Ein Bericht über die internationalistischen Versammlungen der Völker und Kämpfe in Malaysia
Für die revolutionäre Einheit der Völker gegen Imperialismus, Militarismus und Faschismus
Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
Im Juni dieses Jahres fanden in Malaysia drei mehrtägige internationalistische Veranstaltungen gegen Imperialismus, Militarismus und Faschismus statt.
Ende Juni 2024 wurde die malaysische Insel Penang zu einer Stätte der Begegnung revolutionärer Freiheitskämpfe. Aus der ganzen Welt reisten Vertreter:innen verschiedener politischer Bewegungen an, um den Kampf gegen Imperialismus gemeinsam zu stärken. Im Fokus ihrer Debatten und Planungen stand der Widerstand gegen Faschismus und Militarismus. Diese wurden als Konsequenzen imperialistischer Strategien, die allen voran die Völker der Welt zur Zielscheibe machen, identifiziert. Der Kampf gegen die Systeme, die die Welt unbewohnbar machen, bedürfe einer breiten internationalistischen, antiimperialistischen Front, die den Bedingungen des 21. Jahrhunderts gerecht werde.
Zunächst fand vom 17. bis 18. Juni 2024 der dritte Internationale Kongress der Internationalen Frauenallianz (IWA) mit dem Titel »Frauen leisten Widerstand gegen imperialistische Kriege, Militarismus und Ausbeutung! Vereinigt euch und kämpft für Land, Arbeitsrechte und Befreiung!« statt. Die Versammlung brachte ca. 200 Teilnehmerinnen aus über 20 Ländern und Territorien zusammen. Anschließend wurden vom 19. bis 20. Juni im Rahmen des Internationalen Festivals für die Rechte und Kämpfe der Völker verschiedene kulturelle Darbietungen und Informationsveranstaltungen organisiert. Vertreter:innen verschiedener indigener Völker aus Borneo spielten hierbei eine besondere Gastgeberrolle. Vom 21. bis 24. Juni fand dann der 7. Internationale Kongress der Internationalen Liga des Kampfes der Völker (ILPS) statt. Aus 44 Ländern und Territorien nahmen 535 Personen an der Versammlung teil, die unter dem Slogan »Besiegt den Imperialismus! Gewinnt unsere sozialistische Zukunft!« abgehalten wurde. Die 432 Delegierten stammten aus 192 ILPS-Mitgliedsorganisationen. Außerdem waren Gäste und Beobachter:innen dabei. Die teilnehmenden Delegierten waren hauptsächlich Vertreter:innen von Basisorganisationen aus Kämpfen der Arbeiter- und der Bauernklassen, sowie nationaler Befreiungsbewegungen. Des Weiteren befanden sich unter den Teilnehmer:innen verschiedene lokal und regional handelnde Gruppen, die sich gegen Militarismus und Faschismus organisieren.
Die Internationale Liga des Kampfes der Völker (ILPS) wurde im Jahre 2001 von José María Sison, dem Gründungsvorsitzenden der Kommunistischen Partei der Philippinen, gegründet, mit dem Ziel revolutionäre und demokratische Kräfte zu vereinen und eine sozialistische Perspektive für das 21. Jahrhundert voranzutreiben. Die ILPS stellt heute eine der größten systemkritischen und widerständigen internationalistischen, antiimperialistischen Dachorganisationen der Welt dar. IWA gründete sich 2014 aus der Frauenkommission von ILPS heraus. Die philippinische Freiheitsbewegung, eine jahrzehntealte militante, politische und soziale Massenbewegung, spielt auch heute eine Vorreiterrolle innerhalb von ILPS und IWA. Ihre undogmatische und offene Art, freiheitliche und revolutionäre Kämpfe gegen das kapitalistische System und imperialistische Hegemonie zu vereinen, ist eine treibende Kraft im globalen Widerstand gegen Unterdrückung. Viele bedeutsame Momente in der Woche waren Sison gewidmet, der 2022 im Alter von 83 Jahren verstarb.
