Das Paradigma der demokratischen Nation in Nord- und Ostsyrien

Die Kommune ist der Kern der Gesellschaft

Orhan Kendal, Autor

Dieser Text wurde uns dankenswerterweise von »Demokratik Modernite1« zur Verfügung gestellt. Er setzt sich mit den Vorstellungen auseinander, die dem sozial-ökonomischem Aufbau der Autonomen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien zu Grunde liegen.

Es heißt, der Mittlere Osten sei die kulturelle Wiege der Menschheit. Dies wird durch aktuelle Forschungen mehr und mehr belegt. Allerdings wurden in der gleichen Region auch alle sozialen Probleme durchlebt. Im positiven wie im negativen Sinne also ist dieses Gebiet die Wiege aller Anfänge. Die Kultur der neolithischen Gesellschaft entstand dort und verbreitete sich über die ganze Welt. Seit Tausenden von Jahren wurde hier die natürlichste und schönste Form der Gesellschaftlichkeit gelebt. Doch so wie die Völker des Mittleren Ostens die paradiesischen Elemente Freiheit, Gleichheit und Gemeinschaftlichkeit erlebt haben, haben diese Gesellschaften auch den Schmerz, die Verfolgung und die Massaker erlebt, die durch Macht und Sklaverei verursacht wurden. Daher birgt die Region sowohl Lösungen und Alternativen als auch Probleme. Sie bietet denjenigen, die sie zu erforschen und zu nutzen wissen, einen gewaltigen Fundus.

So wie die Menschheit in diesen Ländern eine neolithische Revolution hervorgebracht hat, wird sie auf dieser Grundlage die Gelegenheit finden, ihr verfallenes Gesellschaftssystem zu erneuern.

Das Paradigma der demokratischen Nation basiert auf diesen historischen Wurzeln der Gesellschaft und zeigt, dass eine demokratische Gesellschaft möglich ist – wie eine Eiche, die an ihrem Stamm nachwächst.

Mit der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien wird ein Sozialgefüge entwickelt, das auf dieser Geschichte fußt. Die Grundzüge und die konkrete Umsetzung dieses demokratischen Systems strahlen in alle Welt aus und zeigen, dass »eine andere Welt möglich« ist.

Aus diesem Grund versuchen herrschaftskritische Menschen und Strukturen diese Erfahrung näher kennen zu lernen, durch Teilnahme neue Erfahrungen zu sammeln, oder sich in ihren eigenen Ländern und Kämpfen dadurch inspirieren zu lassen.

Gegenstand dieses Artikels sind die Grundzüge des von der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien entwickelten Systems, das auf dem Paradigma der Demokratischen Nation beruht, und der Grad ihrer Verwirklichung.

Wer sich dem Staat zuwendet wird von ihm verstaatlicht und vereinnahmt

Das soziale System, das in Nord- und Ostsyrien aufgebaut wird, basiert auf einer nicht-staatlichen demokratischen Nationenbildung. Man kann dies auch als radikale Demokratie bezeichnen. Diese soziale Konstruktion ist weder eine Erweiterung noch ein Teil des Staates. Eine Staatsbildung, die eine Form von Machtstruktur ist, stünde im Widerspruch zu dem von Abdullah Öcalan entwickelten ökologischen, demokratischen und frauenbefreienden Paradigma. Einer der Hauptfaktoren für das Scheitern aller sozialistischen Revolutionen ist ihre Einbindung in das Macht- und Staatssystem. Der Niedergang des Realsozialismus hat gezeigt, dass die Ziele des Sozialismus und des Kommunalismus nicht durch Verstaatlichung erreicht werden können. Selbst 70 Jahre Bestand konnten Zusammenbruch und Zerfall nicht verhindern. Der Staat ist das Grundgerüst, der Körper der kapitalistischen Moderne und des fünftausend-jährigen Herrschaftssystems, auf dem er beruht. Die Mentalität der Macht ist sein Kern. Mit einem derart korrumpierten Werkzeug sind die richtigen Ziele nicht zu verwirklichen. Wer den Staat für soziale Zwecke nutzen will, kommt nicht umhin, sich in den Dienst des Staates zu stellen. Jede Macht schafft hierarchische Verhältnisse um sie herum.

Soziale Systeme, die auf Macht beruhen, bringen dominante Systeme hervor, die auf Klassen und Schichten beruhen. Die Staatlichkeit ist deren offensichtlichste Form, sie macht sich zum Selbstzweck und versucht, sich in den Augen der Gesellschaft durch die von ihr aufgestellten Regeln zu legitimieren.

Sie versucht, sich der Gesellschaft aufzuzwingen, indem sie sich hinter tausend Verkleidungen, verschiedenen Masken und immer hinter Lügen versteckt. Sie versucht, die Macht als soziales Regieren und den Gewaltapparat als die Notwendigkeit der sozialen Verteidigung darzustellen. Im Laufe der Geschichte hat jedoch kein Staat jemals für die Gesellschaft und für soziale Interessen funktioniert. Jeder Staat verfolgt die Interessen der herrschenden Klasse. Aus diesem Grund kann die volksfeindliche, antisoziale Funktion des Staates nicht beseitigt werden, egal welchen Namen wir ihm geben, egal mit welchem Adjektiv wir ihn schmücken. Bezeichnungen wie demokratischer Staat, Volksstaat oder sozialistischer Staat ändern nichts daran.

