Über die Entwicklung der jüngsten Protestbewegung im Iran
Der Iran und »Jin, Jiyan, Azadî«
Dana J. K.
Dieser Artikel wurde vor der zweiten Runde der türkischen Präsidentschaftswahlen geschrieben. Obwohl die politische und soziale Struktur der Türkei grundlegende Unterschiede zu derjenigen des Iran aufweist, bestehen auch bedeutende Gemeinsamkeiten. Dazu gehören der Einfluss der wirtschaftlichen Bedingungen auf die allgemeine politische Haltung, die politische Erstickung, die Restriktionen gegen religiöse Minderheiten, der interne Kolonialismus und die Frage der Ökologie.
Die Hauptlosung der Protestbewegung im Iran, nämlich »Jin, Jiyan, Azadî« (Frau, Leben, Freiheit), gelangte von den feministischen Kämpfen in Rojava und Bakur (West- und Nordkurdistan) in den sozialen Raum von Rojhilat (Ostkurdistan) und verbreitete sich im Iran und in der ganzen Welt. Dies ist das deutlichste Beispiel für die gegenseitige Beeinflussung der feministischen Strömungen. So macht es die gegenwärtige Lage in der Türkei angesichts der Ähnlichkeiten notwendig, die revolutionäre Bewegung im Iran aus einer feministischen Perspektive zu behandeln.
Dieser Artikel soll zunächst auf das Ereignis eingehen, das den Ausbruch der Protestbewegung im Iran am 13. September 2022 verursachte, dann kurz auf einige der Wurzeln, die dazu führten, dass sie sich ausbreitete und in eine revolutionäre Bewegung verwandelte. Anschließend werden der Prozess ihrer Ausbreitung, Ansätze zu ihrer Entradikalisierung und ihre Fortsetzung in der Gegenwart erörtert.
Jina Amini war eine kurdische junge Frau. Sie stammte aus der Stadt Seqiz (Saqqez), wurde am 20. September 2000 geboren und war erst 21 Jahre alt, als sie ermordet wurde. Ihr offizieller Name war Mahsa, aber ihre Familie und die Menschen um sie herum nannten sie Jina.
Sie reiste nach Teheran, um ihre Tante zu besuchen. Am 13. September um 18 Uhr wurde sie von Kräften der »Sittenpolizei« oder »Moralpolizei« verhaftet, während sie sich bei ihrem Bruder aufhielt. Bei ihrer Verhaftung sagte sie: »Wir sind Fremde in dieser Stadt.« Die Polizist:innen zwangen sie jedoch in den Polizeiwagen und brachten sie auf die Wache. Wenig später erlitt sie aufgrund der schweren Schläge auf ihren Kopf eine Hirnblutung, an deren Folgen sie dann starb.
Auf dem Video der Polizeikamera ist zu erkennen, dass sie plötzlich zu Boden fällt, während mehrere Beamt:innen um sie herumstehen. Jinas Bruder fragte die Beamt:innen vor dem Tor der Polizeistation, für wen der Krankenwagen sei, den er einfahren sah, aber sie logen, er sei für einen der Soldaten. Dann erfuhr er von anderen, die herauskamen, dass der Krankenwagen für seine Schwester gekommen sei.
Am 16. September 2021 starb Jina Amini schließlich im Krankenhaus. Daraufhin versuchten regierungsnahe Institutionen, einschließlich Gerichtsmedizin und Polizei, ihren Tod als Folge einer Grunderkrankung oder eines Herzinfarkts zu erklären, doch andere Festgenommene, die in demselben Polizeiwagen wie Jina gesessen hatten, bezeugten, dass sie von Polizist:innen schwer verprügelt und der Krankenwagen zu spät gerufen worden sei!