Das Kurdische Frauenbüro für Frieden Cenî und die Akademie der Demokratischen Moderne (ADM) nahmen an den Veranstaltungen teil. Cenî ist Gründungsmitglied von IWA Europa und ADM ist seit dem Kongress in der Verwaltung der ILPS. In allen Veranstaltungen gab es Sitzungen und Stände, die über den Freiheitskampf in Kurdistan informierten. Beim IWA Kongress gab es einen Beitrag zum Selbstverteidigungsverständnis der kurdischen Frauenbewegung und im Rahmen des Kulturfestivals wurden zwei Workshops abgehalten. Am ersten Tag wurde ein Vortrag über die Geschichte Kurdistans und das Paradigma der Freiheitsbewegung Kurdistans gehalten. Am zweiten Tag gab es einen Workshop über die Geschichte und die Methoden des Frauenbefreiungskampfes in Kurdistan. Beim ILPS Kongress gab es dann einen Redebeitrag zum türkischen Faschismus. Hier wurde vor allem auf die Rolle der Türkei innerhalb der NATO hingewiesen. Auf einer besonderen Abendveranstaltung der »Nationalen Befreiungskommission« des ILPS wurde Kurdistan erneut aufgegriffen, neben Vorträgen über Palästina, Puerto Rico, den Philippinen und anderen Kontexten. Die Ideologie und Organisationsformen der Freiheitsbewegung Kurdistans – und darunter vor allem die Perspektive der autonomen Frauenorganisierung – wurden mit Interesse aufgenommen. So ergaben sich auch Anfragen auf Vernetzung und weiteren Austausch in der Zukunft.
Gemeinsam analysieren und Perspektiven entwickeln
Der Imperialismus wurde nicht theoretisch, im Abstrakten, abgehandelt, sondern anhand der Lebensumstände der Völker analysiert. Dabei gab es vielfältige Diskussionen zu den sozialen Auswirkungen imperialistischer Machtpolitik: Völkermord und Besatzung; Ökozid, patriarchale Gewalt; die Ausbeutung von Arbeiter:innen und Bäuer:innen; Zwangsmigration; Repression und Kriminalisierung; kulturelle Hegemonie; ideologische Spezialkriegsführung; kognitive Kriegsführung usw., insbesondere gegen die Jugend.
Einigkeit bestand in den Versammlungen darin, dass trotz des Wandels der Weltordnung von einem unipolaren zu einem multipolaren System, in dem auch Staaten wie China oder Russland eine immer stärkere Rolle spielen und die Hegemonie des Westens herausfordern, der US-amerikanische Imperialismus dennoch zweifellos die dominante Position innerhalb der staatlichen Machtordnung innehabe. Dies zeige sich nicht nur an den endlosen militaristischen Provokationen und Eskalationsversuchen der USA und ihrer Partner, die sich in verschiedenen Orten der Welt – vor allem in Osteuropa/Russland, im Mittleren Osten und im südchinesischen Meer – ausdrücken, sondern auch allgemein an ihrer konfrontationsorientierten politischen Strategie des Interventionismus und ihrer materiellen Kapazität zur Kriegsführung.
Der palästinensische Widerstand gegen Genozid und Besatzung stand im Zentrum der Veranstaltungen. In verschiedenen Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass der von westlichen Staaten unterstützte Krieg Israels in Gaza in vielerlei Hinsicht auch allgemein die Zukunft der Kriegsführung widerspiegelt. Man sah in der aktuellen Lage in der Region und auf der Welt die Möglichkeit, als Völker und Bewegungen zu intervenieren und die Richtung der Weltgeschichte durch Widerstand und Organisiertheit zu verändern.
Generell wurde die Notwendigkeit einer gemeinsamen Haltung zum Imperialismus betont. Es bedürfe einer Linie der Einheit und einer Bündelung der Kräfte für den Kampf gegen die Mächte, die die Völker der Welt zu unterdrücken suchen. Trotz der Widersprüche zwischen verschiedenen Gruppen und Fronten müsse man Wege finden, in Dialog zu treten und gemeinsame Lösungsperspektiven und -strategien zu entwickeln. Dies sei von historischer Bedeutung.
Ein wichtiger Punkt, auf den sich viele Beiträge bezogen, war der Bedarf, gegen den Terrorismusbegriff der hegemonialen Mächte Widerstand zu leisten. Dies wurde vor allem im europäischen Kontext relevant. Die Delegationen aus Europa waren sich darüber einig, dass die Kriminalisierung und Stigmatisierung von radikalen und revolutionären Kämpfen ein Hauptmerkmal der Spezialkriegsführung sei und vor allem dazu diene, Menschen durch Einschüchterung und Lähmung von systemkritischem Widerstand fernzuhalten.