Also besteht der größte Irrtum der revolutionären Bewegungen und sozialistischen Revolutionen darin, dass sie nach der Revolution versuchen, sich der Macht und des Staates zu bemächtigen. Abdullah Öcalan hat dies mit dem von ihm entwickelten Paradigma überwunden. Diesem Paradigma zufolge sind Staat und Gesellschaft, Macht und Demokratie gegensätzliche Phänomene. Wo es das eine gibt, kann es das andere nicht geben. Selbst in vorübergehenden Perioden, in denen sie koexistieren müssen, gilt: Je stärker der Staat, desto schwächer die Gesellschaft und die Demokratie. Umgekehrt gilt: Je stärker und besser organisiert Gesellschaft und Demokratie sind, desto schwächer und kleiner ist der Staat. In diesem Verständnis, das wir radikale Demokratie nennen, gibt es die Organisation und Selbstverwaltung der Gesellschaft nur außerhalb des Staates.

Der Sozialismus ist – wie jegliche soziale Befreiung – keine Zukunftsprojektion, deren Verwirklichung wir auf später verschieben: Er muss heute und als Lebensform aufgebaut werden. Wenn der gesellschaftliche Aufbau mit einem demokratischen Verständnis und in einer umfassenden Weise organisiert wird, wird das sozialistische, kommunalistische Fundament der Gesellschaft fest etabliert sein.

Die Gesellschaft in Nord- und Ostsyrien organisiert sich in diesem Sinne. Sie hat ihre autonome Verwaltung auf der Grundlage der demokratischen Nation organisiert. Der Begriff der demokratischen Nation wurde als Alternative zum an Herrschaft orientierten und an den Staat gebundenen Nationalismus entwickelt. Die Verkörperung der nationalistischen Mentalität ist der Nationalstaat. Die Verkörperung der Mentalität der demokratischen Nation ist die demokratische Autonomie bzw. der demokratische Konföderalismus. Die demokratische Nation in Nord- und Ostsyrien basiert auf Öcalans Paradigma und ist als nichtstaatliches konföderales System organisiert. Im Nationalstaat wird die Gesellschaft hierarchisch von oben nach unten dominierend von einem Zentrum aus regiert – von Selbstverwaltung kann hier nicht die Rede sein. Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien hingegen, die im Sinne des demokratischen Konföderalismus von unten nach oben organisiert ist, wurde als demokratische Selbstverwaltung der Gesellschaft strukturiert.

Das zweite grundlegende Merkmal einer demokratischen Gesellschaft bezeichnen wir als »tiefe Demokratie«: Die Verankerung einer demokratischen Haltung beim einzelnen Menschen und in der Gesellschaft. Der Aufbau einer radikalen Demokratie jenseits des Staates ist wichtig und notwendig, aber er allein reicht nicht aus, um eine demokratische Gesellschaft und eine demokratische Nation zu bilden. Die demokratische Mentalität muss die Menschen überzeugen, zur Schaffung einer Gesellschaft aus demokratischen Persönlichkeiten; nur so kann dem Missbrauch demokratischer Strukturen entgegengewirkt werden.

Kann zum Beispiel ein demokratisches System, das auf Gleichheit, Freiheit und den gemeinschaftlichen Werten der Gesellschaft beruht, mit ausschließlich feudalen oder kapitalistischen, egoistischen Persönlichkeiten entwickelt werden? Natürlich ist das nicht möglich.

Die Gesellschaft ist seit Jahrtausenden durch die herrschende Mentalität und das Staatssystem von ihren eigenen Werten und ihrem politischen Bewusstsein entfremdet worden. Die Gesellschaft und das Individuum wurden zu Objekten gemacht, an denen mit Hilfe des Staats alle möglichen Einsparungen und Operationen exerziert werden. In einer solchen Gesellschaft ist zuallererst eine Revolution der Mentalität erforderlich. Ein neues und demokratisches System kann nicht mit alten Persönlichkeiten und Mentalitäten aufgebaut werden. Die Gesellschaft und der Einzelne müssen die Mentalität der Revolution annehmen und ein politisches Bewusstsein erlangen.

Aus diesem Grund hat die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien die Bildung der Bevölkerung als grundlegendes Anliegen auf ihre Agenda gesetzt. Allen Teilen der Bevölkerung soll – ohne zwischen Männern und Frauen, Kindern oder älteren Menschen zu unterscheiden – die Möglichkeit zur Bildung gegeben werden. Infolgedessen wurden in Dutzenden von Bereichen Fortbildungskurse organisiert und Akademien eröffnet. Eigenständige und autonome Frauenakademien, Jugendakademien, Bildungen für Politik, Diplomatie, Wirtschaft, Gesundheit, Recht, Selbstverteidigung usw. Tausende von Menschen werden jedes Jahr in Dutzenden von Akademien ausgebildet. Innerhalb des Systems der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien gehören die Bildungseinrichtungen zu den wichtigsten. Die Gesellschaft, deren Existenz und Kultur sowie Sprache bisher verleugnet und in Schulen des arabisch orientierten Regimes geprägt wurde, erhält nun Bildungsmöglichkeiten, die ihrer eigenen sozialen und historischen Realität entsprechen.

