerissen werden, an das sie sich klammern und in dem sie leben wollen. Sie werden einer stärkeren Assimilation unterworfen sein. Der Nordosten Syriens ist das Land, in dem das armenische Volk frei, in Frieden und Sicherheit lebt.«

Den Armenier:innen droht die Vernichtung

Die Armenier:innen seien erneut von Vernichtung bedroht, sagt Melkonyan: »Das armenische Volk lebt in Rojava so, wie es ist und wie es will. Die Menschen leben ihre Sprache, ihre Kultur und ihren Glauben frei. Mit der Zunahme der vom türkischen Staat unterstützten Söldnerangriffe wird das armenische Volk aufhören, es selbst zu sein. Es wird sich auflösen, zerfallen und durch Angriffe und Unsicherheiten zum Aussterben verurteilt sein. Es wird alles verlieren, was es in jahrelangem, mühevollem Kampf erarbeitet und angesammelt hat, alles, was es in den Händen hält. Das armenische Volk ist dasjenige, das wegen seiner Sprache, seiner Kultur und seines Glaubens den zerstörerischsten und vernichtendsten Angriffen ausgesetzt sein wird. Es sind die Menschen, die am meisten verlieren werden.«

Daher seien die Armenier:innen diejenigen, die sich am meisten gegen den Völkermord wehren sollten, fasst Monte Melkonyan zusammen: »Deshalb sind sie die Menschen, die sich den Angriffen des türkischen Staates am meisten und am stärksten widersetzen sollten. Die Erinnerung des armenischen Volkes an den Völkermord ist lebendig; sie verlangt von ihm, dass es seine Werte der Freiheit am meisten schützt. Die Armenier:innen müssen ihr Land gemeinsam mit den Völkern, mit denen sie zusammenleben, schützen und verteidigen. Sie haben das Recht und sie sind dazu gezwungen. Andernfalls wird es zu einem zweiten großen Völkermord kommen. Wir, die Revolutionär:innen und Pionier:innen des armenischen Volkes, werden Widerstand leisten und gegen die Angriffe kämpfen, genau wie Monte Melkonian und Nubar Ozanyan. Wir wissen, dass eine Gesellschaft, die sich der Realität ihrer Geschichte nicht stellen kann, zum Aussterben verurteilt ist.«

 


 Kurdistan Report 226 | März/April 2023