Auf den Kongressen waren viele migrantische Organisationen vertreten, die sich hauptsächlich mit den Arbeitsbedingungen von Migrant:innen auseinandersetzen. Das Thema Flucht kam insbesondere im Zusammenhang mit dem durch Militarismus und Kapitalismus eskalierenden Klimawandel auf. Oft wurde darauf hingewiesen, dass man die Narrative des herrschenden Systems zum Thema Flucht und Migration demaskieren und die wahren Ursachen für Flucht und soziale und wirtschaftliche Probleme bekämpfen müsse, darunter vor allem den (auch von der Industrie befeuerten) Militarismus, der allen voran von den Vereinigten Staaten an verschiedenen Fronten durch Provokation und Eskalation vorangetrieben wird.
An vielen Stellen wurde auf die Situation von politischen Gefangenen, vor allem in Palästina, Kurdistan und den Philippinen eingegangen. Auf allen Veranstaltungen wurde über die aktuelle Lage des sich in Isolationshaft befindenden Vordenkers der kurdischen Freiheitsbewegung, Abdullah Öcalan, aufgeklärt. Die Abschlussresolution des ILPS-Kongresses enthält den Beschluss, die internationale Kampagne für seine Freiheit aktiv zu unterstützen.
Zum Kampf gehören Kultur, Gedenken und Träume
Die gesamte Woche wurde von vielen bunten und beeindruckenden kulturellen und künstlerischen Aktivitäten begleitet. Mit Mühe und Sorgfalt trugen alle Delegierten, vor allem Frauen und die Jugend dazu bei, durch Gesang, Tanz und Theater, die Zärtlichkeit der Völker zu stärken und den Begriff des Zusammenhalts und der Solidarität im Angesicht des herrschenden Systems mit Bedeutung und Schönheit zu füllen. Beim Kulturabend zum Abschluss des IWA-Kongresses wurde ein Teil des »Jin, Jiyan, Azadî«-Videoclips, der zum diesjährigen 8. März von der revolutionären Frauenkulturorganisation Kevana Zêrîn in Rojava veröffentlicht wurde, gezeigt. Auch wurde aller Märtyrerinnen der Freiheitskämpfe überall auf der Welt gedacht. Es wurden Frauen geehrt, die ihre Leben im Kampf gegen den Faschismus verloren, darunter auch Frauen wie Ivana Hoffmann und Evîn Goyî. Bei der Abschlussveranstaltung der ILPS wurde der Tanz der kurdischen Guerilla gelehrt und gemeinsam zu »Ha Gerilla« von Şehîd Delila getanzt. Diese Momente strahlten revolutionäre Liebe, Begeisterung und Hoffnung aus.
Die sanfte und dennoch kämpferische Atmosphäre und die dadurch trotz kultureller und sprachlicher Unterschiede geschaffenen Gefühle der Genoss:innenschaft, zeigten, dass es nicht nur darum geht, gegen Unterdrückung und Gewalt Widerstand zu leisten, sondern auch darum, eine gerechtere, schönere Welt zu erträumen und auch aufzubauen. Um dies schaffen zu können, muss man sich organisieren und internationalistische Bündnisse aufbauen, die stark und effektiv genug sind, dem Ernst der Lage der Welt auch gerecht werden.
Zum Ende der Woche wurde Vielen schweren Herzens bewusst, dass sie auf ihrer Rückreise mit ganz anderen Bedingungen und Beziehungen als denen in dieser Atmosphäre konfrontiert werden würden. Die steigenden Angriffe und Kriminalisierungspolitiken von Staaten und des herrschenden Systems bedeuten, dass Widerstand leistende Bewegungen sich und einander schützen und verteidigen müssen. Denen, die in westliche Staaten zurückreisten, wurde ausdrücklich eingebläut, dass sie sich im Herzen der liberalen Weltordnung mit den subtilsten und in bestimmten Hinsichten gefährlichsten Formen der Angriffe, die darauf abzielen, ihre Arbeiten zu lähmen, auseinandersetzen müssen.
Um der Rolle und der Aufgabe, derer sich revolutionäre und internationalistische Bündnisorganisationen wie ILPS und IWA angenommen haben, gerecht zu werden, solle der Tatendrang, mit dem alle Penang verließen, sich nun konkret in Aktion ausdrücken – da waren sich alle einig.
Kurdistan Report 235 | Oktober-Dezember 2024