Die Akademien sind eine der vier Säulen des demokratischen konföderalen Systems. Die anderen sind die Organisationen der Gesellschaft auf der Grundlage von Gemeinden, Versammlungen und Genossenschaften. Ohne diese vier Säulen kann das System nur schwerlich seinem Zweck entsprechend funktionieren.

Wenn das Ziel der tiefen Demokratie ein Mentalitätswandel und die Überwindung alter Mentalitäten und Persönlichkeiten ist, dann ist eine der wichtigsten Säulen die (auch mentale) Verwirklichung der Gleichheit zwischen den Geschlechtern, oder, anders gesagt, das Bewusstsein der Freiheit der Frauen. Der Grad der Freiheit der Frauen in einer Gesellschaft bestimmt auch den Grad der Freiheit dieser Gesellschaft. In einer Kulturlandschaft wie dem Nahen Osten, in der Religion, Dogmatismus und feudale Verhältnisse vorherrschen, hatte die Frau einen sklavenähnlichen Status. Die Interessengemeinschaft von Staat, Religion und herrschender Klasse haben die Frauen dazu verdammt. Alle Herrschaftsverhältnisse scheinen auf dieser Sklaverei der Frauen zu beruhen.

Aus diesem Grund hat Abdullah Öcalan analysiert, dass Frauen das erste Geschlecht, die erste Nation und die erste Klasse sind, die unterdrückt, ausgebeutet und versklavt werden. Jede Macht, die der Freiheit und Gleichheit feindlich gesinnt ist, hat die Frauen angefeindet, sie zu Hause eingesperrt, sie in Tücher und Schleier gehüllt und sie damit entmenschlicht. Wir sprechen von einer Gesellschaft, die diese Machtverhältnisse und die Sklaverei seit über fünftausend Jahren tradiert hat. Solange die Frauen in der Gesellschaft nicht von diesen Fesseln befreit sind, können wir nicht von einer demokratischen Gesellschaft sprechen. Hier müssen wir mit den gesellschaftlichen Veränderungen beginnen.

Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien sieht die Befreiung der Frauen von allen reaktionären Bindungen und ihre gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen vor. Die Frauen schaffen die Institutionen, die dies ermöglichen, mit ihren eigenen Händen. Diese Möglichkeiten werden nicht als Gunst des Mannes oder einer anderen Macht geschaffen, sondern durch das eigene Bewusstsein, den freien Willen und die eigene Kraft der Frau.

Frauen nehmen, zusammen mit den Männern, frei an Regierung, Krieg, Wirtschaft, Politik, Diplomatie und Kultur teil. Das »freie Zusammenleben«, wie Öcalan sagt, sieht ein demokratisches Leben vor, in dem Frauen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mitwirken. Die Vertretung basiert nicht auf einem Quotensystem, sondern auf einer gleichberechtigten Ko-Vertretung. Die Institution des Ko-Vorsitzes wurde auf allen Verwaltungsebenen geschaffen. Die Gleichheit in der Verwaltung ist die Grundlage für weitere gleiche Anteile. Wenn es in der Verwaltung, die wir als soziales Gehirn definieren, gleiche und gemeinsame Anteile gibt, wird das soziale System, das wir als Körper bezeichnen, entsprechend an Substanz und Form gewinnen.

Frauen können nicht nur ihre eigenen einzigartigen und autonomen Organisationen und Verwaltungen aufbauen, sondern dank der Grundsätze und des Systems des Ko-Vorsitzes und der paritätischen Vertretung auch gleichberechtigt an den Angelegenheiten der gesellschaftlichen Verwaltung teilnehmen. In jeder Institution wurde eine autonome Organisation von Frauen, die in diesem Bereich arbeiten, gegründet. Im militärischen Bereich haben die Volksverteidigungseinheiten (YPG) und die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) ebenfalls ihren festen Platz eingenommen.

Überall treffen Frauen in autonomen Frauenstrukturen Entscheidungen über sich selbst und lassen keinen Raum für die Kontrolle durch Männer.

Damit bestimmen die Frauen wirklich ihr eigenes Schicksal und ihre Zukunft in dem in Nord- und Ostsyrien entstandenen System. Dem Ziel, eine Gesellschaft von Frauen mit freiem Willen zu schaffen, wird mit diesen Organisationen und großen Anstrengungen Schritt für Schritt näher gekommen. Während die Frauen in der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien in allen Ortschaften und auf allen Ebenen organisiert sind, hat sich ihre allgemeine Dachorganisation unter dem Namen »Kongra Star« gebildet. Kongra Star ist die oberste Koordinations- und Verwaltungsstelle der landesweit konföderal organisierten Frauenorganisation. Es ist nicht nur die Aufgabe der Frauen, die Linie der Frauenbefreiung weiterzuentwickeln und gegen die dominante männliche Mentalität zu kämpfen. Es sind nicht nur die Frauen, die Freiheit brauchen. Die Männer müssen diese Mentalität zuallererst in sich selbst analysieren und bekämpfen und damit selbst der Freiheit näher kommen.

Soziale Befreiung kann nicht verwirklicht werden, ohne die bestehenden Identitäten von Männlichkeit und Weiblichkeit, die durch das etatistische2 System geschaffen wurden, abzulehnen und ohne an ihrer Stelle demokratische, gleiche und freie männliche und weibliche Identitäten aufzubauen.