Auch Jinas Vater bestritt eine Vorerkrankung: »Das ist eine Lüge! Ich schwöre bei Gott, dass sie keine Krankheit hatte, außer mal einer einfachen Erkältung, und nicht ein Mal in der Klinik war. Sie war eine Sportlerin.« Er wies auch die Behauptung zurück, Jina sei bei der Arbeit mehrmals ohnmächtig geworden, was in den regierungsnahen Medien (der Nachrichtenagentur Fars) behauptet worden war: »Sie hatte erst seit zwei Monaten in einem Geschäft in dieser Passage gearbeitet, und das war zu kurz, um in dieser Zeit mehrmals ohnmächtig zu werden.«
Der Anwalt von Aminis Familie sagte außerdem: »Nach Aussage von Fachärzt:innen und unabhängigen Sachverständigen steht Mahsas Tod nicht im Zusammenhang mit ihrem früheren Eingriff, bei dem ein Leberfleck oder kleiner Tumor über ihrem Auge entfernt wurde [auch dieser Fall wurde in der gerichtsmedizinischen Akte vermerkt]. Außerdem hatte Mahsa in der Vergangenheit keine Herz-Kreislauf- oder Nierenkrankheiten. Ihr plötzlicher Tod kann nicht auf frühere oder zugrunde liegende Krankheiten zurückgeführt werden. Ihre Familie möchte wissen, welche Art von Krankheit oder Trauma [d. h. äußere Einwirkung] das Blut verursacht hat, das aus der Unterseite des Schädels hinter ihrem Hals und ihren Ohren austrat.«
Schließlich ist klar, dass Jina Amini von der Sittenpolizei der Islamischen Republik Iran wegen des vorgeschriebenen, angeblich nicht korrekt getragenen, Hidschabs ermordet wurde, einer der diskriminierendsten Regeln der Islamischen Republik. Daher wurde sie von der Polizei aufgrund von Geschlechterdiskriminierung ermordet. Aus diesem Grund werden wir die Geschlechterdiskriminierung im Iran unter der Herrschaft der Islamischen Republik und die Proteste dagegen diskutieren.
Geschlechter-Apartheid
Der Begriff Geschlechter-Apartheid wird für die Regierung der Islamischen Republik verwendet, da das Patriarchat und die Geschlechterdiskriminierung zu ihren wichtigsten Grundlagen gehören.
Nachdem Ruhollah Chomeini, der Gründer und frühere Führer der Islamischen Republik Iran, am 7. März 1979 erstmals auf die Notwendigkeit des Tragens des Hidschabs an staatlichen Orten und bei gesellschaftlichen Aktivitäten hingewiesen hatte, kamen Gerüchte über eine Hidschab-Pflicht auf. Seit dem 5. Juli 1980 war es Frauen ohne Hidschab verboten, Regierungsgebäude zu betreten, und mit Beginn der 80er Jahre und dem Verbot der Anwesenheit von Frauen ohne Hidschab an öffentlichen Orten wurde die Hidschab-Pflicht allgemein eingeführt, der Verstoß gegen die Pflicht schließlich 1983 mit § 102 in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Sie bekam Verfassungsrang. Nach den umfassenden Reformen der islamischen Strafgesetze 1996 wurde die Hidschab-Pflicht im fünften Abschnitt des Strafgesetzbuchs in § 638 erneut in die diskriminierenden Gesetze der Islamischen Republik aufgenommen und umgesetzt. Danach darf sich niemand offenkundig in der Öffentlichkeit in unsittlicher Art und Weise [»harām«] verhalten. Wer gegen den Paragrafen verstößt, kann mit einer Freiheitsstrafe von zehn Tagen bis zu zwei Monaten oder mit bis zu 74 Peitschenhieben bestraft werden (Anmerkung [Änderung in eine Geldstrafe am 27. Januar 2021]: Frauen, die sich ohne religiösen Hidschab auf der Straße und in der Öffentlichkeit bewegen, werden mit einer Freiheitsstrafe von zehn Tagen bis zu zwei Monaten oder einer Geldstrafe von zwei bis zehn Millionen Rial bestraft.)
Die Umsetzung dieses Gesetzes bedeutet, dass Menschen von öffentlichen Dienstleistungen ausgeschlossen werden und ihnen der Zugang zu öffentlichen und staatlichen Einrichtungen verwehrt wird, darüber hinaus werden sie von der Polizei, die als »Moralpolizei« bekannt ist, allein aufgrund ihrer Kleidung verhaftet.
