Liebe Leser:innen,

Solidarität zeigen, spende an Hevya Sor a Kurdistanêkurz nach dem Redaktionsschluss für die aktuelle Ausgabe des Kurdistan Reports erreichte uns die schreckliche Nachricht des Erdbebens in Kurdistan, Nordsyrien und dem Südosten der Türkei. Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist zwar noch nicht abzusehen, doch die Bilder von völlig zerstörten Straßenzügen und ganzen Stadtvierteln lassen das Schlimmste vermuten.


Eine solche Naturkatastrophe ist natürlich nicht zu verhindern. Doch dass ein vorausschauendes Handeln zur Eindämmung der Folgen sowie die einzuleitenden Rettungsmaßnahmen hochpolitisch sind, wird in diesen Tagen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. In den vom Erdbeben betroffenen Gebieten wurden jahrzehntelang Bauvorhaben realisiert, die nicht den Schutz der Menschen, sondern schnelle Profite im Sinn hatten. Die türkische AKP-Regierung ist gemeinsam mit der staatlichen Wohnungsbau- und Siedlungsbehörde (TOKI) verantwortlich für viele der Wohnbauten, die im Zuge des Erdbebens wie Kartenhäuser zusammengefallen sind. Dass diese mehrstöckigen Gebäude in seismisch aktiven Gebieten errichtet wurden, war bereits vor dem Eintreten der Katastrophe allen Verantwortlichen bewusst. Dennoch wurden die Kosten für eine erdbebensichere Bauweise zu Lasten der Profitinteressen gescheut. Dabei wurde im Jahr 2000 von der AKP-Regierung eigens eine Erdbebensteuer eingeführt. Wohin diese Gelder geflossen sind, die unter der Aufsicht der Regierung stehen, ist ein großes Fragezeichen.

Ebenso fragwürdig sind die staatlichen Rettungsmaßnahmen nach dem Erdbeben. In den mehrheitlich kurdisch-alevitisch sowie arabisch besiedelten Gebieten des Epizentrums beklagten die Erdbebenopfer die unzureichenden Hilfs- und Rettungsleistungen durch den türkischen Staat. Selbstorganisierte Hilfsmaßnahmen der Bevölkerung und von politischen Akteur:innen wie der HDP wurden hingegen kurzerhand vom türkischen Katastrophenschutz AFAD immer wieder beschlagnahmt oder unterbunden. Als sich die Kritik am Krisenmanagement des AKP-Regimes vermehrte, erklärte Erdoğan kurzerhand den Ausnahmezustand über die Erdbebengebiete und unterband somit zugleich die kritische Berichterstattung. Selbst Twitter, über das die betroffenen Menschen Hilferufe an die Weltöffentlichkeit richteten, wurde zeitweise eingeschränkt. Erdoğan will mit allen Mitteln die Kritik an seiner Regierung verstummen lassen, zumal im Mai die Parlamentswahlen anstehen.

Auch der Norden Syriens wurde von dem schweren Erdbeben heimgesucht. Insbesondere aus dem seit 2018 durch die Türkei besetzten Efrîn erreichten uns schreckliche Meldungen über das Ausmaß der Zerstörung. Neben der Türkei haben hier dschihadistische Söldner das Sagen. Dass von diesen keine Hilfsleistungen für kurdische Dörfer und Bezirke zu erwarten sind, ist selbstredend.

Umso wichtiger ist, dass Organisationen wie der Kurdische Rote Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê) mit ihren begrenzten Mitteln Unterstützung für die Opfer des Erdbebens in Nordkurdistan und Rojava leisten. Wir möchten deshalb auch euch, liebe Leserinnen und Leser, dazu aufrufen, im Angesicht dieser Katastrophe eure Solidarität praktisch werden zu lassen. Spendet an den Kurdischen Roten Halbmond oder andere Organisationen, die den Betroffenen in dieser schweren Stunde zur Seite stehen.

Eure Redaktion


 Kurdistan Report 226 | März/April 2023