Demokratische Selbstverwaltung

Eines der wichtigsten Merkmale der demokratischen Nation ist, dass sie eine Nation der Vielfalt und Unterschiede ist. Nationale, religiöse, sprachliche und kulturelle Unterschiede in der Gesellschaft sollten nicht die Ursache für Widersprüche und Konflikte sein. Die nationalstaatliche Mentalität hat die Völker jedoch so sehr mit Nationalismus vergiftet, dass diese Unterschiede als Gründe für Kriege und Massaker herhalten müssen. Der Nationalstaat stellt eine ethnische Struktur, eine Sprache und eine Kultur in den Mittelpunkt und macht sie dominant, während er versucht, alle anderen Sprachen und Kulturen in ihm aufzulösen. In diesem Sinne spielt der Nationalstaat die Rolle eines vollständigen Völkermords an der Gesellschaft. In den letzten zwei Jahrhunderten wurden antisoziale Maßnahmen und Operationen wie Völkermord, kulturelle Assimilierung usw. durch diesen Nationalismus untermauert. Nationalismus bringt immer Faschismus hervor. Hitler ist das deutlichste Beispiel dafür. Der Faschismus ist jedoch kein Phänomen, das nur auf eine bestimmte Zeit in Deutschland beschränkt ist. Faschismus gibt es überall dort, wo es einen Nationalstaat und Nationalismus gibt. Es gibt lediglich graduelle Unterschiede.

Der Nationalstaat, der die Macht- und Staatsform der kapitalistischen Moderne ist, dient der herrschenden Klasse dazu, mehr Profit zu machen und Kapital anzuhäufen. Mit sozialen Werten hat er nichts zu tun. Die Religion und der Glaube des Nationalstaates sind Profit und Kapital. Im Laufe der Geschichte hat keine andere Staatsform so sehr für Profit und Kapitalakkumulation die Gesellschaft ausgenutzt. Wie ein Bulldozer ist die nationalstaatliche Macht über die Gesellschaft gerollt, um den Interessen der herrschenden Klasse gerecht zu werden.

Mit Social-Engineering-Projekten hat sie die Gesellschaft gebrochen und geschnitten, sie beschnitten und versucht, sie in eine Form zu pressen. Der Nationalstaat ist die Zwangsjacke der Gesellschaft. Eine der Hauptursachen für die Kriege, Konflikte und das Leid im Nahen Osten in den letzten zwei Jahrhunderten ist diese Mentalität des Nationalismus und die Durchsetzung des Nationalstaates. Solange das nicht überwunden und eine Alternative geschaffen wird, hat die Gesellschaft keine Chance, in Frieden zusammenzuleben. Eine weitere Ursache für Widersprüche und Konflikte sind die Religion, die Sekten und der Glaube, die von den Herrschenden benutzt und in den Dienst des Staates gestellt werden.

Eine Religion gegen eine andere Religion, eine Sekte gegen eine andere Sekte einzusetzen, ist eine Methode und Politik, die auf die Tradition der Staatsführung im Nahen Osten zurückgeht. Auf nationaler Ebene ist das Gegenstück zu jeder Art von individualistischem, egozentrischem und egoistischem Verständnis der Nationalismus, und das Gegenstück zum Glauben ist der religiöse Fanatismus. Diese Mentalität, die die eigene Religion und Nationalität als groß, heilig und aller Dinge würdig ansieht und sie über andere stellt, um jene zu beherrschen, auf das Niveau von Sklaven und Dienern zu reduzieren und auszugrenzen, spaltet die Gesellschaft und führt zu Spannungen.

In diesem Sinne ist das Verständnis der demokratischen Nation von einzigartigem Wert als ein Paradigma, das eine radikale Lösung für soziale Probleme bietet. Die demokratische Nation zielt darauf ab, alle Arten von Nationalismus, religiösen Fanatismus und Sexismus zu bekämpfen, sie zu überwinden und eine Alternative zu schaffen. Sie sieht soziale Unterschiede nicht als Ursache von Widersprüchen und Konflikten, sondern als eine Realität und einen Reichtum der Gesellschaft. Sie begünstigt nicht den einen und macht den anderen nicht zum Feind. Das liegt daran, dass die demokratische Nation kein Interesse oder Ziel hat, Macht und Hegemonie zu etablieren. Sie repräsentiert nicht die Interessen einer Klasse oder Schicht, sondern basiert auf den Interessen der Gesellschaft. Damit soll sichergestellt werden, dass diese sich selbst organisieren und erhalten kann. Jedes Volk und jede Nation hat das Recht, seine eigene Sprache und Kultur in ihrer Gesamtheit zu leben und zu pflegen.

Jede Religion und Weltanschauung sollte die Möglichkeit haben, ihren Glauben frei zu praktizieren und zu verehren. Auch Frauen sollten die Möglichkeit haben, auf der Grundlage der Gleichberechtigung frei an der Gesellschaft teilzunehmen. All diese Phänomene sollten nicht zur Disposition oder unter der Kontrolle von irgend jemandem stehen.

Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien baut ihr soziales System in diesem Sinne auf. Alle Völker wie Kurden, Araber, Assyrer, Assyrer, Armenier, Tscherkessen usw. können sich innerhalb der demokratischen Nation frei äußern. Ebenso können Muslime, Christen, Êzîden usw., unabhängig von ihrer Religion und ihrem Glauben, ihren eigenen Glauben frei leben. So können die Menschen mit ihren kulturellen Unterschieden frei zusammenleben, ohne dass es zu Widersprüchen und Feindschaften kommt. Unter der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien werden Vorurteile, künstliche Widersprüche, ablehnende, verleugnende und ausgrenzende Auffassungen zwischen Völkern, Religionen und Glaubensrichtungen mit dem demokratischen Nationalbewusstsein beseitigt, und Geschwisterlichkeit, Freundschaft und gegenseitiger Respekt vor den Unterschieden nehmen von Tag zu Tag sichtbar zu. Verschiedene Völker und Glaubensrichtungen entwickeln nicht nur ihre eigenen autonomen Regierungen, sondern schließen sich auch mit anderen Strukturen in einem demokratischen konföderalen Stil zusammen. So können sie zum Beispiel nicht nur ihre eigene Kultur und Kunst entwickeln, sondern sich auch mit anderen Völkern zu gemeinsamen Festen und Veranstaltungen treffen. Dieser kulturelle Reichtum verleiht der gesamten Gesellschaft eine große ästhetische und geistige Kraft.

Homogene Gesellschaften sind in der Welt die Ausnahme – Gesellschaften, die aus Unterschieden bestehen, die Mehrheit. Der revolutionäre Kampf und das aufzubauende sozialistische System müssen Lösungen finden, die dieser Realität Rechnung tragen. Das Konzept der demokratischen Nation wurde aus dieser Notwendigkeit heraus geboren und nimmt in Nord- und Ostsyrien allmählich Gestalt an. Die Nation ist eine sozial-kulturelle Form. In der Geschichte haben sich soziale Formen wie Clan, Sippe, Stamm, Stämme, zur heutigen Nation entwickelt. Wie die Nation politisch organisiert wird, ist jedoch eine Frage der Präferenz, d. h. der ideologischen Auslegung. Hier steht das monistische, nationalistische, herrschende Nationenverständnis gegen die Perspektive, die die soziale Wahrheit auf der Grundlage einer demokratischen Nation betrachtet und auf egalitärem, libertärem und geschwisterlichem Teilen basiert. Während die erste die Interessen der herrschenden kapitalistischen Klasse und des auf dieser Grundlage gebildeten Nationalstaates bedient, bezieht sich die zweite Interpretation auf die Interpretation der demokratischen Nation, die auf den Interessen des Volkes und der gesamten Gesellschaft beruht, egal wie vielfältig sie ist. So wie Nation definiert und interpretiert wird, nach welchen Prinzipien und Zielen sie organisiert werden soll, kurzum, mit welcher Mentalität an sie herangegangen wird, so wird ihr Gerüst. Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien baut ihr Gesellschaftssystem auf der Grundlage des Verständnisses von demokratischer Nationalität auf und versucht, sich durch demokratische Selbstverwaltung zu regieren.

Die Tatsache, dass es arabischen, kurdischen, assyrischen, êzîdischen und anderen Völkern und Glaubensrichtungen gelungen ist, unter der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien seit mehr als zehn Jahren in geschwisterlicher Koexistenz mit einem demokratischen Nationalverständnis zusammenzuleben, verspricht große Hoffnungen für die Zukunft, insbesondere in einer Geographie, in der das syrische Regime und die kolonialistischen Staaten zu allen möglichen Methoden gegriffen haben, um arabisch-kurdische Widersprüche und Konflikte zu schaffen. Die größte Angst der Regionalstaaten und der imperialistischen Hegemonialmächte besteht darin, dass dieses demokratische Modell real erprobt wird und sich als Alternative zur kapitalistischen Moderne und dem Nationalstaat erweist. Aus diesem Grund nehmen die Invasions- und Vernichtungsangriffe gegen die autonome Verwaltung von Tag zu Tag zu. Die autonome Verwaltung und das demokratische konföderale System sollen erstickt und liquidiert werden, bevor sie zu einem Beispiel und einer Quelle der Inspiration für die Völker der Welt werden. Es wird versucht, die arabisch-kurdischen Gegensätze zu vertiefen und die Glaubensunterschiede zum Problem zu machen. Trotzdem schließen sich die Völker Nord- und Ostsyriens auf der Grundlage der demokratischen Nationalität immer mehr zusammen und leisten Schulter an Schulter Widerstand gegen die Angriffe.

Die Kommune ist der Kern der Gesellschaft

Eine der grundlegenden Mentalitäten, die eine tiefe Demokratie erfordert, ist die Verinnerlichung des ökologischen Bewusstseins. Die liberale Ideologie des kapitalistischen Systems sieht die Natur als Objekt und hält sich für berechtigt, vollständig über sie zu verfügen. Es zögert nicht, sowohl die Gesellschaft als auch die Natur auszuplündern, um Profit und mehr Kapital zu gewinnen. Kein moralisches Prinzip hindert es daran. So wie Macht und Hierarchie in der Gesellschaft etabliert werden, liegt es in der Natur des kapitalistischen Individualismus, die Natur zu beherrschen und Profit aus ihr zu schlagen. Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien setzt diesem naturfeindlichen Verständnis ein ökologisches Bewusstsein entgegen und kämpft dagegen an. Sie akzeptiert den freundlichen und friedlichen Umgang mit der Natur als Lebensstil. Von der Urbanisierung bis zur wirtschaftlichen Produktion, von den kommunalen Dienstleistungen bis zum täglichen Leben basiert es darauf, der Natur nicht zu schaden und mit ihr im Einklang zu sein. Im ökologischen Bewusstsein reicht es nicht aus, die Natur nicht zu schädigen.