Aber dieses ist nicht das einzige diskriminierende Gesetz; es gibt eine ganze Reihe weiterer, die Menschen im Namen der »Ehre« entmachten und diskriminieren.
• Nach § 907 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beträgt der Erbteil einer Tochter die Hälfte des Erbteils eines Sohnes.
• § 942 des Zivilgesetzbuchs ist einer derjenigen, in denen das Recht des Mannes auf mehrere Ehefrauen erwähnt wird.
• Nach § 1041 des Zivilgesetzbuchs kann der Familienvater seine Kinder unter 15 Jahren zur Heirat zwingen.
• Nach § 1117 des Zivilgesetzbuchs kann der Ehemann seiner Frau verbieten zu arbeiten.
• Nach § 18 des Passgesetzes ist das Recht, das Land zu verlassen, von der Erlaubnis des Ehemanns abhängig.
• Nach § 301 des islamischen Strafgesetzbuchs werden Väter, die ihre Töchter aus »Ehren«gründen ermorden, nur gering bestraft.
• Nach § 302C und § 630 des islamischen Strafgesetzbuchs bleibt ein Ehemann straffrei, wenn er seine Frau tötet, die mit einem anderen Mann ein Verhältnis hat.
Eines der Ergebnisse der Umsetzung solcher Gesetze und anderer Diskriminierungen ist die bis heute hohe Zahl der »Ehrenmorde«. Mona Heydari wurde im Alter von 12 Jahren Opfer einer Kinderheirat und am 5. Februar 2022 im Alter von 17 Jahren von ihrem Ehemann ermordet.
Als arabisches Mädchen war Mona eine Betroffene der patriarchalischen Gesellschaft, der patriarchalischen Gesetze und der patriarchalischen Kultur sowie der rassistischen Diskriminierung von Araber:innen im Iran. Romina Aschrafi, Henar (Trans*-Frau), Alireza Fazli Monfared (schwuler Teenager), Mobina Suri usw. sind nur einige Beispiele für Betroffene von Ehrenmorden in den letzten Jahren.
Auch die Geschlechtertrennung an Orten wie den Sportstadien hat dazu geführt, dass Frauen, viele Trans*-Männer und nichtbinäre Menschen weitgehend vom Betreten der Stadien ausgeschlossen werden, um sie von wichtigen Sportereignissen fernzuhalten.
Sahar Chodayari war eine der Frauen, die verhaftet wurde, als sie versuchte, das Stadion zu betreten, um die Asian Champions League 2019 zu sehen. Am 9. September 2019, nachdem sie vor Gericht erfahren hatte, dass ihr eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren drohte, beging sie vor dem Gericht Suizid durch Selbstverbrennung.
Die LSBTIQ+-Gemeinschaft im Iran
Die Bedingungen für die LSBTIQ+-Gemeinschaft unter der Herrschaft der Geschlechter-Apartheid sind viel schwieriger, da ihre Mitglieder verschiedenen Arten von Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind.
Die Geschlechtsidentität von Trans*-Personen wird nur anerkannt, wenn sie sich einer Umwandlungsoperation unterzogen haben, und für die Durchführung von Operationen muss eine entsprechende gerichtsmedizinische Bescheinigung eingeholt werden. Um eine Bescheinigung zu erhalten, müssen die gerichtsmedizinischen Barrieren für Trans*-Personen überwunden werden. Viele von ihnen sind nicht in der Lage, diesen Prozess zu durchlaufen, und können nicht operiert werden.
Nach § 638 kann das Gericht auf eine Straftat namens »Cross-Dressing« erkennen. Aufgrund dessen werden viele Trans*-Personen, die kein ärztliches Attest vorweisen können, verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Wie Cis-Frauen stehen auch Trans*-Frauen und Trans*-Femmes unter dem Druck der Hidschab-Pflicht, und in einigen Fällen ist der Druck noch viel größer, weil dieses Thema mit der Unterdrückung ihrer Identität verbunden ist. Zum Beispiel unterliegen viele Trans*-Männer und Trans*-Mascs, die sich noch nicht einmal geoutet haben, dem Druck der Hidschab-Pflicht.
