Die Bedeutung des Kampfes für das kulturelle und das ökologische Erbe

Der Umweltrassismus, dem die Kurd:innen ausgesetzt sind

Menekşe Kızıldere, Ko-Sprecherin der Ökologie-Kommission der HDP

Umweltrassismus ist ein aus den USA stammender Begriff, der seit etwa sechzig Jahren im Zusammenhang mit dem Thema der Umweltgerechtigkeit verwendet wird. Das Konzept der Umweltgerechtigkeit beinhaltet die gleiche und faire Behandlung aller, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, sozialer Klasse oder Geschlecht, bei der Schaffung von Umweltrichtlinien, -praktiken und -aktivitäten. Danach hat jede:r das Recht, in einer sauberen und gesunden Umwelt zu leben, und die Staaten sind verpflichtet, dies sicherzustellen. Dieses Konzept wurde aufgrund der Umweltprobleme entwickelt, denen Afroamerikaner:innen, Lateinamerikaner:innen und Pazifikinsulaner:innen wegen ihrer Herkunft und sozialen Klasse ausgesetzt sind, und aufgrund der kapital- und staatsorientierten Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind, während sie mit diesen Problemen kämpfen. Umweltrassismus ist die Exposition einer Gemeinschaft gegenüber Umweltproblemen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, sozioökonomischen Klasse und ihres Geschlechts sowie ihrer Marginalisierung. Die geschaffenen Umweltprobleme werden auch als politisches Druckmittel gegen marginalisierte Gruppen genutzt. Das ist auch eine Frage der Umweltgerechtigkeit, die vorsieht, dass jede:r ein gleichberechtigtes Leben in einer gesunden Umwelt führt, in einer Ordnung, in der Umweltbelastungen gerecht verteilt werden, unter ethischen und ausgewogenen Bedingungen, ohne Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Nationalität, Geschlecht und ohne Vorurteile.

Zerstörung ökologischer Lebensformen

Ökologische Lebensformen zu schädigen ist eine uralte Kriegsstrategie. Besonders die alten mesopotamischen Länder wurden Zeugen der Zerstörung ökologischer Lebensformen durch viele Zivilisationen während der Machtkriege. Um die Völker in den von ihnen besetzten Staaten zu unterdrücken, pflegten die assyrischen und sumerischen Zivilisationen, Salz auf landwirtschaftliche Flächen zu streuen und die Produktion zu vernichten, Wälder abzuholen und niederzubrennen und so die wichtige sozioökonomische Vitalität zu zerstören. Sie nutzten die Methode des Abholzens oder Abbrennens von Wäldern nicht nur, um die Versorgung zu zerstören, sondern auch, um die Zivilisationen, mit denen sie Krieg führten, zu erniedrigen. Diese menschliche Zerstörungsmacht und dieses Unterdrückungswerkzeug aus Mesopotamien wird noch heute eingesetzt. Und das auf demselben Land. Wir werden Zeug:innen, dass das kurdische Volk in den ökologischen Konflikten, mit denen es in den letzten zehn Jahren konfrontiert war, aus Umweltgründen mit der gleichen politischen Motivation unterdrückt wird. Als Werkzeug der Macht und des Krieges wurde die Zerstörung ökologischer Lebensformen des kurdischen Volkes in eine Waffe verwandelt. Vor allem in den letzten fünf Jahren hat die Zerstörung von jungen und lebenden Waldbeständen durch Abholzung oder Brandstiftung im Nordirak und im Süden der Türkei ein ernstes Ausmaß erreicht.

Verlust ökologischer Werte

Die Klimakrise bedroht die ganze Welt und ihre Auswirkungen haben einen Punkt erreicht, an dem sie unumkehrbar sind. Während sie in vollem Gange ist, verursacht der Verlust auch nur eines einzigen Lebewesens irreversible Schäden. Bei der Bewertung der ökologischen Lebensformen in Kurdistan stellt man fest, dass die Umweltverschmutzung durch den Krieg, durch sogenannte Sicherheitsstaudämme, vorsätzliche Waldbrände und Rodungen viele bleibende Schäden angerichtet hat. Einige endemische Arten sind im Schwinden begriffen. Hauptgrund dafür ist, dass mit der oben beschriebenen Zerstörung ökologische Korridore und Systemgleichgewichte verloren gehen. Die Heiligkeit der Natur in der kurdischen Kultur ist unbestreitbar und ein sehr wichtiger Teil der Kultur. Der Verlust ökologischer Werte ist nicht nur ein Schaden für die Natur, er ist ein großer Schaden für die Kultur, das Leben und natürlich auch für die Wirtschaft. Der Schaden, der der Natur durch Menschenhand zugefügt wird, wird durch die Klimakrise immer größer. Schäden an der Natur bedeuten langfristig sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verlust für das kurdische Volk.

Recht zu existieren

Jedes Lebewesen in der Natur hat das Recht zu existieren und sich zu entwickeln. Der Schutz natürlicher Lebensformen dient nicht nur dem Nutzen der Menschen, sondern auch dem Schutz dieses Rechts selbst. Daher ist der ökologische Kampf für den Schutz natürlicher Lebensformen ein rechtsbasierter und hochpolitischer Kampf. Heute hat Murray Bookchins Theorie der sozialen Ökologie – angeordnet auf der Achse dieses rechtsbasierten Kampfes – praktisch die politische Ökologie erreicht. Umweltrassismus und Umweltgerechtigkeit können durchaus als Fortsetzung der sozialökologischen Debatte gesehen werden. Einer der wichtigsten Faktoren für die Politisierung des ökologischen Kampfes ist das Verständnis der immer brutaler werdenden neoliberalen Staatspolitik von der Natur als Kriegs- und Konsummittel. Daher ist es von großer Bedeutung, die Ökologie im Freiheitskampf Kurdistans gegen die Unterdrücker zu verteidigen. Natürlich bleibt die Entwicklung rassistischer Ansätze gegen diesen Widerstand nicht aus.

Kampf für Ökologie von größter Bedeutung

Das kurdische Volk lebt gerade jetzt in jeder Hinsicht den rechtmäßigen politischen Kampf der sozialen Ökologie. Aber ökologische Lebensformen auf dem ganzen Planeten, die niemandem gehören, sind das ökologische Erbe, das nur WIR denen hinterlassen können, die nach UNS kommen. Im Zusammenhang mit dem ökologischen Erbe wird auch das kulturelle Erbe geschädigt. Ebenso verhindern Angriffe auf ökologische Lebensformen in kurdischen Provinzen das Überleben von Kulturerbe. Die unabdingbare Voraussetzung dafür, unsere Kultur und Gewohnheiten am Leben zu erhalten, ist der Transfer unserer ökologischen Lebensformen in die Zukunft. Aus diesem Grund ist der Kampf für Ökologie für das kurdische Volk von größter Bedeutung.


 Kurdistan Report 220| März/April 2022