Es liegt auch in der Verantwortung des Menschen, die zerstörte Natur wiederherzustellen und zu stärken. Luft, Wasser und Boden sind die Lebensquellen der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die ihre eigenen Lebensquellen austrocknet, kann auf Dauer nicht überleben. Innerhalb der autonomen Verwaltung wurde ein Ökologieausschuss eingerichtet. Durch die Einrichtung ökologischer Organisationen in allen Bereichen wird sowohl das Bewusstsein der Gesellschaft geschärft als auch gegen umweltfeindliche Praktiken gekämpft. Ökologische Bereiche und Studien werden als Modelle entwickelt.

Während auf der Grundlage der demokratischen Nation eine demokratische Gesellschaft aufgebaut wird, ist ein weiteres grundlegendes Merkmal des sich in Nord- und Ostsyrien entwickelnden Gesellschaftssystems, dass es gemeinschaftlich ist. Das Gemeinschaftsleben ist eine Alternative zu Klassen- und allen Arten von Hierarchie- und Machtstrukturen. Das Gemeinschaftsleben ist das Gegenmittel zu Individualismus und Egoismus.

Die Kommune ist die zentrale Organisation der Gesellschaft. Wenn wir vom Aufbau einer neuen demokratischen Gesellschaft sprechen, meinen wir nicht die Erschaffung eines Gottes oder ein neues, in der Geschichte noch nie dagewesenes soziales Ingenieurprojekt. 98 Prozent der Menschheitsgeschichte wurden auf gemeinschaftlicher Basis gelebt; die Ausnahme ist nicht der Kommunalismus, sondern die individualistische, klassenmäßige, staatliche Ordnung. Die neolithischen Gemeinschaften haben als demokratische Zivilisation seit Jahrtausenden ein gemeinschaftliches Leben auf der Grundlage von Gleichheit und Freiheit geführt, ohne Ausbeutung, Macht und Klassifizierung zuzulassen. Was gemeinschaftlich ist, ist bereits demokratisch. Dann muss das Demokratische auch gemeinschaftlich sein. Was wir heute in Nord- und Ostsyrien tun wollen, ist, ein Gesellschaftssystem zu aktualisieren, das auf den gemeinschaftlichen Werten der Gesellschaft auf der Grundlage dieser historischen Referenz basiert. Wenn die Angriffe, Regulierungen und alle Arten von Verzerrungen, die mit der Mentalität der Macht verbunden sind, die der Gesellschaft den Atem raubt, beseitigt werden, kann die Gesellschaft zur Besinnung kommen und ihr Leben auf demokratische Weise neu organisieren. Dieses Leben wird natürlich gemeinschaftlich sein. Soziale Probleme werden von der Mentalität der Macht verursacht. Die Werte und Maßnahmen, die die Gesellschaft zusammenhalten, sind gemeinschaftlich.

Die autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien stützt sich auf Tausende von Gemeinden, die sich aus Dörfern und Straßenzügen zusammensetzen. Die Gesellschaft ist lokal in Form von Gemeinden organisiert. Jede einzelne Person ist Mitglied einer oder mehrerer Gemeinden. Es gibt kein einziges Individuum außerhalb der Kommune. Die Kommune ist die wichtigste Säule der lokalen Verwaltung. Die Gemeinden haben den Willen und die Befugnis, Entscheidungen über ihren eigenen Lebensraum zu treffen. Es ist Sache der Kommune, Entscheidungen über sich selbst zu treffen und die Verantwortung für diese Entscheidungen zu übernehmen, ohne von einem externen Willen oder einem Machtzentrum abhängig zu sein. Um die eigenen Probleme zu diskutieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen, muss jedes Mitglied der Kommune ein politisches Bewusstsein haben. Die Kommune setzt sich also aus freien Individuen zusammen, aus Individuen mit politischem Bewusstsein. Eine Dimension der demokratischen Nation ist daher das freie Individuum und die demokratische Kommune. Das eine kann ohne das andere nicht existieren.

Die autonome Verwaltung und der demokratische, konföderale Organisationsstil, der aus Gemeinden und Versammlungen besteht und bei dem die Autorität und der Wille vom Lokalen zum Allgemeinen geht, bietet den Menschen eine enorme Chance. Durch dieses demokratische System ist es möglich, sich selbst als verantwortlich für den sozialen Bereich zu sehen, die Möglichkeit zu haben, Probleme zu lösen und das Individuum zu einem Subjekt mit freiem Willen zu machen.

