Eine Fotoausstellung mit Bildern aus Nord- und Ostsyrien
Innen befreit – von außen bekämpft
– Zerstörung und Widerstand
Dörte Simon-Rihn – Verein »Familien für den Frieden«
Seit nunmehr 12 Jahren herrscht Krieg in Syrien. Das Land wurde zum Kriegsschauplatz regionaler und internationaler Machtinteressen.
Im Norden Syriens, in Rojava, hat die Bevölkerung 2012 mit dem Aufbau einer zivilen Selbstverwaltung begonnen und sich gleichzeitig gegen die Angriffe des sogenannten Islamischen Staates erfolgreich verteidigt. Nach dem Sieg über den »IS« haben auch die befreiten arabischen Gebiete das basisdemokratische organisierte Gesellschaftsmodell angenommen. Gemeinsam tritt die Region als »Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien« auf.
Eine demokratische Gesellschaft, die Gleichberechtigung der Geschlechter, der Ethnien und der Religionen, ist für die Regierungen in Ankara und Damaskus eine Provokation. Durch wirtschaftliche und militärische Angriffe erschweren sie den Aufbau ziviler Infrastruktur.
Die Ausstellung zeigt auf 30 ausgewählten Bildern exemplarisch die Zerstörung und die Kraft der Menschen dieser zu widerstehen und in ihrer Heimat zu bleiben.
Die Ausstellung ist in der Welt! Am 5. Mai 2023 war sie erstmalig in Darmstadt in Zusammenarbeit mit dem DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) öffentlich zu sehen. Wir haben Bilder und Informationen zusammengestellt, die in der deutschen Öffentlichkeit und in den Medien wenig bis überhaupt nicht präsent sind. Die Organisatorin in Darmstadt, ein Mitglied des Vereins »Familien für den Frieden«, hat diesen Rahmen erfolgreich für eine Podiumsdiskussion und Gesprächsrunden zum Thema genutzt. Unsere Mitglieder sind in ganz Deutschland verteilt, und das wollen wir nutzen. Deutschlandweit soll die Ausstellung gezeigt werden, verbunden mit großen und kleinen Veranstaltungen, um das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Ein guter Anlass für alle, ihre lokalen gesellschaftlichen Vernetzungen zu beleben oder Vernetzungen ins Leben zu rufen. In Darmstadt ist das in wunderbarer Weise gelungen. Ein guter Auftakt!
Ein halbes Jahr Arbeit lag hinter der Arbeitsgruppe »Ausstellung«. Wir hatten keine Erfahrungen mit Ausstellungskonzepten, mit den Materialien, mit den Bildrechten, manchmal kamen wir an unsere Grenzen, fanden aber immer wieder auch überraschende Unterstützung und lernten dazu. Auch unseren Partner:innen in Nord- und und Ostsyrien fiel es nicht immer leicht zu verstehen, was es in Deutschland braucht, um jenseits der Solidaritätsbewegung für die Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) die Menschen zu erreichen. An dieser Stelle ein Dank an alle, die uns unterstützt haben.
Alle gemeinsam hatten wir aber gute Gründe und eine hohe Motivation, uns dieser Herausforderung zu stellen.
Im November 2022 begannen die erneuten völkerrechtswidrigen intensiven Bombenangriffe der Türkei auf die Region der Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens. In den öffentlichen Medien in Deutschland herrschte dazu das große Schweigen. Wir konnten unsere persönliche Betroffenheit in unseren Kommunen, Nachbarschaften, in unserem Arbeitsumfeld oder im Familien- und Freundeskreis kaum teilen, denn die Menschen um uns herum waren wenig oder gar nicht informiert. »Davon haben wir ja noch nie etwas gehört«, war eine häufige Reaktion. Wir wollen das mit Hilfe der Ausstellung ändern, vor allem ganz direkt in unserem jeweiligen Lebensumfeld
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine war in Gesprächen, in Nachrichten und Zeitungen und Bildern omnipräsent. Mit unserer Ausstellung wollen wir einen anderen Akzent setzen. Wir wollen zeigen, dass sich Menschen in der Region emanzipieren und befreien von patriarchaler, ethnischer und religiöser Unterdrückung, dass sie sich und ihre Würde selbst verteidigen und in einer befreiten Gesellschaft leben wollen. Sie wollen sich nicht vertreiben lassen und nicht zum Spielball internationaler Machtspiele werden. Sie werden von der Türkei bombardiert, mit türkischen Drohnen angegriffen, ihnen wird das lebensspendende Wasser u.a. des Tigris von der Türkei entzogen, ihre Getreidespeicher, Schulen und Krankenhäuser wurden und werden zerstört. Und das Leben geht weiter – Widerstand auch durch Bleiben und den breiten zivilgesellschaftlichen Einsatz für den Aufbau einer basisdemokratischen Gesellschaft
Wir sind Eltern, engagiert in Beruf, in Vereinen, in Sozialarbeit, Kommunalpolitik und Kirche, demokratieerfahren in der BRD. Das Engagement unserer Kinder für den demokratischen Konföderalismus und die Erfahrungen aus Nord- und Ostsyrien haben uns als Verein »Familien für den Frieden« zusammengeführt. Die damit verbundenen Diskussionen über gesellschaftliche Werte inspirieren auch unser Selbstverständnis von einer demokratischen Gesellschaft
Das Schweigen der bundesdeutschen Regierung zu den völkerrechtswidrigen Gewaltakten des NATO-Mitglieds Türkei irritiert und empört uns.
Die zunehmende Kriminalisierung der kurdischen Bewegung, der Selbstverteidigungseinheiten YPG und YPJ und aller Kräfte, die in diesen Zusammenhängen arbeiten, ist für uns nicht nachvollziehbar und inakzeptabel.
Als Verein »Familien für den Frieden« unterstützen wir unsere Kinder und andere engagierte Menschen in ihrem Bemühen, für die Menschen in Nord- und Ostsyrien eine Bleibeperspektive zu schaffen und alle am Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens zu beteiligen. Unsere Öffentlichkeitsarbeit soll dazu beitragen.
Bringen wir die Ausstellung und damit verbunden die notwendigen Informationen in die Welt! Erzählen wir von den Ängsten, Träumen und Kämpfen, vom Lebenswillen der Menschen in Nord-und Ostsyrien, die sich ein menschenwürdiges Miteinander unter schwierigen Umständen aufbauen.
Kurdistan Report 229 | September / Oktober 2023