Nach den Paragrafen 233 bis 240 des islamischen Strafgesetzbuchs werden alle Arten von nicht heterosexuellen Beziehungen zwischen Menschen mit Auspeitschung und Hinrichtung bestraft.
»Bekehrungs-Praktiken« sind durch kein Gesetz verboten, und gleichzeitig werden sie von religiösen Institutionen, die von der Macht abhängig sind, gefördert. Es besteht auch kein gesetzliches Verbot zur Verhinderung unnötiger und traumatischer Operationen an intersexuellen Kindern.
Neben Menschen wie Alireza Fazli Monfared (schwuler Araber) und Henar (Trans*-Mädchen) wurden viele andere Angehörige dieser Gemeinschaft aufgrund solcher Gesetze und der von der Regierung noch verstärkten Queer-Phobie in der Gesellschaft ermordet.
Zahra Sediqi wurde am 27. Oktober 2021 vom Geheimdienst der Revolutionsgarden (IRGC) an der Grenze zur Türkei beim Versuch verhaftet, heimlich über den Iran in die Türkei zu gelangen, nachdem sie zuvor schon von der irakisch-kurdischen Polizei verfolgt und festgenommen worden war. Zunächst wurde sie gemeinsam mit Elham Chobdar, einer weiteren aktiven Lesbe, wegen ihrer offenen lesbischen Aktivitäten der »Förderung von Verdorbenheit auf Erden« beschuldigt. Eine Anschuldigung, die zu ihrer Hinrichtung führen würde. Nach Angaben von Amnesty International wurde ihr Todesurteil jedoch aufgehoben.
Mehrfache Diskriminierung
Das Ergebnis des im Iran errichteten Nationalstaates ist die Schaffung einer Machthierarchie, in der Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Nationalität, ihrer unterschiedlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, ihrer religiösen Überzeugungen usw. untergeordnet und diskriminiert werden.
Nach der Errichtung der Islamischen Republik wurden die Bahá'í in der Verfassung der Gesellschaft nicht als religiöse Minderheit anerkannt und somit ihrer verfassungsmäßigen Rechte beraubt, und die Gerichte unterstützten sie nicht gegen alle Arten von Gewalt. Seit mehr als vierzig Jahren werden die Bahá'í-Gemeinden auf das Schwerste diskriminiert. Zu dieser Diskriminierung und der systematischen Gewalt gehören das Verbot des Rechts auf Bildung, das Verbot des Rechts auf Arbeit, die Beschlagnahmung des persönlichen Eigentums usw.
Die Anhänger:innen der Yarsanı-Religion sind in der Verfassung nicht als religiöse Minderheit anerkannt und werden wie die Bahá'í vieler ihrer Rechte beraubt. So werden beispielsweise religiöse Stätten zerstört, Aktivist:innen dieser Gemeinschaft verhaftet, gefoltert und getötet und alle Arten von Verboten und politischen, wirtschaftlichen und sozialen Schikanen werden gegen sie verhängt.
Im Laufe der Jahre waren die Gonabadi-Derwische auch mit der Zerstörung religiöser Zentren, die als »Hosseini« bekannt sind, und dem Entzug ihrer Grundrechte konfrontiert. Viele Derwisch-Aktivisten und religiöse Persönlichkeiten wurden schikaniert, verhaftet oder sogar getötet, wie der Fall von Nur Ali Tabande zeigt, der unter Hausarrest gestellt wurde, oder der Behnam Mahjoubis, dessen Verhaftung in seiner vorsätzlichen Tötung endete.
Auch Anhänger:innen anderer Religionen, darunter Christ:innen, Jüd:innen, Zoroastrier:innen, Sunnit:innen usw., sind einer Reihe von Diskriminierungen ausgesetzt. Da der Wechsel der Religion sowie jegliche Kritik und Infragestellung der Religion unter Strafe gestellt sind, laufen viele Menschen, die die Religion gewechselt haben oder religiöse Vorschriften in Frage stellen, Gefahr, strafrechtlich verfolgt und sogar getötet zu werden.