Die Selbstverwaltungen, die der sozialen Koordination dienen, angefangen von den Dorf- und Straßengemeinschaften über die Bezirks- und Stadtversammlungen bis hin zu den kantonalen und regionalen Versammlungen, geben jedem Einzelnen und jeder Gemeinde die Möglichkeit, Politik zu bestimmen. Als Dachorganisation und Einheit der Menschen in Nord- und Ostsyrien fungiert die autonome Verwaltung als koordinierende Verwaltung aller lokalen Selbstverwaltungen. Die autonome Verwaltung ist kein hierarchisches, machtorientiertes Zentrum. Sie ist das Gegenteil des bürokratischen Staates. Die lokalen Gemeinschaften haben Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse in ihrem eigenen Bereich. In Angelegenheiten, die den größeren geografischen Raum und die Bevölkerung betreffen, nehmen sie durch ihre eigenen Vertreter an den übergeordneten Versammlungen und Verwaltungen teil und treffen gemeinsame Entscheidungen. Selbst wenn eine Dorfgemeinschaft eine falsche Entscheidung in Bezug auf das dörfliche Leben trifft, hat sie die Möglichkeit, diese selbst zu überdenken und neu zu bewerten und bessere Entscheidungen zu treffen. Als diejenigen, die die lokalen Verhältnisse am besten kennen, können die Mitglieder der Dorfgemeinschaft das auch besser als jemand Außenstehendes.

Bisher wurden die Menschen zu Objekten gemacht, weil die Machtzentren den Menschen die Möglichkeit genommen haben, ihre Politik selbst zu bestimmen. Politik ist kein Fachgebiet. Und sie ist auch keine »Staatsangelegenheit«. Der Staat macht keine Politik, er steuert das Leben, indem er es mit seinen Regeln und seiner Bürokratie einfriert. Politik ist im Wesentlichen die Behandlung sozialer Angelegenheiten, in der Entscheidungen durch gemeinsame Diskussion entwickelt werden. Sie wirkt in allen Bereichen der Gesellschaft, von der Verteidigung bis zur Wirtschaft, vom Gesundheitswesen bis zur Bildung. Der Staat hat dadurch viel zerstört, dass er die Politik aus der Gesellschaft herausgelöst und die Gesellschaft politikunfähig gemacht hat. Deshalb müssen sich die Menschen in der Gesellschaft die Politik wieder aneignen. Mit der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien geschieht genau das im Rahmen des demokratischen Konföderalismus. Eine Gesellschaft, die aus politisch bewussten Subjekten besteht, ist gesund und widerstandsfähig. Die Mentalität zu schaffen und die Mechanismen dafür zu organisieren, steht im Vordergrund der Bemühungen der autonomen Verwaltung. Die Gemeinden und Versammlungen sind die unabdingbare Voraussetzung für das soziale System und die politischen Instrumente der Gesellschaft. Das kommunale Leben ist nicht nur eine Organisation und ein Mechanismus – es ist auch wie eine Schule, in der das freie Individuum heranwächst.

Eine wirklich demokratische Struktur ist in der kapitalistischen Moderne und dem nationalstaatlichen System nicht möglich. Die alle vier oder fünf Jahre stattfindenden Wahlen sind nichts weiter als eine Täuschung. Sie sind ein Mittel für den Staat, sich in den Augen der Gesellschaft zu legitimieren. Die durch diese Wahlen bestimmten Regierungen, die als Teil einer repräsentativen Demokratie bezeichnet werden, haben keinen wirklichen Willen und keine Initiativkraft. Sie können nicht viel im Namen des Volkes und der Gesellschaft tun. Das liegt daran, dass sie innerhalb des staatlichen Systems durch das Gesetz und andere Zwangsmechanismen eingeengt sind. Aus diesem System auszubrechen wird nicht geduldet. Sie würden zur Zielscheibe von Verschwörungen, würden aus Versammlungen und Verwaltungen ausgeschlossen, können gefoltert und inhaftiert werden, und sie können Opfer von Attentaten werden. Unzählige Beispiele dafür wurden in der Geschichte in vielen Ländern erlebt.

Im demokratischen Verständnis gibt es statt der formalen repräsentativen Demokratie die direkte Demokratie. Das Volk ist berechtigt, an allen gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilzunehmen und seine Führung zu wählen. Die Gewählten bleiben gegenüber der gewählten Organisation und der Gemeinschaft rechenschaftspflichtig und können jederzeit abgewählt und ersetzt werden. Mit anderen Worten: Die gewählte Person ist das Sprachrohr dieser Gemeinschaft. Er/sie hat nicht die Befugnis, selbständig Entscheidungen zu treffen. Er/sie vertritt die Gedanken und Vorschläge der Gemeinde oder Versammlung, der er/sie angehört, in einer übergeordneten Koordinationsstufe. Diese Fragen sind im Gesellschaftsvertrag der autonomen Verwaltung klar geregelt.

Zwei weitere wichtige Bereiche, auf die sich die von den Völkern Nord- und Ostsyriens gebildete autonome Verwaltung stützt, sind die Selbstverteidigung und die Organisation der Sozialwirtschaft. Die Selbstverteidigung ist ein obligatorischer und legitimer Mechanismus, der von allen Lebewesen entwickelt wird. Wie bei jedem Lebewesen ist die Selbstverteidigung sowohl ein Recht als auch eine Pflicht für eine Gesellschaft. Gewalt und Krieg sind von der Selbstverteidigung zu trennen. Bei Kriegen geht es um Machtausübung, Besatzung und Ausbeutung. Selbstverteidigung ist der Reflex der Gesellschaft, sich zu schützen. Da die Gesellschaft nicht nur reflexartig handeln kann, muss sie sich so organisieren, dass sie sich am besten gegen Angriffe verteidigen kann und auf dieser Grundlage Maßnahmen ergreifen.