Obwohl gemäß Art. 5 der Verfassung die Verwendung der »lokalen und ethnischen« Sprache in den Medien und der Presse sowie der Unterricht in ihrer Literatur neben der persischen Sprache frei ist, wurden bisher keine Anstrengungen unternommen, die Muttersprache in den Schulen zu unterrichten. Mit anderen Worten: Menschen, die nicht Perser:innen sind, wird nicht nur das Recht auf allgemeine Bildung in ihrer Muttersprache vorenthalten, sondern auch der muttersprachliche Unterricht als eigenständiges Schulfach. Bis heute sind viele Menschen wegen des Verbrechens des muttersprachlichen Unterrichts inhaftiert worden.
Aber über die Frage der Muttersprache hinaus zeigen wirtschaftliche Indikatoren wie Arbeitslosigkeit und Inflation in den einzelnen Provinzen eine systematische Diskriminierung von Provinzen mit nichtpersischen ethnischen Gruppen wie Kurd:innen, Belutsch:innen, Araber:innen, Türk:innen usw. Dieses Problem hat zusammen mit Klimakrisen wie Dürre und Wasserknappheit im Iran zu einer vielfältigen und weitreichenden Diskriminierung der iranischen Bevölkerung geführt. Zu den wichtigsten Klimakrisen im Iran gehören das Austrocknen des Urmia-Sees, der Wassermangel in Provinzen wie Chuzestan und Sistan und Belutschistan, die Mülldeponien in Städten wie Rascht oder die Großbrände in den Wäldern von Hyrkanien.
Proteste und politische Atmosphäre vor der Ermordung von Jina
Einiges an der genannten Unterdrückung zeigt, wie sehr die Gesellschaft der Herrschaft der Islamischen Republik überdrüssig ist. All diese Fälle, zusammen mit der Wirtschaftskrise und den schlechten politischen Bedingungen, haben die Stimmung in der Gesellschaft angeheizt. Der Verlauf der breiteren Proteste seit 1979 stellt sich so dar:
• 8. März 1979 – erster öffentlicher Protest gegen die Islamische Republik und das Gesetz über den obligatorischen Hidschab.
• Studierendenproteste vom 8. bis zum 13. Juli 1999.
• Die Proteste der sogenannten »Grünen Bewegung« im Jahr 2009 wegen des Betrugs bei den Präsidentschaftswahlen.
• 2017 Proteste gegen die wirtschaftlichen Bedingungen (ab 28. Dezember).
• 2019 Proteste nach der Erhöhung der Benzinpreise (ab 15. November).
• Proteste der Bevölkerung, insbesondere der arabischen in den Städten der Provinz Chuzestan, gegen den Mangel an Wasserressourcen im Jahr 2021 (ab 15. Juli).
• Proteste nach dem Einsturz des Metropol-Gebäudes in Abadan am 23. Mai 2022 – Gewerkschaftsproteste und Streiks von Lehrer:innen und Arbeiter:innen in den Jahren 2021 und 2022.
• Der Hidschab war stets Teil kurzer und breiterer Proteste der Frauenbewegung im Iran, und ging vom Ausziehen/Herunterreißen des Hidschab in der Öffentlichkeit als Symbol des Protests bis hin zu Protestkampagnen wie »Heimliche Freiheiten«, »Weiße Mittwoch« oder »Meine Kamera ist meine Waffe«.
Neue Protestbewegungen
Stunden nach der Nachricht von Jinas Tod gingen die Menschen zum Krankenhaus, versammelten sich dort und skandierten Parolen oder hupten als Zeichen des Protests ununterbrochen auf der Straße, die zum Krankenhaus führt.
Am 17. September 2022 versammelten sich die Menschen zu Jinas Beerdigung auf dem »Aichi«-Friedhof in der Stadt Seqiz und begannen zu skandieren. Die Losung »Jin, Jiyan, Azadî« war an diesem Tag im Rahmen dieser Ereignisse zum ersten Mal im ganzen Iran zu hören, und nachdem sich die Proteste weiter ausgebreitet hatten, wurde sie zu ihrer Hauptparole. Am selben Tag gingen die Menschen in den meisten Städten Kurdistans nach dem gemeinsamen Aufruf der kurdischen Parteien als Zeichen des Streiks nicht zur Arbeit.
Am 30. September 2022, zeitgleich mit der Nachricht von der Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens namens Maho Baloch durch einen Polizeikommandanten, protestierte die Bevölkerung von Zahedan in Belutschistan nach dem Freitagsgebet, das von Sicherheitskräften der Islamischen Republik Iran heftig angegriffen worden war. Schließlich wurden bei den Schießereien an diesem Tag mehr als 100 Menschen getötet. Dieser Freitag wurde als »Blutiger Freitag« von Zahedan bekannt.
Die Proteste hielten fünf Monate lang an, und gleichzeitig wurden Symbole wie das Verbrennen von Tüchern und das Abschneiden von Haaren als Zeichen der Trauer in der ganzen Welt bekannt. Zugleich protestierten die Menschen auch online, und der Hashtag zu Jinas Namen brach den Rekord für die Zahl der Aufrufe weltweit verwendeter Hashtags. Der Song »Baraye« (»Für ...«) von Schervin Hadschipur wurde weltweit bekannt und gewann einen Grammy Award des Jahres. In den Gefängnissen Lakan in Rascht und Evin in Teheran gab es Proteste, die von den Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen wurden.
Nach der Verschärfung der Proteste in den Städten Kurdistans wurde in vielen dieser Städte eine Militärherrschaft errichtet, und schwere Militärfahrzeuge wurden geschickt, wobei viele Menschen getötet wurden.
Letztendlich wurden mindestens 529 Menschen, darunter 71 Kinder, getötet. Die meisten Todesopfer waren in den Provinzen Sistan und Belutschistan, Kurdistan, Teheran, West-Aserbaidschan, Mazandaran, Gilan, Alborz und Kermanschah zu beklagen.
Außerdem wurden mindestens 19.000 und bis zu 60.000 Menschen inhaftiert, darunter 708 Student:innen, 73 Reporter:innen und Journalist:innen, 100 Künstler:innen und mindestens 15 Rechtsanwält:innen.
Mohsen Shekari, Majidreza Rahnavard, Mohammad Mahdi Karmi, Seyed Mohammad Hosseini, Saleh Mirhashmi, Saeed Yaqoubi und Majid Kazemi wurden hingerichtet, und mindestens 15 Personen wurden unter der Folter getötet.
Außerhalb des Irans fanden zahlreiche Versammlungen von Einzelpersonen statt, die umfangreichste und größte davon war die Demonstration am 22. Oktober 2022 in Berlin.
Gegenwärtig laufen Menschen Gefahr, hingerichtet zu werden, und das Parlament der Islamischen Republik hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Hidschab-Kontrolle vorgelegt. Doch gleichzeitig geht der Kampf der Bevölkerung weiter. In Zahedan finden jeden Freitag nach dem Freitagsgebet friedliche Proteste statt, und der Widerstand gegen die Hidschab-Pflicht, das Schreiben von Parolen usw. wird in allen Städten fortgesetzt.
Quellen:
https://www.ohchr.org/en/press-releases/2021/03/iran-women-and-girls-treated-second-class-citizens-reforms-urgently-needed
https://reliefweb.int/report/iran-islamic-republic/towards-anti-discrimination-law-strategies-and-opportunities-iran#:~:text=Discrimination%20against%20minorities%20in%20Iran,state%20parameters%20on%20%E2%80%99national%20identity
https://iranhumanrights.org/wp-content/uploads/LGBTQ-Iran-Fact-Sheet.pdf
https://www.ibanet.org/article/8693227F-F372-4068-8F1D-45923558FEBB
https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/iran
https://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-64864132.amp
https://jis.athabascau.ca/index.php/jis/article/view/279/713
https://www.academia.edu/30652765/The_Intersectionality_of_Patriarchy_and_Neoliberalism_in_Womens_Lives
Kurdistan Report 228 | Juli / August 2023