In Nationalstaaten dienen Armee, Polizei und alle Arten von militaristischen Strukturen dem Schutz der Interessen der herrschenden Klasse. Aber in der demokratischen Nation, wie sie sich in der Praxis der Selbstverwaltung zeigt, wurden militärische Maßnahmen und Organisationen ergriffen, um sich gegen Angriffe zu verteidigen. Die Gesellschaft muss sich mit ihrer eigenen Kraft verteidigen. Sie muss ihre eigene Macht offenlegen und organisieren, um gegen Angriffe zu überleben und ihre durch die Revolution gewonnenen gesellschaftlichen Werte zu schützen. Organisationen wie YPG, YPJ, HPC (Soziale Verteidigungskräfte), QSD (Demokratische Syrische Kräfte) und Asayîş wurden gegründet, um die Gesellschaft in diesem Rahmen gegen interne und externe Angriffe zu verteidigen. Diese Strukturen, die innerhalb der autonomen Verwaltung gegen die Besatzungsangriffe der Kolonialmächte und Banden wie ISIS organisiert sind, haben große Erfahrungen gesammelt.

Eine Revolution kann nur überleben, wenn die Wirtschaft den kapitalistischen Marktbedingungen entzogen wird. Die Wurzel aller Sklaverei und allen Übels ist die Mentalität der Macht. In Verbindung damit haben sich Individualismus, Egoismus und Gier entwickelt. Das Begehren und der Raub gesellschaftlicher Werte sind die Folge davon. Solange die Anhäufung von Kapital ein Selbstzweck ist, wird es ein Krebsgeschwür für die Gesellschaft sein. Der Kapitalismus ist weder eine Gesellschaftsform noch eine Ökonomie, wie manche ihn definieren. Er ist eine Macht und ein Monopol über die Gesellschaft und die Wirtschaft. Er ist ein System der Ausbeutung und des Raubes. Die Alternative zum Kapitalismus ist eine sozial orientierte Wirtschaft, die sich auf kollektiver und gemeinschaftlicher Basis entwickelt. Wenn die demokratische Nation auf der Gemeinschaftlichkeit beruht, muss auch die Wirtschaftsstruktur, die eine Grundlage der Gesellschaft bildet, gemeinschaftlich sein. In der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien wird eine kommunale Wirtschaft auf der Basis von Gemeinden und Genossenschaften entwickelt.

Das Ziel ist, jede Gemeinde zu einer Genossenschaft und jede Genossenschaft zu einer Gemeinde zu machen. Hunderte von Genossenschaften sind bereits gegründet worden. Obwohl sie noch nicht zu einem dominierenden Wirtschaftssystem auf der gewünschten Ebene geworden sind, wurden in dieser Hinsicht gewisse Fortschritte erzielt. Seit zehn Jahren werden Erfahrungen und Kenntnisse gesammelt. Der Handel und der Markt werden im öffentlichen Interesse organisiert. Monopole und Macht über die Wirtschaft sind nicht erlaubt. Autonome Wirtschaftsorganisationen von Frauen und genossenschaftliche Erfahrungen ermöglichen es vielen Frauen, aus eigener Kraft am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen und auf eigenen Füßen zu stehen, ohne von jemandem abhängig zu sein. Wirtschaftliche Abhängigkeit bedingt viele Formen der Abhängigkeit. Eine Frau, die sich wirtschaftlich selbst versorgt, ist eine Frau, die einen wichtigen Schritt in Richtung Freiheit getan und Selbstvertrauen gewonnen hat. Die willensstarke Haltung der Frauen in der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien hängt damit zusammen, dass das demokratische System eine freie und gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht.

Infolgedessen blüht inmitten des Nahen Ostens eine Hoffnung auf. Die Völker und Glaubensrichtungen, die sich auf der Grundlage der demokratischen Nation zusammenfinden, bauen ein Gesellschaftssystem auf, das auf ihrer eigenen Kraft beruht. Diese Erfahrung der demokratischen Gesellschaft ist keine lokale, marginale Struktur. Dieses demokratische Modell mit universellen Grundsätzen lässt sich auf jeden Teil der Welt übertragen. Es erhebt den Anspruch, Lösungen für alle sozialen Probleme zu bieten und wird seit zehn Jahren in die Praxis umgesetzt und mit Leben gefüllt. Dieser Prozess speist sich fortlaufend aus der Praxis und ist noch lange nicht beendet. Jeden Tag stärkt es sein soziales System mit den durchlebten Erfahrungen. Dies ist von einzigartigem Wert für die gesamte Menschheit. Es ist die Pflicht und Verantwortung aller fortschrittlichen, demokratischen und antikapitalistischen Menschen, die Selbstverteidigung der Völker Nord- und Ostsyriens, die sich im Rahmen der demokratischen Nation gegen die Angriffe des kapitalistischen Systems zusammengefunden haben, ihre Bemühungen zum Schutz ihres eigenen sozialen Systems und den Widerstand, den sie unter großen Opfern entwickelt haben, zu unterstützen und sich mit ihnen zu solidarisieren.

 Fußnoten

1 https://demokratikmodernite.org/
2 l’Etat (französisch): der Staat. Etatistisch: staatlich orientiert


Kurdistan Report 234 | Juli-September 2024